zum Hauptinhalt
Dänischer Goldfisch: Pernille Blume freut sich über ihre Goldmedaille für Dänemark bei den Olympischen Spielen in Rio.

© picture alliance / dpa

Schwimmen: Dänen schwimmen an die Weltspitze

Mit Plan zu Olympischem Gold: Was der Schwimmsport in Deutschland von der Elitesportförderung in Dänemark lernen kann.

Das Ziel ist klar: In meterhohen Lettern prangt „#AllforRio“ an der Glaswand der Bellahøj Schwimmhalle in Kopenhagen. Freizeit- wie Eliteschwimmer wurden schon Monate vor den Olympischen Spielen beim Betreten der modernen Halle daran erinnert, dass hier für nichts Geringeres als Olympia trainiert wird.

Eine dieser Schwimmer ist Pernille Blume. Die Motivation hinter diesen Worten lockte die 23-Jährige nach einer persönlichen Krise im Frühjahr 2016 nicht nur zurück nach Bellahøj – Blume folgte dem Slogan und holte in Rio Gold für Dänemark über 50 Meter Freistil. Was nach filmreifer Erfolgsgeschichte klingt, ist in Wirklichkeit das Ergebnis von 15 Jahren durchgeplanter Arbeit, zahlreichen Berichten und wissenschaftlicher Analysen, Budgetverhandlungen und unzähligen Stunden im Becken und am Flipchart.

Inspiration aus dem Ausland

2002 legte der Dänische Schwimmverband den Plan „Von Finals zu Medaillen“ vor, 2008 gewann Lotte Friis die erste olympische Bronzemedaille nach über zehn Jahren Flaute im dänischen Schwimmsport. Dänemark war vor fünfzehn Jahren also dort, wo der deutsche Schwimmsport heute ist. „Es kann eigentlich nicht sein, dass Deutschland so schlecht ist“, wundert sich selbst die Direktorin des Dänischen Schwimmverbands Pia Holmen. Was also macht Dänemark so viel erfolgreicher als den großen Nachbarn Deutschland - und was kann die Deutsche Schwimmverband (DSV) davon lernen?

Diese Frage kann am besten Stefan Hansen beantworten. Schließlich holte der DSV den Dänen im März 2017 an den Bundesstützpunkt in Berlin, um von seiner jahrelangen Erfahrung als Chefcoach in Bellahøj profitieren zu können – ein Personalwechsel, über den Pia Holmen bis heute traurig ist. Dabei verfolgte sie die gleiche Strategie. „Wir haben uns Wissen von außen geholt“, sagt Hansen. Er arbeitete selbst mit dem australischen Trainer Jack Juba zusammen, der nach der Kurzbahn-EM in Kopenhagen vom Niederländer Martin Truijens abgelöst wird. Jetzt kann er seine Erfahrungen in Berlin einbringen. „Die Infrastruktur hier ist besser als in Kopenhagen“, lobt er seine neuen Arbeitsbedingungen. So hat das Bad in der Schwimm- und Sprunghalle im Europapark zwei Becken statt nur einem wie in Kopenhagen. Durch die Nähe zum Olympiastützpunkt sind Physiotherapie und Krafttraining in unmittelbarer Nähe angesiedelt.

Wo die Deutschen aber noch lernen können, das ist die Finanzierung und die Ausstattung. „Wenn ich Trainingslager machen will, dann müssen die Athleten das bezahlen“, kritisiert Hansen. Hatte er in Kopenhagen einen auf Schwimmen spezialisierten Physiotherapeuten, den er auch ans Becken holen konnte, müssen sich in Berlin Athleten aus verschiedenen Sportarten einen Therapeuten teilen.

Die Finanzierung für Neuerungen und die hohen Gehälter für international anerkannte Trainer kommen in Dänemark vom „Team Danmark“. Finanziert durch Lotto-Einnahmen und Verbandsbeiträge, schüttet die Organisation jährlich 96,8 Millionen Kronen (etwa 15 Millionen Euro) an neun ausgewählte Sportsverbände aus, die in den Vorjahren konstant auf Weltklasseniveau waren. Weitere 38 Millionen fließen in indirekte Förderung wie Sportlerstipendien und Trainerausbildung. Der Großteil der Mittel ist damit für Strukturen und Ausstattung bestimmt, nur selten werden einzelne Athleten gefördert. Beim Schwimmen wird das meiste Geld für Gehälter von Trainern und Sportchefs sowie den Physiotherapeuten verwendet sowie für Reisen und Trainingslager. Bei Bedarf bekommen die Athleten ein Zusatz-Bafög oder ein monatliches Stipendium, das der Lebenssituation angepasst ist. „Unser Ziel ist es, neben der sportlichen Karriere die Ausbildung zu fördern“, sagt Team Danmark-Direktorin Lone Hansen.

Professionalität auch auf lokalem Niveau

Eine typische Schwimmerkarriere beginnt also bei einem lokalen Verein, bei dem die Nachwuchstalente bis zu ihrer Volljährigkeit trainieren. An Schulen mit Sportfokus stellt man sich auf die Nachwuchssportler ein, etwa durch Mentoren, die zwischen Eltern, Schule und Verein vermitteln und für ideale Rahmenbedingungen für den trainierenden Schüler sorgen, „Die Jugendlichen brauchen ihre Familie und ihre vertraute Umgebung, um sich zu entwickeln“, sagt Lone Hansen. Mit 18 Jahren wechseln sie zum nationalen Leistungszentrum und haben dort neben Studium oder Ausbildung eine professionelle Trainingsumgebung. Auch das ist ein Vorteil: Im Gegensatz zur stark regionalisierten Struktur der Olympiastützpunkte gibt es in Dänemark für das Schwimmen nur ein nationales Leistungszentrum. Außerdem sind Elite- und Breitensport in einem Verband vereint. „Wir bringen den Kindern das Schwimmen bei, dadurch können wir sichergehen, dass sie es auf unsere Weise lernen“, sagt Pia Holmen.

Auch die Breitensportstrukturen sind stabiler als in Deutschland. In Dänemark ist Schwimmen wesentlich populärer, viele Eltern schicken ihre Kindern auch über die Wassergewöhnung hinaus zum Schwimmen. Alleine der „Hauptstadt Schwimmklub“ in Kopenhagen hat an die 8 000 Mitglieder und die meisten größeren Vereine können sich durch die Mitgliederbeiträge mindestens einen, wenn nicht sogar mehrere Vollzeittrainer leisten. So steht vom ersten Sprung ins Becken bis zum finalen Training unter den olympischen Ringen in Bellahøj ein professioneller Trainer am Beckenrand, oft sogar mehrere – ganz nach der Linie der Schwimmverbands-Direktorin Pia Holmen: „Wenn man Erfolg haben will, darf man nichts dem Zufall überlassen.“

Zur Startseite