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Neues Mädchenteam: Hertha heiratet

Die Hertha hat als einer der wenigen Bundesligavereine den Frauenfußball bisher außen vor gelassen. Eine Kooperation mit dem 1. FC Lübars soll das Image des Männerklubs nun aufpolieren - rechtzeitig zur Frauen-WM 2011. Die Zweitliga-Lizenz wird beantragt.

Berlin - Hertha BSC steht gerade gut da. Noch nie rangierte die Profimannschaft des Fußball-Bundesligisten seit dem Aufstieg 1997 nach 18 Spieltagen auf Platz zwei, noch nie hatte der Verein mehr Mitglieder als jetzt (knapp 16 000), und schon lange nicht mehr wurde die Entwicklung des Teams mit so viel Lob von der Konkurrenz bedacht wie derzeit unter Trainer Lucien Favre. Gäbe es da nicht einen weißen Fleck in der schönen Hertha-Welt. Dem Bundesligisten, der sich dem eigenem Selbstverständnis nach als „der Hauptstadtklub“ sieht, fehlt bislang der Mädchen- und Frauenfußball. Das wird sich nun ändern. Nach Informationen des Tagesspiegels schließt Hertha einen Kooperationsvertrag mit dem 1. FC Lübars aus Berlin-Reinickendorf. Langfristig sollen deren Frauen- und Mädchenteams in den Männerverein mit dem weiblichen Namen Hertha integriert werden.

Am Donnerstag fällt die Entscheidung

Am Montag sind sich beide Vereine einig geworden. Während das Präsidium von Hertha BSC die Angelegenheit seit Wochen vorangetrieben hat, muss am Donnerstag noch beim 1. FC Lübars der Vereinsvorstand um Michael Reinke zustimmen. Der 53 Jahre alte Polizeibeamte ist Vorsitzender des Vereins und Befürworter der vereinbarten Kooperation. „Ich rechne fest mit einer positiven Entscheidung“, sagt Reinke. „Unser Verein profitiert schließlich auch davon.“

Hertha hatte als einer von wenigen Bundesligaklubs den Mädchen- und Frauenfußball außen vor gelassen. Immer wieder gab es mehr oder minder ernsthafte Vorstöße innerhalb des Klubs, das zu ändern. Meist endeten sie so ergebnislos wie vor einigen Jahren der Versuch, mit Turbine Potsdam zu kooperieren. Nun aber möchte der Verein handeln. Denn viele fragen sich intern: Wie sähe es aus, wenn in Herthas Spielstätte, dem Olympiastadion, wo im Sommer 2011 die Frauen-Weltmeisterschaft eröffnet wird, kein Frauenfußball gespielt wird?

Mit Hertha in die Zweite Liga - bei den Frauen

Hertha folgt einem deutschlandweitem Trend des Fußballs zur Weiblichkeit. Bayern München und der VfL Wolfsburg haben erfolgreiche Frauen-Teams, und immer mehr Bundesligaklubs streben im Vorfeld der WM einen Quereinstieg in den Frauenfußball an. So schloss 2007 Schalke 04 mit dem benachbarten 1. FFC Recklinghausen eine Kooperation. Im vorigen Jahr hat Bayer Leverkusen den Frauen-Zweitligisten TuS Köln in den Verein eingegliedert, der VfL Bochum hat eine Zusammenarbeit mit dem Drittligisten TuS Harpen vereinbart. Leverkusen und Bochum sind in zwei Jahren Austragungsorte einiger WM-Spiele.

Bei Herthas neuem Partner 1. FC Lübars hat der Frauenfußball eine fast 40 Jahre währende Tradition. Für den Juniorpartner ergeben sich viele neue Möglichkeiten. So wird der Verein nun die Lizenz für die zweite Frauen-Bundesliga beantragen. Bislang war dem Klub der Spielbetrieb in dieser Spielklasse zu teuer. In der Regionalliga belaufen sich bisher die Kosten auf 12 000 bis 15 000 Euro jährlich. Aber auch nur deshalb, weil die Nachwuchsteams die Spielkleidung der ersten Frauenmannschaft auftragen. In der Zweiten Liga würden die Kosten bei 25 000 Euro liegen, weil nicht mehr viele Vereine wie in der Regionalliga aus Berlin und dem Umland stammen.

In der ersten Frauenmannschaft der Reinickendorferinnen spielen eine Reihe talentierter Frauen, die bei anderen Klubs begehrt sind. „Wenn wir nicht die Perspektive Bundesliga bieten können, werden wir diese Spielerinnen wohl verlieren“, sagt Vereinschef Reinke.

Ende Februar läuft Lübars in blau-weißen Hertha-Trikots auf

Ende Februar startet die Rückrunde der Regionalliga. Sollte es mit dem Aufstieg von Lübars klappen, würde Hertha laut Kooperationsvertrag die Kosten für den Spielbetrieb der kommenden Saison übernehmen. Derzeit belegt die Frauenmannschaft den fünften Platz, das allerdings bei nur fünf Punkten Rückstand auf den Tabellenführer. Zudem würde der 1. FC Lübars andere Ressourcen Herthas nutzen können, etwa das Knowhow bei der Lizenzierung. Darüber hinaus wird für jede Spielerin ein ärztliches Gutachten benötigt. Die Kosten hierfür will keine Krankenkasse übernehmen. Hertha könnte Unterstützung aus der eigenen medizinischen Abteilung beisteuern.

Aber auch Hertha verspricht sich positive Effekte, vor allem im Marketing, bei der Mitgliedergewinnung und der zuweilen etwas vernachlässigten Imagepflege. Gerade Hertha fehlt ein weiches, warmes Image – und die meisten Fans im Olympiastadion sind trotz der Frauenfanseite „Herthafreundin.de“ männlich. Zudem kann Hertha gleich auf einem hohem Niveau im Frauenfußball einsteigen. Der Aufbau einer eigenen Abteilung hätte mehrere Jahre und viel mehr Geld in Anspruch genommen. Stattdessen ist nun vorgesehen, dass Hertha die Mädchen- und Frauenabteilung des 1. FC Lübars in absehbarer Zeit ganz übernimmt und eingliedert. Wie aus Vereinskreisen zu erfahren ist, hatte Hertha das sogar schon geplant. Da aber spielten die Reinickendorfer nicht mit. Hertha habe es versäumt, eine eigenen Mädchen- und Frauenabteilung aufzubauen, das könne man nicht mit einem Federstrich ändern. „Einer sofortigen Übernahme hätten wir nicht zugestimmt“, sagt Reinke. Jetzt also wird es ein fließender Übergang werden, nicht aber vor 2011.

In Lübars scheint man jedenfalls vom Erfolg des Projektes überzeugt. „Jetzt können unsere Mädchen und Frauen locker und befreit aufspielen“, sagt Michael Reinke. Sie werden das mit Beginn der Rückrunde in Hertha-Trikots tun, mit dem Schriftzug 1. FC Lübars auf dem Rücken.

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