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Sport: Streit über die Ahnen

Die Sporthilfe nimmt fünf Mitglieder in die Hall of Fame auf – maximale Medaillen zählen diesmal nicht.

Berlin - Wer sind eigentlich Deutschlands bedeutendste Sportler? Darüber ließe sich eine mehrteilige Fernsehserie drehen oder ein Buch schreiben nach dem Vorbild „1000 Orte, die du gesehen haben musst, bevor du stirbst“. Die Stiftung Deutsche Sporthilfe hat vor sechs Jahren angefangen, eine Liste zusammenzustellen, die „Hall of Fame des deutschen Sports“. Über die Liste kann man in geselliger Runde diskutieren. Oder aber erbittert streiten.

Den Pokal bekommt, wer als Erster im Ziel ist, aber einen Platz in der Ruhmeshalle des deutschen Sports verdient eben nicht jeder. Täve Schur hat ihn nicht verdient. So sahen es die Mitglieder der Jury und ließen das vielleicht größte Sportidol der DDR im vergangenen Jahr durchfallen. Sie vermissten vor allem eine Distanzierung Schurs zu den Auswüchsen des DDR-Staatssports. Damals kamen nur zwei Mitglieder der Jury aus dem Osten. Nach viel Kritik hat die Sporthilfe die Zusammensetzung verändert, inzwischen kommt knapp ein Drittel der Mitglieder aus dem Osten.

Dafür wird in diesem Jahr ein anderer Radfahrer der DDR aufgenommen, Wolfgang Lötzsch. Große internationale Erfolge kann er jedoch nicht vorweisen, weil er von der DDR-Sportführung wegen Fluchtgerüchten und angeblichen Kontakten in den Westen nicht für würdig gehalten wurde, um für die DDR zu starten. Dagegen befand ihn nun die Jury der Sporthilfe für würdig, in die Hall of Fame aufgenommen zu werden, weil seine Geschichte stellvertretend für viele Sportlerschicksale im geteilten Deutschland stehe.

In diesem Jahr werden am 25. Mai in Berlin schließlich fünf Persönlichkeiten nicht nur wegen ihres sportlichen Erfolgs aufgenommen, sondern vor allem wegen ihres Einsatzes für die Werte des Sports. Neben Wolfgang Lötzsch sind das der Sportphilosoph und Ruder-Olympiasieger Hans Lenk. Die Hochspringerin Gretel Bergmann-Lambert, der die Nationalsozialisten trotz des erreichten deutschen Rekordes die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1936 in Berlin verwehrten, weil sie Jüdin war. Und die Skilangläuferin Antje Harvey-Misersky und ihr Vater, der Skilanglauftrainer Henner Misersky, die sich beide in der DDR weigerten, Dopingmittel zu nehmen und dafür aus dem Leistungssportystem ausgeschlossen wurden.

Mit diesen Namen will die Sporthilfe Geschichten erzählen von besonderen Persönlichkeiten. „Es geht in der Hall of Fame nicht um die Aufzählung von maximalen Erfolgen“, sagt Michael Ilgner, der Vorstandsvorsitzende der Sporthilfe, fügt jedoch hinzu, dass die Aufnahme von fünf Vorbildern nach den vier Kategorien Werte des Sports, NS-Zeit, Teilung Deutschlands und Doping nur ein Intermezzo ist: „Wir wollen die Hall of Fame nicht in eine Institution überführen, die nur an besondere Schicksale erinnert.“ Im nächsten Jahr würden wieder sportliche Erfolge im Zentrum stehen. „Wir sind keine Sporthistoriker und keine Philosophen.“ Streiten und bewerten sollen andere.

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