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Einer der Sommergewinner. Beim Confed-Cup machte Marc-André ter Stegen Werbung in eigener Sache.

© AFP PHOTO / Patrik STOLLARZ

Sieg bei Confed-Cup und U-21-EM: Joachim Löw hat für die WM 2018 die freie Auswahl

Ohne den Kern der Weltmeistermannschaft hat das DFB-Team den Confed-Cup gewonnen, die U 21 ist Europameister geworden – das Reservoir an talentierten deutschen Fußballern ist riesig.

Als dieser Fußballsommer noch weit weg war, dachte Joachim Löw nur an den nächsten, den der Weltmeisterschaft in Russland. Seine Mission lautet, den Titel von 2014 erfolgreich zu verteidigen. Das letzte Mal ist das Brasilien 1962 gelungen. Dieser Sommer aber, mit dem Confed-Cup und der gleichzeitig auszuspielenden Europameisterschaft der wichtigsten Nachwuchsmannschaften, lag Löw und seiner Mission ziemlich quer im Weg. Es musste ein Kompromiss her, die besten Perspektivspieler wurden auf zwei Mannschaften aufgeteilt.

Längst ist aus diesem ungeliebten Fußballsommer ein echter Hit geworden. Die U-21-Auswahl hat am Freitag im Finale Spanien geschlagen, ist in Polen Europameister geworden, obwohl ein halbes Dutzend ihrer besten Spieler zum Confed-Cup abkommandiert war. Und auch dort, in Russland, hat sich die alternative Nationalmannschaft prächtig geschlagen. Das Allerbeste aber ist: Löw, der seinen Weltmeistern Schonung verordnet hatte für diesen Sommer, hat sich den größten Gefallen selbst getan. Wenn der Bundestrainer im kommenden Jahr seinen Kader für die Titel-Mission zusammenstellt, kann er sich praktisch aus drei Mannschaften bedienen.

Sie sind Europameister. Die Spieler der deutschen U-21-Mannschaft hatten viel Grund zum Feiern.
Sie sind Europameister. Die Spieler der deutschen U-21-Mannschaft hatten viel Grund zum Feiern.

© REUTERS/Kacper Pempel

„Diese beiden Turniere haben wenig Aussagekraft für eine WM im nächsten Jahr“, sagt Löw nun fast trotzig. Es herrsche jetzt eine gewisse Euphorie im Land, die vor vier Wochen noch ganz anders war. „Wir haben eine gute Basis, aber wir müssen uns an Messis und Ronaldos, an Toni Kroos und und und orientieren. Sechs, sieben Nationen kann ich aufzählen, gespickt mit überragender Qualität.“ Um Weltmeister zu werden, brauche man Weltklassespieler. Bis dahin sei es für Talente ein weiter Weg.

Goretzka ist einer wie Khedira – nur acht Jahre jünger

Einer, der sich aussichtsreich auf den Weg gemacht hat, ist Leon Goretzka. Der Schalker sticht neben Timo Werner und Lars Stindl aus dem Confed-Cup-Team hervor. Zweimal war er schon dicht davor. Im Mai 2014 wurde Goretzka in den vorläufigen WM-Kader nominiert. Bei seinem Einstand im Testspiel gegen Polen verletzte er sich. Weltmeister wurden die Deutschen ohne ihn. Und im vergangenen Jahr war nur sein Trikot bei der Siegerehrung des olympischen Fußballturniers in Rio zu sehen. Sein Mitspieler Max Meyer hielt es hoch. Goretzka war als Kapitän der Olympiamannschaft ins Turnier gegangen, verletzte sich an der Schulter und reiste noch vor dem Finale ab, das im Elfmeterschießen gegen Gastgeber Brasilien verloren ging.

Für Leon Goretzka ist der Confed-Cup das, was für Sami Khedira 2009 die U-21- EM war: der Durchbruch. Khedira war damals 22, so alt wie Goretzka heute. Beide ähneln sich in ihrer dynamischen Spielweise, körperlichen Präsenz und ihrem Spielverständnis. Goretzka vereint viele Qualitäten auf sich, die eines Eroberers, eines Verteilers, eines Antreibers und eines Vollenders. Seine Läufe in die Tiefe mögen manchen an Lothar Matthäus erinnern, wie er bei der WM 1990 so unwiderstehlich durch die gegnerischen Reihen fegte. Natürlich wird Löw nicht auf Khedira verzichten, selbst wenn dieser im nächsten Sommer bei der WM in Russland 31 Jahre alt sein wird. Aber der Bundestrainer weiß jetzt, dass er einen wie Khedira hat, der acht Jahre jünger ist.

Die Sommergewinner. Beim Confed-Cup stachen Timo Werner, Lars Stindl und Leon Goretzka (v. l.) heraus. Sie könnten bei der WM 2018 dabei sein.
Die Sommergewinner. Beim Confed-Cup stachen Timo Werner, Lars Stindl und Leon Goretzka (v. l.) heraus. Sie könnten bei der WM 2018 dabei sein.

