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Mitsingen oder nicht? Einige deutsche Nationalspieler bleiben bei der Hymne stumm.

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Update

Schweigende Nationalspieler: Politiker fordern Mitsing-Pflicht bei Nationalhymne

"Wer keine Lust auf die Nationalhymne hat, kann bei seinem Verein bleiben". Mit Zitaten wie diesen ist eine alte Debatte neu eröffnet. Und schon wird gekontert: "Wer gerne mehr deutsches Liedgut hören will, soll abends den Musikantenstadl einschalten", befindet Volker Beck (Grüne).

Politiker von CDU und CSU haben nach dem EM-Ausscheiden gegen Italien (1:2) eine Pflicht zum Singen der Nationalhymne für Fußball-Nationalspieler gefordert. „Es sollte zum guten Ton gehören, dass die Spieler die Hymne mitsingen. Sie spielen schließlich für die deutsche Nationalmannschaft und nicht für sich selbst! Peinlich genug, dass wir darüber diskutieren müssen, eigentlich müssten die Spieler von selbst darauf kommen!“, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) der „Bild“-Zeitung. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) stieß ins gleiche Horn: „Zum Länderspiel und zur Nationalmannschaft gehört die Nationalhymne. Wer dazu keine Lust hat, sollte in seinem Verein bleiben.“

Der Grünen-Politiker Volker Beck konterte am Montag: „Wenn Bouffier und Herrmann gerne mehr deutsches Liedgut hören wollen, sollen sie abends den Musikantenstadl einschalten.“ Vergebens mühte sich der Bundesinnenminister, die seltsame Diskussion zu bremsen. „Man muss jetzt nach so einem verlorenen Halbfinale nicht alle möglichen Gründe suchen, warum wohl was nicht geklappt hat“, sagte Hans-Peter Friedrich (CSU) am Montag im Bayerischen Rundfunk.

Die Debatte aber hat längst Fahrt aufgenommen. Im ZDF-Talk von Markus Lanz behauptete der frühere TV-Reporter Rolf Töpperwien, die DFB-Elf sei auch deswegen an Italien gescheitert, weil die Profis der Squadra Azzurra eben viel hingebungsvoller ihre martialische Hymne („Wir sind bereit zum Tod“) geschmettert hätten.

Spielmacher Özil hat dafür kein Verständnis. „Bei allem Respekt: Aber wir haben alles gegeben. In allen Spielen“, sagte der Mittelfeldstar von Real Madrid der „Welt am Sonntag“. Bester Beweis: Hymnen-Schweiger Sami Khedira war der stärkste deutsche EM-Spieler und wurde wie Özil ins EM-Allstar-Team der UEFA berufen.

Als prominenter Unterstützer von Herrmann und Bouffier dient Franz Beckenbauer, der der „Bild“ aus seiner Erfahrung als DFB-Teamchef berichtete und 1984 eine Sangespflicht einführte. Sechs Jahre später habe sich dies ausgezahlt. „So wurden wir 1990 Weltmeister“, sagte der „Kaiser“. Das allerdings ist eine zumindest wacklige These. Kapitän Beckenbauer, Torjäger Gerd Müller und der Rest der Elf von 1974 hatten seinerzeit vor dem WM-Endspieltriumph gegen die Niederlande ebenso wenig die Lippen bewegt wie nun Özil, Sami Khedira oder Lukas Podolski vor dem verlorenen EM-Halbfinale gegen Italien.

Die Chronik des Scheiterns: Warum klappt es für Deutschland einfach nicht mit einem Titel?

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte zu der jetzigen Debatte, er singe die dritte Strophe des Deutschlandliedes zwar mit, es gebe aber keine „Mitsingpflicht“. Wichtiger sei ihm die Frage, wie die deutsche Mannschaft wieder einen Titel hole.

Titel zu gewinnen, das klappt aber nachweislich auch ohne zu singen. Spaniens Akteure gewannen nach EM 2008 und WM 2010 am Sonntag den dritten Titel in Serie. Aber: Sie schwiegen bei den musikalischen Darbietungen vor dem 4:0. Das allerdings ist kein Wunder: Die spanische Nationalhymne ist ein Marsch, zu dem es keinen Text gibt.

Nach dem EM-Aus: Löw und die Verantwortung:

Im deutschen Team singen einige Akteure wie Mesut Özil oder Lukas Podolski bei der Hymne nicht mit, andere wie Bastian Schweinsteiger oder Philipp Lahm hingegen schon. Bundestrainer Joachim Löw singt auch, gibt aber keine Linie vor. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Ex-Turnweltmeister Eberhard Gienger sieht die Sache differenziert. „Ob ein Nationalspieler die Hymne mitsingt oder nicht, muss er selbst entscheiden“, sagte er.

Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der Zeitung: „Ich singe die Nationalhymne mit - andere nicht. Das Schöne an unserem Land ist: Das darf jede und jeder für sich selbst entscheiden. Es gibt ja schließlich keine Mitsingpflicht! (dapd, dpa)

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