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Mitglieder der Delegation aus Nordkorea bei der Eröffnungsfeier in Pyeongchang.

© Foto: Angelika Warmuth/dpa

Pyeongchang oder Pjöngjang: Aus Versehen in Nordkorea

Warum Olympiatouristen Pyeongchang besser nicht mit Pjöngjang verwechseln sollten.

Es war beim Landeanflug, als David Ole Sapit zum ersten Mal etwas komisch vorkam. Der Kenianer sollte in Pyeongchang, Südkorea, an einer Konferenz der Vereinten Nationen zum Thema Biodiversität teilnehmen, doch beim Blick aus dem Fenster vermisste er das moderne Antlitz der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Anstelle eines riesigen Flughafens sah er ein baufälliges Gebäude mit metallischem Dach, in der Nähe huben einige Menschen einen Graben aus, andere trugen schwere Lasten auf ihrem Rücken. „Beim Aussteigen hatte ich das komische Gefühl, dass wir nicht in Seoul sind“, berichtete David Ole Sapit dem US-Sender necn.com. Er begann, die anderen Passagiere zu fragen, ob das hier Südkorea sei. Nein, erhielt er zur Antwort, wir sind in Nordkorea.

Es kommt tatsächlich immer wieder vor, dass der kleine südkoreanische Wintersportort Pyeongchang mit der ähnlich klingenden nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang verwechselt wird. Das dürfte sich jetzt allmählich bessern. Die Olympischen Winterspiele und die anschließenden Paralympischen Spiele dürften die Bekanntheit des südkoreanischen Landkreises Pyeongchang und des dazugehörigen Dorfes mit knapp 10.000 Einwohnern deutlich steigern.

Jedoch werden die beiden Orte immer noch verwechselt. Zum Beispiel von einem Tagesspiegel-Leser, der sich gewundert hat, warum die Zeitung in ihrer Berichterstattung über die Winterspiele „Pjöngjang“ nicht korrekt schreiben könne. Auch ein Korrektor „verbesserte“ neulich in einem Tagesspiegel-Kommentar Pyeongchang in Pjöngjang.

Noch anfälliger für Verwechslungen ist die englischsprachige Welt. Dort wird die nordkoreanische Hauptstadt „Pyongyang“ geschrieben, weshalb sich von ihr der Austragungsort der Olympischen Winterspiele nur durch ein zusätzliches „e“ und einem „ch“ statt eines „y“ unterscheidet. Die Verwechslungen bleiben zumeist folgenlos, es ist nämlich alles andere als einfach in die nordkoreanische Hauptstadt zu gelangen. Air China hat unlängst seine Verbindung nach Nordkorea eingestellt.

Zurzeit fliegt nur noch Nordkoreas staatliche Fluggesellschaft Air Koryo nach Pjöngjang, und das nur aus den chinesischen Städten Peking und Shenyang sowie aus Wladiwostok, Russland. Nordkorea ist derart abgeschieden vom Rest der Welt, dass ein Internetbericht äußerst unglaubwürdig erscheint, wonach sich einmal ein Privatflugzeug auf dem Weg nach Pyeongchang nach Pjöngjang verirrt haben soll. Zumal das nordkoreanische Militär einen solchen ungeplanten Flug kaum ungehindert zulassen dürfte. Der Kenianer David Ole Sapit aber landete im Oktober 2014 tatsächlich aus Versehen in Nordkorea.

Teures Versehen

Sein kenianisches Reisebüro hatte den entscheidenden Fehler gemacht und ihn fälschlicherweise nach Pjöngjang gebucht. Beim Umsteigen in Peking war dem Kenianer, der international die Interessen des Massai-Volksstammes vertritt, noch nicht aufgefallen, dass er nach Nordkorea fliegt. Erst als ihm beim Aussteigen die Mitpassagiere informierten, wurde ihm klar, was passiert ist. Sofort wandte er sich an nordkoreanische Beamte und versuchte, die Verwechslung zu erklären. „Sie haben mir gesagt, dass ich mich illegal in Nordkorea aufhalte und kein Visum für das Land besitze“, berichtet David Ole Sapit.

Er erschrak heftig. Nach einigen Stunden Warten und Diskussion erklärte ihm eine Beamtin, die etwas besser Englisch sprach als die anderen, dass er das Land verlassen dürfe, wenn er einen Rückflug bezahle und ein Dokument unterzeichne, wonach er nie mehr illegal einreisen werde. Zudem musste er eine Strafe von 500 Dollar bezahlen.

Der Olympiaaustragungsort Pyeongchang zog 2016 daraus ganz eigene Konsequenzen. „Wir schreiben seitdem die zweite Silbe mit einem großen C, damit wir nicht mehr so einfach verwechselt werden können“, sagt Ko Seok-Ku, Vizepräsident im Nationalen Olympischen Komitee Südkoreas. Der Olympiaaustragungsort heißt seitdem in offiziellen Dokumenten: PyeongChang.

David Ole Sapit aber erinnert sich mit Schrecken an seinen Kurztrip vor vier Jahren. Immer, wenn er von einer Festnahme eines Ausländers in Nordkorea oder vom Schicksal des gefangen genommenen, verurteilten und schließlich verstorbenen US-Touristen Otto Warmbier hörte, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. „Mir hätte alles passieren können“, sagt der Vater von drei Kindern. Er hoffte, dass seine Geschichte andere vor einer ähnlichen Reise bewahren könne. Und gibt allen, die nach Pyeongchang reisen, noch einen Ratschlag. „Studiere das Flugticket so intensiv als wäre es ein Versicherungsschein“, sagt David Ole Sapit, „prüfe, prüfe, prüfe.“

Alles zu den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang (!!!) lesen Sie in unserem Blog.

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