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Antoine Griezmann (Mitte) beendete im Juli 2016 mit seinem Tor zum 2:0-Endstand die Träume der Deutschen vom EM-Titel.

© dpa/Christian Charisius

Letztes Länderspiel 2017: Frankreich - endlich ein Gegner für die Nationalmannschaft!

Im letzten Test vor dem WM-Jahr wartet auf die Nationalmannschaft eine echte Herausforderung. Gegen Frankreich sah sie in den letzten Jahren selten gut aus.

Es ist nun wirklich nicht so, dass der Fußballfreund in Köln sich in den vergangenen Monaten an berauschendem Fußball überfressen hätte. Der erste Verein am Platze, der FC, belegt in der Bundesliga den letzten Tabellenplatz. Und trotzdem schafft es der Weltmeister nicht, mit seinem Gastspiel in Köln die Massen zu mobilisieren. Knapp 35.000 Karten sind für das finale Länderspiel des Jahres gegen Frankreich an diesem Dienstag (20.45 Uhr, live in der ARD) verkauft. Tausende Plätze werden leer bleiben, was in der Arena höchst selten vorkommt. „Wenn ich in Köln wohnen würde, würde ich es mir auf jeden Fall anschauen“, sagt Matthias Ginter, der Innenverteidiger der Nationalmannschaft. Und auch Bundestrainer Joachim Löw hat am Tag vor der Begegnung noch ein paar werbende Worte gesprochen: „Man kann davon ausgehen: Es wird ein interessantes Spiel.“

Hundertprozentig sicher sein kann man sich bei Testspielen natürlich nie. Aber unstrittig ist, dass es sich bei Deutschland gegen Frankreich um ein Topspiel handelt. Der Weltmeister gegen den EM-Finalisten, der Weltranglistenerste gegen den Siebten. Wobei Rang sieben die tatsächliche Stärke der Franzosen wohl nur bedingt widerspiegelt. „Die Mannschaft ist sehr stark, gespickt mit vielen Supertalenten“, sagt Julian Draxler, der in Paris unter Vertrag steht. „Sie werden auch bei der WM eine große Rolle spielen.“

Im Juli vor einem Jahr sind sich Deutsche und Franzosen zuletzt auf dem Fußballplatz begegnet. Es war das Halbfinale der Europameisterschaft in Marseille – und endete mit einem 2:0 der Gastgeber. „Es ist nicht unbedingt eine Revanche. Man kann es nicht mehr zurückholen“, sagt Bundestrainer Löw. Aber das Wiedersehen in Köln ist eine echte Herausforderung für seine Mannschaft. „Letztlich sind das Spiele, in denen wir uns selbst testen müssen“, sagt Mittelfeldspieler Ilkay Gündogan. „Frankreich hat auch eine enorme Qualität. Dieses Spiel wird uns wieder aufweisen, woran wir arbeiten müssen.“

Bleibt Deutschland im Jahr 2017 ungeschlagen?

Nach all den einseitigen Spielen in der WM-Qualifikation gegen Norwegen, Aserbaidschan und San Marino ist Frankreich endlich wieder ein satisfaktionsfähiger Gegner. Die Niederlage im EM-Halbfinale war die bisher letzte für Löw und sein Team. 2017 ist die Nationalmannschaft also noch ungeschlagen; sollte das auch in Köln so bleiben, würden die Deutschen zum ersten Mal seit 1997 ein Länderspieljahr ohne Niederlage beenden.

Frankreich ist die letzte Hürde – und eine der denkbar höchsten. Weniger weil die Nationalmannschaft eine negative Bilanz gegen die Équipe tricolore hat, sondern weil sie vor allem in jüngerer Vergangenheit arge Schwierigkeiten mit ihr hatte. Von den letzten zehn Begegnungen gewannen die Deutschen nur zwei, die Franzosen sieben. Zu Hause gab es zuletzt sogar drei Niederlagen hintereinander. Der letzte Heimsieg der Deutschen datiert aus dem August 1987, als Rudi Völler in Berlin beide Tore zum 2:1-Erfolg erzielte. Aus dem aktuellen Kader war zu diesem Zeitpunkt nur Sami Khedira schon auf der Welt.

„2014 war die Mannschaft schon gut“, sagt Bundestrainer Löw über die Franzosen, „2016 waren sie besser – und jetzt haben sie noch mal einen Schritt nach vorne gemacht.“ 2014, bei der WM, reichte es noch; 2016 nicht mehr. Und 2018?

Von der WM 2014 sind neben dem erfolgreichen Endspiel vor allem das Achtelfinale gegen Algerien und das Halbfinale gegen Brasilien im kollektiven Gedächtnis geblieben. Das Spiel dazwischen, das Viertelfinale gegen Frankreich, ist mehr oder weniger in Vergessenheit geraten – obwohl es nach dem vogelwilden Auftritt gegen die Algerier mutmaßlich der Schlüssel zum späteren Titelgewinn war. Zum ersten Mal begann Philipp Lahm als rechter Außenverteidiger – und trotzdem war es ein ziemlich glücklicher Sieg, auf urdeutsche Art errungen: durch ein Standardtor, mit wenig spielerischem Glanz und dank einer überzeugenden Defensive. Die aktivere Mannschaft waren die Franzosen, die noch in letzter Sekunde an der stählernen Faust von Manuel Neuer scheiterten.

Die Franzosen als Fußballästheten, die Deutschen als Verhinderer – so klar sind die Rollen längst nicht mehr verteilt. Aber um die Jahrtausendwende war Frankreich für den darbenden deutschen Fußball ein scheinbar unerreichbares Vorbild. Nachdem die Deutschen zwischenzeitlich vorbeigezogen waren, bewegen sich beide Nationen inzwischen auf vergleichbarem Niveau. „Die, die immer behaupten, es gibt in Deutschland die allerbesten Talente überhaupt und es gibt nur in Deutschland Talente, sind fehl am Platz, weil es nicht stimmt“, sagt Löw. Hinter den sieben Bergen (also hinter dem Rhein) gibt es ein Land, in dem es mindestens genauso viele allerbeste Talente gibt. „Frankreich ist eine Top-Nation in puncto Ausbildung“, findet der Bundestrainer.

Die französischen Talente drängen in die Bundesliga

Von den Folgen profitiert inzwischen auch die Bundesliga. Etliche Talente zwischen 18 und 23 – von Colentin Tolisso (Bayern München) über Michael Cuisance (Borussia Mönchengladbach) bis zu Ibrahima Konaté und Jean-Kevin Augustin (beide Leipzig) – sind im Sommer nach Deutschland gewechselt. Und während man hierzulande bisweilen den Eindruck hat, es würden nur spielstarke Mittelfeldspieler ausgebildet, haben die Franzosen auch gute junge Verteidiger und vor allem sehr gute Stürmer.

Ousmane Dembélé, 20, und Kylian Mbappé, 18, zählen zum Besten (und Teuersten), was der Weltfußball aktuell zu bieten hat. „Gerade in der Offensive besitzen die Franzosen eine unglaubliche Qualität“, sagt Joachim Löw. Dass Dembélé, Olivier Giroud und Karim Benzema in Köln nicht dabei sind, muss also erst einmal gar nichts bedeuten. Mbappé, Alexandre Lacazette und Antoine Griezmann sind auch nicht so schlecht.

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