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Nationalmannschaft: "Die pure Freude"

Mit dem eindrucksvollen Sieg in Prag positioniert sich die Löw-Elf als Mitfavorit für die Europameisterschaft. Das Geheimrezept: Die Lust am Spiel. Im Testspiel gegen Dänemark dürfen zwei weitere Debütanten ran.

Prag/Düsseldorf - Das hochverdiente 2:1 von Prag im Gruppen-Gipfel gegen Tschechien hat in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft neue Begehrlichkeiten geweckt: Nach dem Reifezeugnis von Prag gehen Michael Ballack und Co das Unternehmen "EM-Titel 2008" mit neuen Selbstverständnis an. "Wir wollen uns jetzt natürlich so schnell wie möglich für die Europameisterschaft qualifizieren und dann so ins Turnier gehen, dass man sagt, die Deutschen sind Mitfavorit", erklärte Kapitän Ballack nach dem viertem Sieg im fünften Ausscheidungsspiel und der mit 13 Punkten und 21:3 Toren souverän behaupteten Führung in Gruppe D.

Auch der "Macher" des anhaltenden Aufschwungs, Joachim Löw, arbeitet schon längst nicht mehr nur am Gruppensieg, sondern am ganz großen Coup bei der EM-Endrunde in der Schweiz und Österreich. "Wir wollen die Sieger-Mentalität sehen, wir brauchen Führungsstärke in der Mannschaft", sagte der Bundestrainer. Das gilt auch für das folgende Testspiel am Mittwoch gegen Dänemark, obwohl Löw für Duisburg seinen halben Kader auswechselt und seinen Stammkräften eine Pause verordnet. Ballack, Torsten Frings, Bernd Schneider, Jens Lehmann, Phillip Lahm, Bastian Schweinsteiger, Lukas Podolski und Per Mertesacker, durften am Sonntag nach Hause. Offen ist noch, ob auch Christoph Metzelder eine Pause machen darf.

Dafür bekommen mit Stefan Kießling, Gonzalo Castro, Roberto Hilbert, Clemes Fritz, Christian Schulz, Alexander Madlung und Paul Freier neue, vor allem junge Kräfte ihre Chance - auch schon im Hinblick auf die EM. Am Sonntag nominierte Löw zudem den Leverkusener Simon Rolfes und den Kölner Patrick Helmes vom 1. FC Köln, die sich schon an diesem Montag beim öffentlichen Training im Duisburger Stadion mit von 31.500 Zuschauern feiern lassen können. Der letzte Zweitliga-Spieler war vor drei Jahren mit Podolski ins A-Team gekommen - damals wie Helmes vom 1. FC Köln. In Duisburg haben nun gleich sechs Neulinge die Chance auf ein Debüt - ein Novum.

"An die Wand gespielt"

In beeindruckender Weise hatte der WM-Dritte am Samstagabend vor 17.821 Fans im ausverkauften Stadion von Sparta Prag den Gastgeber nicht nur in Schach gehalten, sondern glatt "an die Wand gespielt", wie der erfahrene Tschechen-Trainer Karel Brückner einräumte. "Auf so einen starken Gegner sind wir schon lange nicht mehr getroffen." Wenn es überhaupt etwas zu bemängeln gebe, so Löw: Wir hätten früher das 3:0 erzielen müssen", sagte Löw. So wurde es nach dem abgefälschten Anschlusstor von Milan Baros (76.) nochmals spannend.

Dass Kevin Kuranyi, der den gesperrten WM-Torschützenkönig Miroslav Klose nahezu perfekt ersetzte, mit seinem dritten Nationalmannschafts-Doppelpack (42./62. Minute) zum Matchwinner wurde, passt genau ins Entwicklungsbild. Vor einem Jahr lag der Schalker noch am Boden, wurde vom damaligen Bundestrainer Jürgen Klinsmann für die WM aussortiert. "Grundsätzlich hat Kevin Kuranyi in den beiden Spielen bewiesen, dass er wieder zurecht bei der Nationalmannschaft ist, dass er entscheidende Tore erzielen kann", sagte Löw und fügte an: "Klose, Kuranyi, Podolski und auch Gomez sind natürlich alles Stürmer, die unglaubliche Qualitäten haben."

Organisiert und modern

Qualitäten hat inzwischen das gesamte Team vom erstaunlich abgeklärten Mertesacker über Marcell Jansen, der mit tollem Offensivdrang und Abwehrsolidität überzeugte, sowie die Abfangjäger Frings und Ballack bis hin zur Abteilung Attacke. "Nie hat eine deutsche Nationalmannschaft so organisiert und modern gespielt. Wir haben einen Stil entwickelt, schnell und flach nach vorne zu spielen. Das ist in Fleisch und Blut übergegangen", schwärmte Metzelder, der wesentlich dazu beitrug, dass mit Jan Koller die schärfste Waffe der Tschechen praktisch aus dem Spiel genommen war.

"Vor einem Jahr ein Hühnerhaufen"

Die akribische Detail-Arbeit des Cheftrainers und seines Stabes setzt das Team 2007 in einer Art und Weise um, die noch vor zwölf Monaten für nicht möglich gehalten wurde. "Vor einem Jahr waren wir an dem Tag ein Hühnerhaufen", verwies der auch persönlich enorm gereifte Frings auf die damalige "1:4-Klatsche" in Italien hin. "Da hat man uns nichts mehr zugetraut. Was die Mannschaft erreicht hat mit Disziplin und Zusammenhalt, ist die pure Freude", sagte Teammanager Oliver Bierhoff.

"In so einer Mannschaft rennt jeder für den anderen. Da macht es Riesenspaß zu spielen", berichtete der Gladbacher Jansen, der neben Kuranyi als einziger Spieler aus der Prager Startelf auch gegen Dänemark wieder auflaufen dürfte. Trotz des veränderten Gesichts der Mannschaft versprach Jansen den Fans ein weiteres Fest: "Jedes Länderspiel ist wichtig, und das geht man mit Freude an. Da wird wieder Gas gegeben." (Von Jens Mende und Klaus Bergmann, dpa)

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