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Wer hier hüpft, ist Preusse. Vergangene Saison spielten die Berliner (in rot) am Glockenturm noch ein Derby gegen FASS.

© A. Bohn

Serie: Berliner Klubs der zweiten Reihe: ECC Preussen: Auf Schutt gebaut

Die Preussen waren ein großer Verein in Berlin – heute muss sich der Westberliner Eishockey-Klub in der Drittklassigkeit einrichten.

In Berlin und Umgebung gibt es in jeder Teamsportart mindestens einen großen Klub. Dabei gibt es in ihrem Schatten zahlreiche Vereine, von denen auch die Branchenführer profitieren. Wir stellen in unserer Serie die Klubs hinter den großen Klubs vor. Nach den Volleyballern vom VC Olympia, den Basketballerinnen des TuS Lichterfelde, den Fußballerinnen von Blau-Weiss Hohen Neuendorf, den Wasserballern der SG Neukölln, folgt nun der Eishockey-Oberligist ECC Preussen.

Am Messegelände, von der Avus abgeschirmt durch die alte Zuschauertribüne an der Autobahn, steht ein Funktionsgebäude mit dem euphemistischen Namen „City Cube“. Im Veranstaltungsklotz fand zuletzt ein Kongress der Internationalen Gesellschaft für Thrombose und Hämostase (IST) statt. Genau an der Stelle, an der bis 2011 die Deutschlandhalle ihren Platz hatte. Heute ist es nicht mehr vorstellbar, dass in diesem tristen Stück Charlottenburg einst das Herz des Westberliner Eishockeys schlug, dass hier und ein paar Meter dahinter in der Eissporthalle stadtbekannte Profis des Schlittschuh-Clubs, der Preussen und Berlin Capitals in der ersten Liga über das Eis flitzten.

Heute schlägt das Herz des Westberliner Eishockeys weiter westlich, am Glockenturm, unweit des Olympiastadions und in Beschaulichkeit. Die Spieler des Eishockey Club Charlottenburg Preussen, kurz ECC Preussen, bespielen hier als Nachfolger der untergegangenen Capitals das Eis der Eissporthalle „P09“ – ein kleiner Zweckbau mit den zwei Eisflächen, im Stadion finden 1000 Zuschauer Platz. Die Halle sei „lieb und schön“ gemeint vom Senat, sagt Preussens Mannschaftsleiter Klaus-Werner Riemer, aber sie sei viel zu klein. „Wir haben nur sechs Kabinen, aber zwei Eisflächen, das reicht nicht.“ Das Oberliga-Team muss die Kabine am Wochenende räumen, wenn die Jugend spielt. Immerhin 230 Nachwuchsspieler sind im Klub, der in allen Alterskassen Mannschaften an den Start schickt. Und bis vor einigen Jahren auch überall gut mithielt. Was nicht einfach war, denn die Gegner waren meist der Nachwuchs von Teams aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) oder der zweiten Liga. „Unsere Junioren gehen eben nicht auf ein Sportinternat, die bekommen auch nicht frei für ein Vormittagstraining“, sagt Riemer. Trotzdem spielten sie vergangene Saison noch in der zweiten Deutschen Nachwuchsliga (DNL2).

Das Herz des Westberliner Eishockeys schlägt heute am Glockenturm

Riemer, den im Klub alle nur „KW“ nennen, kennt so gut wie alle Spieler und alles bei den Preussen. Seit 1972 verfolgt er das Eishockey im Westen Berlins, seit über 30 Jahren ist er hinter den Kulissen bei den Preussen unterwegs. „Ich habe hier schon alles gemacht“, sagt Riemer. „Gepäck zum Flughafen gebracht, als die Profis unterwegs waren, in der DEL-Zeit die Presse und früher den VIP-Raum betreut.“

Presse und VIP-Raum spielen bei den Preussen im Jahr 2017 keine Rolle mehr. Ihre Heimspiele haben eine ganz eigene Atmosphäre. Der Geist der alten erfolgreichen Ära wabert hörbar durch die Halle, da wird schon mal Musik aus den Neunzigerjahren gespielt und die drei, vier Bierchen zum Spiel sind hier so obligatorisch bei den Fans wie einst in der Jafféstraße. Nur so vernebelt wie früher ist es auf der Tribüne nicht, rauchen ist im neuen Jahrtausend nicht mehr angesagt. Viele Fans tragen auch heute noch die alten Trikots aus der Ära Georg Holzmann, bis vor 20 Jahren Kapitän der Preussen, das hat auch Riemer beobachtet. „Viele Fans sind eben immer mit uns mitgegangen.“ Wie Riemer, der drei Mal erleben musste, wie von ihm geliebte Hallen zu Bauschutt wurden. Er war schon 1972 im Sportpalast an der Pallasstraße und sah beim Schlittschuh-Club zu, damals noch als Fan.