© Yuri Cortez/AFP

Im optimalen Fall kann Goretzka sogar ein neuer Michael Ballack werden, ein zentraler Mittelfeldspieler mit ungeheurer Torgefahr. Khedira profitierte damals von der Verletzung Ballacks, der kurz vor der WM 2010 in Südafrika ausfiel. Khedira bot sich für die Rolle an, hatte zu diesem Zeitpunkt aber erst drei Länderspiele, davon keines von Beginn an. Löw aber sah das Potenzial.

Im künftigen WM-Kader gibt es Vakanzen

Und wie Khedira geraten nun auch andere, gestandene Weltmeister unter Druck. Aus dem U-21-Team, das Europameister wurde, stechen Spieler wie Torwart Julian Pollersbeck, die Abwehrspieler Jeremy Toljan und Niklas Stark sowie die offensiven Serge Gnabry und Max Meyer hervor. Ihre Vorgänger von 2009, Spieler wie Khedira, Jerome Boateng, Mesut Özil oder Manuel Neuer, wurden fünf Jahre später Weltmeister. Vielmehr sind es Spieler aus dem Confed-Cup-Team, die im kommenden Sommer eine gute Rolle spielen könnten. „Einige Spieler haben sich herausragend gezeigt“, hatte Löw vor dem Finale gegen Chile gesagt, „wir haben jetzt mehr Alternativen und Konkurrenzkampf geschaffen. Das war das Ziel.“

Im künftigen WM-Kader gibt es Vakanzen. Von den 23 Weltmeistern haben Philipp Lahm, Miroslav Klose, Per Mertesacker, Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger ihre Nationalmannschaftskarrieren beendet. Spieler wie die beiden Torwarte Roman Weidenfeller und Ron-Robert Zieler, die in Brasilien dabei waren, kommen nicht mehr in Frage. Das dürfte auch auf Kevin Großkreutz, Erik Durm und Christoph Kramer zutreffen, die schon lange nicht mehr für Länderspiele berücksichtigt wurden. Aber auch Spieler wie André Schürrle und oft erprobte Kandidaten wie Kevin Volland und Karim Bellarabi wackeln. Eine Frage wird sein, inwiefern Spieler wie Marco Reus, Ilkay Gündogan und WM-Finaltorschütze Mario Götze zurückkommen, die dauerverletzt sind oder unter anderen gesundheitlichen Problemen leiden.

Sicher vergeben sind WM-Kaderplätze neben Neuer und Boateng für Toni Kroos, Mats Hummels und Thomas Müller, der aber in Timo Werner einen echten Herausforderer hat. Strecken müssen wird sich auch Mesut Özil, um in die erste Elf zu kommen. Julian Draxler ist sein härtester Konkurrent. Der 23-Jährige blühte in Paris auf und hat als Confed-Cup-Kapitän eine neue Reife gezeigt.

Nur Neuer und Kroos sind nicht eins zu eins ersetzbar

Hinzu kommen Spieler wie Julian Weigl und Leroy Sané, die für Borussia Dortmund und Manchester City exzellente Runden spielten, in diesem Sommer aber passen mussten. Ihnen gehört die Zukunft, wie auch Joshua Kimmich und Julian Brandt. Im Grunde sind derzeit nur zwei Spieler nicht eins zu eins ersetzbar: Neuer und Kroos. Zu allen anderen gibt es Alternativen.

Für sie wird es darauf ankommen, wie sie ihre Fortschritte verstetigen können und sich mit ihren Klubs international schlagen. Timo Werner wird sich mit RB Leipzig in der Champions League beweisen dürfen, auf höchster internationaler Klubebene. Interessant dürfte beispielsweise werden, welchen Einfluss auf Niklas Süle und Sebastian Rudy ihr Wechsel zum FC Bayern haben wird. Beide zeigten in Russland, dass sie als Alternativen zu den Etablierten durchgehen können. Doch werden sie in München auch genügend Spielzeiten bekommen? Nicht im DFB-Pokal, sondern in den großen internationalen K.-o.-Spielen, die im Frühjahr anstehen.

Niklas Stark war fester Bestandteil der U 21. Für einen Platz im WM-Kader hat er nur Außenseiterchancen.
Niklas Stark war fester Bestandteil der U 21. Für einen Platz im WM-Kader hat er nur Außenseiterchancen.

© Jan Woitas/dpa

Für die Berliner Marvin Plattenhardt, Mitchell Weiser und Niklas Stark wird es zwar schwer werden, einen Platz im deutschen WM-Kader zu ergattern, aber nicht unmöglich. Sie müssen erst einmal mit ihrem Klub die für sie neue Doppelbelastung aus Liga und Europa League bewältigen. Herthas Neuzugang Davie Selke von RB Leipzig besitzt nicht mehr als Außenseiterchancen. Aber in zwölf Monaten kann viel passieren, wie Löw sagt, „leider auch Verletzungen“.

Für den kommenden März sind zwei wegweisende Testspiele geplant, für die hochkarätige Gegner gewonnen werden konnten. Erst geht es in Düsseldorf gegen Spanien, wenig später gegen Rekordweltmeister Brasilien im Berliner Olympiastadion. „Wir haben ein großes Reservoir von interessanten Spielern“, sagt Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff, aber das wollte man so. „Das ist wichtig für die Spieler, die sonst zur Mannschaft gehören, dass sie Druck von hinten verspüren.“

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