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Kein Zufallsprodukt. Hans-Peter Durst ordnet dem Erfolg alles unter und investiert viel in seinen Sport – allein sein Rad kostet 18.000 Euro. Foto:

© p-a/dpa/Büttner

Paralympics - Hans Peter Durst: Sattelfest auf drei Rädern

Hans-Peter Durst hat in Rio zwei paralympische Goldmedaillen gewonnen, in Tokio 2020 will er diesen Triumph wiederholen – im Alter von 62 Jahren.

Der Mann sieht kernig aus, wenn er so auf seinem Rad unterwegs ist. Durchtrainiert, die breiten Oberschenkel gut gebräunt und der Konkurrenz in seiner Klasse so spielerisch wirkend überlegen, dass er die anderen Fahrer auch auf einem Dreirad für Kinder hätte schlagen können. In Rio de Janeiro bei den Paralympics drängte sich dieses Bild an der Strecke zumindest auf. Vorne auf der Anzeigetafel Durst, dahinter die anderen. Als Hans-Peter Durst, dessen Gleichgewichtssinn seit einem Autounfall vor 22 Jahren gestört ist, am 15. September 2016 beim Zeitfahren ins Ziel raste, schwenkte Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), seine riesengroße Deutschlandfahne mit großer Selbstverständlichkeit – das Gold war eingeplant. Dass Durst es mit einem angebrochenem Sattel einfuhr, erfuhr auch Beucher erst später.

Die Geschichte mit dem Sattel, der nach 500 Metern brach und den er dann auf der Fahrt mit dem Gesäß irgendwie einklemmen musste, hat Hans-Peter Durst seit dem Gold auf dem Radfahrkurs von Rio häufig erzählt. Von 15 Kilometern hatte er nur 0,5 Kilometer ordentlich auf seinem speziell für ihn angefertigtem Rad mit den drei Rädern sitzen können. Am Ende aber ist das natürlich auch so eine Geschichte, die ihn noch bekannter gemacht hat und ihn noch mehr zu einem Gesicht der deutschen Paralympioniken werden ließ. Wäre ja auch unschön, wenn das bei seinen Erfolgen und seiner Erfahrung nicht so wäre: Hans-Peter Durst ist 58 Jahre alt. Das Karriereende hat er aber noch nicht in Sicht. Dieser Tage hat er verkündet, dass er auch in Tokio 2020 bei den Paralympics starten will. Mit 62 Jahren. Wie geht so etwas?

Es geht, sagt Hans-Peter Durst. Er lacht und spricht von einem „stacheligen Alter“. Er habe sich die Entscheidung natürlich nicht leicht gemacht, sich von seinen Ärzten checken lassen, „mit Neurologen gesprochen“ und natürlich die zwei wichtigsten Aspekte betrachtet, sagt er: „Hast du noch Lust? Bist du noch konkurrenzfähig?“ Beide Fragen habe er sich positiv beantworten können, allerdings werde er die Jahre bis Japan nun kontinuierlich schauen, wo er stehe.

Sein Sport kostet, allein in sein Rad für Rio wurden 18.000 Euro investiert

Als zweimaliger Olympiasieger – in Rio gewann er auch das Straßenrennen – werde er die Szene genau beobachten. Eine Blamage komme für ihn nicht infrage. Auch mit 62 Jahren nicht. Dann lasse er das notfalls lieber.

Auf dem Rad wirkt der Mann, der als Fußgänger auf einen Gehstock angewiesen ist, sowieso nicht so, als ob ihn das äußere Alter irgendwie interessiere. Innerlich ist er wohl noch weit hinter seinen 58 Jahren. Tatsächlich brachte er mit seiner dynamischen Fahrt Schwung an die Strecke beim paralympischen Zeitfahren. Am Rand gab es nur wenige Zuschauer, die Pressetribüne war verwaist und mit grauen Planen abgedeckt, doch der Mann mit der dreirädrigen Rennmaschine („wiegt nur 11,8 Kilo, das ist die Grenze dessen, was wir fahren dürfen“) wirkte vor dieser Kulisse doch sehr schnittig. Nicht nur wegen seines Fahrrads, das „optisch das schönste, schnellste und leichteste“ seiner Art ist. Auch von der Technik her fährt die Konkurrenz eben hinterher.

Durst, bis zum Unfall 1994 Alleingesellschafter einer Brauerei, macht keinen Hehl daraus, dass er es im Wettbewerb auch nicht mit allzu vielen anderen Fahrern zu tun hat. Sein Teil der Radsportszene sei „überschaubar“. Rund 40 Fahrer gebe es und die würden sich alle gut kennen, in Dursts kleiner weiten Welt des Radsportes. Allerdings sei es so einfach doch nicht mit den Siegen, sagt der aktuelle Weltmeister. Der Dortmunder investiert viel in seinen Sport, der Trainingsaufwand ist der eines Profis, die Familie unterstützt ihn seit Jahren. Seine Frau fährt ihn von Rennen zu Rennen, denn Auto fahren kann er aufgrund seiner Gleichgewichtsstörung nicht.

Sein Sport kostet, allein in sein Rad für Rio wurden 18.000 Euro investiert – anscheinend war der geringste Teil davon für die Aufhängung des Sattels. Für paralympisches Gold hat Hans-Peter Durst dann allerdings 20 000 Euro erhalten (ein Mal nur, trotz zweier Medaillen, so sind die Regeln). Und die nächste Prämie soll es dann in dreieinhalb Jahren geben – nach den Rennen von Tokio. Hans-Peter Durst sagt: „Allein schon wegen des teuren Rades habe ich mir gesagt: Jetzt kannst du doch noch nicht aufhören.“

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