Nach dem Abriss des Sportpalastes wurde Riemer dann bei den Preussen aktiv, die spielten als Nachfolger des Schlittschuh-Clubs in der Eissporthalle an der Jafféstraße eine Rolle. Nach deren Abriss ging es mit dem Klub, der inzwischen Capitals hieß, in die Deutschlandhalle – bis die dann 2011 abgerissen wurde. Die Preussen, die seit 2001 in der 1935 errichteten riesigen Arena spielten, waren schon vorher im Bewusstsein der Öffentlichkeit geschrumpft. Der Nachfolgeklub trägt seit 2004 nur noch den Namen alter, besserer Zeiten mit sich herum – in denen der BSC Preussen der prägnanteste war.

In der Hochzeit des BSC Preussen in der Bundesliga und den Anfangsjahren der DEL saßen auf der Tribüne an der Jafféstraße schon mal Bundespräsident Richard von Weizsäcker oder Eberhard Diepgen, war die kleine Halle mit den gut 6000 Plätzen rappelvoll, waren auch nach der Zeit des einst bekannten Präsidenten Hermann Windler die Derbys gegen die Eisbären Höhepunkte – bis die Preussen dann als Capitals im Jahr 2002 pleite waren. Von diesem Absturz haben sie sich nie ganz erholt, die Preussen spielen mit ihrer ersten Mannschaft seitdem in der Drittklassigkeit.

Die Preussen haben nicht das Geld oder einen Mäzen wie die Eisbären

Lorenz Funk hatte nach dem Abgang aus der DEL als Sportlicher Leiter einen der letzten Wiederbelebungsversuche in der Deutschlandhalle unternommen, nach seiner Zeit als Funktionär bei den Eisbären. Heute sagt Berlins einstiges Eishockeyidol: „Natürlich liegen mir die Preussen noch am Herzen. So lange wie ich da gespielt und dann gewirkt habe. Erst neulich haben mich Spieler aus einer ehemaligen Juniorenmannschaft nach Berlin zu ihrem Jubiläum eingeladen.“ Aber bei aller Wehmut, sagt Funk: „Ich glaube nicht, dass die so schnell oder überhaupt einmal wieder nach oben kommen können.“

Wie auch – die Preussen haben nicht das Geld oder einen Mäzen wie die Eisbären. Sportlich war selbst die Oberliga Nord für den Klub zuletzt eher eine Nummer zu groß, am Ende der vergangenen Saison beendeten die Berliner die Hauptrunde auf Rang zwölf (16 Teams waren am Start) und qualifizierten sich nicht für die Aufstiegsrunde. Dort spielten dann die Klubs mit gutbezahlten Profis im Kader den Titel aus: Die Zuschauerkulissen in Tilburg, Duisburg, Hamburg oder Hannover sind immer im vierstelligen Bereich – bei den Preussen kamen vergangene Saison 319 Besucher im Schnitt, nur bei FASS Berlin kamen weniger, doch der Lokalkonkurrent hat sich ja nun nach Ende der Kooperation mit den Eisbären in die viertklassige Regionalliga zurückgezogen, womit die Preussen nun unumstrittene Nummer zwei im Berliner Eishockey sind. Aber was heißt das schon. Klaus-Werner Riemer sagt, er höre oft: „Was, euch gibt’s noch?“ Das stimme ihn traurig. „Dabei versuchen wir doch viel, machen reichlich Werbung für unsere Spiele.“

Die Preussen hatten Ende der Achtzigerjahre, als die Hertha in der Drittklassigkeit versunken war, mehr Zuschauer als jeder andere Verein in Berlin. „Das war eine tolle Zeit“, sagt Riemer. „Mit Spielern wie Georg Holzmann oder Klaus Merk habe ich heute noch Kontakt.“

Die Gegenwart ist weniger glamourös, in der kommenden Saison wollen die Preussen unter den nun 14 Klubs der Liga eine bessere Rolle spielen als zuletzt. Trainer David Haas hat dafür durchaus eine stärkere Mannschaft zusammen als noch in der vergangenen Spielzeit. KW Riemer wird weiter als Mannschaftsleiter dabei sein, auch mit 70 Jahren. Aber: „Ich suche einen Nachfolger.“

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