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Immer hart am Mann. Ottmar Walter (li.) im Zweikampf mit dem Nürnberger Schorsch Kennemann im Endspiel um die deutsche Fußball-Meisterschaft im August 1948.

© dpa

Ottmar Walter: Der Mann mit den Wundern

Er wurde 1954 Weltmeister und doch gab es für ihn wichtigere Ereignisse in seinem Leben. Der Pfälzer Ottmar Walter war froh, dass er den Krieg überhaupt überlebt hatte.

Das größte Wunder im Leben des Pfälzers Ottmar Walter war schon vor dem „Wunder von Bern“ geschehen. Dass er beim überraschenden Titelgewinn bei der Fußballweltmeisterschaft 1954 überhaupt auf dem Platz stand, an so etwas hatte er mit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht zu denken gewagt. Er hatte den Krieg zwar als Soldat überlebt, aber sein rechtes Bein drohte steif zu werden. Mit täglich fünfstündigem Beugetraining besiegte Walter das Schicksal, Invalide zu werden. „Als ich aus dem Krieg nach Hause kam, hatte ich nicht mehr geglaubt, noch dreizehn Jahre Hochleistungen bringen zu können“, hat er einmal gesagt.

Mit dem Krieg – und mit dem großen Bruder Fritz – hängt auch sein Debüt im ersten Nachkriegsländerspiel Deutschland gegen die Schweiz am 22. November 1950 zusammen. In seinen Erzählungen schwangen stets mehr Emotionen, wenn er über sein erstes Länderspiel erzählte als über das Berner Endspiel. Fritz Walter war verletzt. Ohne den älteren Bruder sei er nur die Hälfte wert, hieß es damals. Viele forderten den Fürther Mittelstürmer Horst Schade. Doch Bundestrainer Sepp Herberger stand zu Ottmar Walter: „Ottes, Sie sind mein Mann. Ich weiß, was Sie können. Auch ohne den Fritz“, habe der Bundestrainer zu ihm gesagt. Der Elfmeter, den Herbert Burdenski zum 1:0-Sieg verwandelte, war sein Verdienst. Seinen wuchtigen Kopfball konnte der Schweizer Verteidiger Neury nur noch mit der Hand auf der Linie abwehren. Herberger habe sich bedankt. Ottmar Walter hat daher immer wieder betont: „Mein erstes Länderspiel war für mich vielleicht der größte Erfolg in meinem Leben.“

Der größte Erfolg hätte auch das dritte Tor im WM-Endspiel 1954 gegen Ungarn sein können. Wie das Leben so spielt und wo der Fußball so hinrollt. Als der Ball nach Schäfers Flanke Helmut Rahn vor die Füße fiel, stand Ottmar Walter „mutterseelenallein an der Strafraumgrenze“, wie er sich in seinen Erzählungen „noch genau“ erinnerte. „Der Boss fing an zu fummeln. Ich hab’ mich kaputtgeschrien.“ Rahn hätte nur abzuspielen brauchen. „Ich wäre drei, vier Meter aufs Tor zugerannt und hätte dann abgezogen.“ Aber es kam eben ganz anders: „Rahn täuschte an, als ob er den Ball zu mir schieben will, legte ihn mit seinem rechten Fuß auf den linken, den schwächeren, und zieht von der Strafraumgrenze vollstock ab.“ 3:2.

Ein weiterer großer Tag im Leben des Ottmar Walter war die Feier zu seinem 80. Geburtstag am 6. März 2004, vier Monate vor dem 50. Jubiläumsjahr des Endspiels von Bern am 4. Juli. Zu seinem Geburtstag gab der 1. FC Kaiserslautern einen großen Empfang im Stadion auf dem Betzenberg, das den Namen Fritz Walters trägt. Auf das Denkmal des Bruders sei er „sehr stolz“, sagte Ottmar Walter, fühle er sich doch dort ebenso verewigt. „Auch ich heiße schließlich Walter.“

Der wegen seiner Bodenständigkeit und Natürlichkeit geschätzte alte Herr mit den silbernen Haaren und den wachen Augen fand aus Anlass des 80. Geburtstags auch seinen eigenen Erinnerungsplatz auf dem Betzenberg. Der Haupteingang des Fritz-Walter-Stadions heißt seit 2004 Ottmar-Walter-Tor. Ministerpräsident Kurt Beck verlieh ihm im Namen des Bundespräsidenten Johannes Rau das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Ottmar Walter ist seinem Heimatklub, für den er in 275 Spielen 295 Tore schoss, immer treu geblieben und hat die Spiele immer verfolgt. „Ein Sieg des FCK wäre gewiss ein schönes Geburtstagsgeschenk gewesen“, sagte seine Frau Anneliese Walter noch am 87. Geburtstag ihres Mannes. Das war am 6. März 2011, am Tag nach dem Südwest-Derby Eintracht Frankfurt gegen den 1. FC Kaiserslautern (0:0). Ottmar Walter war da vor Hans Schäfer (heute 85) und Horst Eckel (heute 81) der älteste der drei noch lebenden Fußballweltmeister von 1954. Sein großer Bruder Fritz war 2002 während der Fußball-WM im Alter von 81 Jahren gestorben.

„Wir sind zufrieden“, hatte Anneliese Walter vor zwei Jahren berichtet. Seit 2009 hatte sie täglich ihren Mann in einem Pflegeheim betreut. Seit einem Sturz vor vier Jahren saß Ottmar Walter im Rollstuhl mit drei Knie- und Hüftprothesen. Bei einem Seegefecht im Zweiten Weltkrieg hatte er als 20-Jähriger als einer von elf Marinesoldaten der 136-Mann-Besatzung überlebt und war schwer verwundet worden. Im Laufe seiner Karriere und seines Lebens musste sich der Nationalspieler immer wieder Knieoperationen unterziehen, zum siebten Mal nach seinem 80. Geburtstag. Keine Folgeschäden des Fußballs, sondern des Krieges.

Am Sonntag ist Ottmar Walter im Alter von 89 Jahren gestorben.

Hartmut Scherzer

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