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Nicht zu fassen. Herthas Vedad Ibisevic konnte in Köln gar nicht mehr hinsehen.

© Patrik Stollarz/AFP

Nach dem 2:4 in Köln: Herthas Auswärtsschwäche gefährdet das Saisonziel

Die letzten sechs Spiele fernab des Olympiastadions hat Hertha BSC alle verloren. Damit setzen sich die Berliner in den Heimspielen stark unter Druck und gefährden die Europapokal-Qualifikation.

Die Einnahme des Schmerzmittels Diclofenac kann zu diversen Nebenwirkungen führen. Typisch sind Magen- und Darmbeschwerden; Überempfindlichkeit der Haut gegen Sonnenlicht ist laut Packungsbeilage ebenfalls möglich. Da auch Schwindel und Müdigkeit auftreten können, ist unter Diclofenac-Einfluss bei der Bedienung von Maschinen und der Teilnahme im Straßenverkehr Vorsicht geboten. Vielleicht sollte man diese Einschränkung auch für die Teilnahme an Spielen der Fußball-Bundesliga erweitern.

Pal Dardai, der Trainer von Hertha BSC, hat am Tag nach der 2:4-Niederlage gegen den 1. FC Köln enthüllt, dass seine beiden Innenverteidiger John Anthony Brooks und Sebastian Langkamp am Samstag nur dank der schmerzstillenden Wirkung von Diclofenac überhaupt auf dem Platz stehen konnten. „Sie waren sehr betäubt“, sagte der Ungar – was das Unerklärliche zumindest ein bisschen zu erklären schien. Schon zur Pause hatten die Berliner 0:3 gegen den FC zurückgelegen, weil in den entscheidenden Momenten sämtliche Sicherungssysteme bei Hertha lahmgelegt waren. Ein Fehler im Mittelfeld, ein Ballverlust, und schon brach das gesamte Gebilde zusammen. „Es ist jedes Mal dieselbe erste Halbzeit“, klagte Dardai. „Wir sind viel zu nett.“

Das aber ist nur die halbe Wahrheit. Im eigenen Stadion ist Hertha auch schon in der ersten Halbzeit konsequent unbequem. Lieb, nett und unbesorgt spielt die Mannschaft nur auf fremdem Platz. Das 2:4 in Köln war die sechste Auswärtsniederlage der Berliner hintereinander, 4:14 lautet die Tordifferenz aus diesen sechs Begegnungen. Hertha ist die beste Heimmannschaft der Bundesliga, hat im Olympiastadion elf von dreizehn Spielen gewonnen; auswärts aber sind nur zwei Teams schlechter. Den Beteiligten selbst kommt diese Diskrepanz inzwischen wie ein parapsychologisches Phänomen vor. Schlüssig erklären lassen sich die zwei Gesichter der Mannschaft kaum.

Gute Vorbereitung reicht bisher nicht

An Versuchen mangelt es nicht: Vor dem Spiel in Köln hatte Dardai mit der Überlegung kokettiert, sich in der eigenen Hälfte zu verschanzen und den Gegner einfach auszukontern. Im Grunde passierte genau das: Allerdings konterten die Kölner, während Hertha regelrecht überrumpelt wurde. Die Berliner sind auf die Herausforderungen in der Fremde eigentlich immer gut vorbereitet. Sie wissen, was sie erwartet, sie sind mit einem entsprechenden Plan ausgerüstet. Aber sie scheinen nicht in der Lage zu sein, auf unvorhergesehene Entwicklungen adäquat zu reagieren. „Wenn du auswärts merkst, es wackelt, musst du körperbetont spielen und Kampfgeist zeigen“, sagte Dardai. Stattdessen leisteten seine Spieler den Kölnern allenfalls eine Art Geleitschutz. Erst in der Pause konnte der Ungar seine Mannschaft neu justieren, danach lief es besser.

Solche Erfahrungen machen die Analyse auch nicht einfacher. „Ich weiß nicht, woran es liegt“, sagte Dardai. „Am Hotel? Den Reisen? Vielleicht machen wir uns auch zu viele Gedanken.“ Das nächste Auswärtsspiel steht Anfang April bei Borussia Mönchengladbach an. Weil es ein Abendspiel ist, wird die Mannschaft erst am Spieltag anreisen. Vielleicht stellt sich das am Ende als der entscheidende Faktor heraus, um die Serie zu durchbrechen. Denn je länger die Auswärtsschwäche anhält, desto mehr werden die Berliner darauf angesprochen – und desto mehr Gedanken machen sie sich. „Es ist ein komisches Gefühl“, sagte Dardai. „Es geht uns allen auf den Sack.“

Welche Serie reißt zuerst?

Und das aus gutem Grund. Die Auswärtsschwäche könnte das Saisonziel, die Qualifikation für den Europapokal, noch einmal ernsthaft gefährden. Nach dem überzeugenden Heimsieg gegen Borussia Dortmund vor einer Woche durfte Hertha bei nur noch drei Punkten Rückstand sogar auf die Champions-League-Plätze schielen. An diesem Wochenende haben Borussia Dortmund und die TSG Hoffenheim ihren Vorsprung in der Tabelle wieder ausgebaut, während von hinten der 1. FC Köln aufgeschlossen hat. „Natürlich ist das Mist“, sagte Defensivspieler Niklas Stark über die Auswärtsschwäche. „Zum Glück sind wir daheim ganz gut. So gleicht sich das wieder aus.“

Doch mit jeder Niederlage in der Fremde setzt sich Hertha vor den Heimspielen selbst unter Druck. Die Frage ist, welche Serie zuerst reißt: die Erfolgsserie zu Hause oder die Misserfolgsserie in der Fremde?

Nach der Länderspielpause empfangen die Berliner die TSG Hoffenheim im Olympiastadion. Da einige Profis (Langkamp, Brooks und Kalou) angeschlagen, viele andere Nationalspieler unterwegs sind und die Begegnung schon am Freitagabend stattfindet, bleibt Dardai wenig Zeit für eine ausgeklügelte taktische Vorbereitung. Herthas Trainer sagt: „Das wird ein Mentalitätsspiel.“ Zumindest im eigenen Stadion war das in dieser Saison noch nie ein Problem.

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