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Sport: „Sie waren die Sensation“

Karl Mildenberger gratuliert seinem Idol Max Schmeling zum 99. Geburtstag

Karl Mildenberger galt einmal als legitimer Nachfolger Max Schmelings. Der am 23. November 1937 in Kaiserslautern geborene Pfälzer war vier Jahre lang, von 1964 bis 1968, ununterbrochen BoxEuropameister im Schwergewicht, kämpfte reihenweise gegen die Besten der Welt, stand auf dem Höhepunkt seiner Karriere an erster Stelle der Weltrangliste und boxte 1966 gegen Muhammad Ali um die Weltmeisterschaft (Er verlor durch technischen K.o. in der 12. Runde). Von seinen 62 Profikämpfen gewann er 53, verlor sechs und boxte dreimal Unentschieden.

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Sehr geehrter Herr Schmeling!

Zu Ihrem heutigen 99. Geburtstag – was für ein gesegnetes Alter – sende ich Ihnen meine herzlichsten Glückwünsche. Sie mögen sich vielleicht über die Anrede etwas wundern. Aber ich habe Sie nie geduzt, obwohl unter Sportsleuten ein „Hallo Max“ vielleicht üblich gewesen wäre. Dazu aber ist meine Ehrfurcht und der Respekt vor Ihnen bis zum heutigen Tag viel zu groß. Selbst ein „Lieber Herr Schmeling“ ist mir noch zu vertraulich. Denn so oft sind wir uns ja auch nicht begegnet.

Ich erinnere mich an drei Begegnungen. Die Erste war für mich die bedeutendste, denn sie hat mich entscheidend beeinflusst, Boxer zu werden. Das war 1949. Ich war zwölf Jahre alt. Mein Vater hatte mich zu einem Boxkampf seines Cousins Richard Mildenberger gegen den Frankfurter Kurt Rappsilber nach Alzey mitgenommen. Ringrichter dieses Kampfes im Bantamgewicht waren Sie, sehr verehrter Herr Schmeling.

Mein Vater, der mir viel von Ihnen erzählt hatte, ging nach dem Kampf auf Sie zu, und Sie schüttelten mir die Hand. Sie werden sich natürlich nicht daran erinnern. Aber ich habe den Händedruck nicht vergessen, stand für mich nach diesem Erlebnis in Alzey doch fest: Ich will Boxer werden. Sie waren mein Idol, und sie sind es auch geblieben, als ich Europameister wurde und um die Weltmeisterschaft kämpfte.

Ich war schon mächtig stolz, dass Sie und Joe Louis bei meinem Kampf gegen Muhammad Ali im September 1966 im Frankfurter Waldstadion in der ersten Reihe saßen. Die Zeitungen hatten den Besuch zum Anlass genommen, Ihren grandiosen K.o.-Sieg über Joe Louis 1936 noch einmal aufleben zu lassen. Natürlich war mir bekannt, dass Sie nicht durch diesen Triumph, sondern viel früher Weltmeister geworden waren. Als ich erfuhr, dass Sie und Ihr einstiger Gegner sich aus Anlass meines Kampfes in Frankfurt wiedersehen würden, habe ich mir gesagt: Ich will eine Überraschung schaffen, wie Sie damals. Ich will wie die lebende Legende Max Schmeling Weltmeister im Schwergewicht werden, als zweiter Deutscher in der Box-Geschichte. In einem ähnelte ich Ihnen ja immerhin ein wenig – mit meinen schwarzen Haaren.

Niemand gab mir eine Chance. Höchstens drei Runden würde ich auf den Beinen bleiben, verkündeten all’ die Experten. Ich hatte gehört und gelesen, dass man auch Ihnen gegen Joe Louis nicht den Hauch einer Chance eingeräumt hatte. Und dann wurde Ihr K.o.-Sieg die größte Sensation in der Geschichte des Boxsports. Das hat mir Mut gemacht. So wie zu Ihrer Zeit Joe Louis galt in meiner Generation Cassius Clay alias Muhammad Ali als der für unschlagbar gehaltene Superboxer.

Sie hatten mir „good luck“ gewünscht, und ich bin wie Sie gegen Louis bis in die zwölfte Runde gekommen, aber eben nicht als Sieger, sondern als Verlierer (Anmerkung: Der Ringrichter brach den Kampf in der 12. Runde ab). Es war dennoch mein größter Kampf.

Am meisten habe ich mich über das Urteil der beiden Legenden gefreut, das die Zeitungen abdruckten. Sie und Joe Louis waren sich einig: „Mildenberger hat eine gute Leistung gezeigt. Er hat sehr beherzt gekämpft. Mildenberger war ein würdiger Herausforderer und hätte einen Rückkampf verdient.“

Die dritte Begegnung, an die ich mich noch genau erinnere, war einmal bei „Stars in der Manege“ in München. Wir haben über das übliche Shakehands und „good luck“ hinaus etwas länger geplaudert, und Sie gaben mir den Rat, nach Amerika zu gehen, um dort, wie Sie einst, meine Chance zu suchen. Doch die Zeiten hatten sich geändert. Muhammad Ali kam nach Deutschland.

Ich wünsche Ihnen, sehr geehrter Herr Schmeling, von ganzem Herzen, dass Sie bei Gesundheit hundert Jahre und älter werden. Ich bewundere Sie nicht nur als Sportler, sondern mehr noch als Mensch.

Aufgezeichnet von Hartmut Scherzer

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