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Harmonisches Quartett. Die deutschen Speerwerfer Thomas Röhler, Johannes Vetter, Julian Weber und Andreas Hofmann (v.l.n.r.) warfen beim Istaf weiter als alle anderen. Und beweisen, dass Konkurrenten befreundet sein können.

© dpa/Fischer

Leichtathletik: Breite deutsche Speer-Spitze

Beim Istaf im Berliner Olympiastadion zeigen die deutschen Werfer ihre Dominanz – und wie gut sie sich verstehen.

Am Ende der gemeinsamen Ehrenrunde ging das harmonische Quartett mit den schwarz-rot-goldenen Fahnen dann doch getrennte Wege. Thomas Röhler und Andreas Hofmann ließen ihre beiden Speerwurf-Kollegen stehen, um sich beim Startschuss des 800-Meter-Rennens ein kleines Sprintduell zu liefern. Wer die Idee zu dieser kleinen Show-Einlage im Berliner Olympiastadion hatte, konnte Röhler hinterher gar nicht sagen. „Wir gucken uns nur an – und jeder weiß einfach, was der andere meint“, sagte der Olympiasieger über die vier deutschen Speerwerfer, die beim 75. Istaf die ersten vier Plätze belegten.

Der Goldmedaillengewinner von Rio de Janeiro war am Samstag nur Vierter geworden – ein weiterer Beleg für die Leistungsstärke im deutschen Speerwerfen der Männer. Der Sieg ging mit 89,57 Meter an Johannes Vetter, Zweiter wurde Julian Weber mit 88,29 Meter, den dritten Platz sicherte sich Andreas Hofmann mit 85,42 Meter. Hofmann hatte es nicht einmal ins deutsche Olympia-Aufgebot geschafft, mit seiner Weite vom Istaf wäre er aber in Rio auf dem Bronze-Rang gelandet. Er habe seine Saisonbestleistung eben ein bisschen zu spät abgeliefert, sagte er gut gelaunt, „aber Konkurrenz belebt das Geschäft, nächstes Jahr werden die Karten neu gemischt“.

Nirgendwo ist die Speerwurf-Konkurrenz derzeit so groß wie in Deutschland. „Das Ausland zerbricht sich den Kopf darüber, wie wir das machen“, sagte Röhler stolz. Die breite deutsche Speer-Spitze ist umso erstaunlicher, da die vier Topwerfer getrennt voneinander trainieren und von vier verschiedenen Trainern betreut werden. Zudem, auch darüber dürfte sich das Ausland Gedanken machen, ist keiner der vier älter als 24 Jahre. „Wir haben individuelle Schritte gemacht, um da hinzukommen, wo wir jetzt sind“, sagte Vetter. Jeder habe seine eigene Technik und seine eigenen Stärken: „Eine gemeinsame Trainingsgruppe wäre da eher kontraproduktiv.“ Der 23-Jährige war in Rio Vierter geworden, sein Wurf vom Istaf – eine neue persönliche Bestleistung – wäre für Olympiasilber gut gewesen.

Die große Konkurrenzsituation ist „Fluch und Segen“ zugleich

Die große Konkurrenzsituation bezeichnet Vetter als „Fluch und Segen“ zugleich, schließlich kann bei internationalen Meisterschaften immer nur ein Trio und kein Quartett an den Start gehen. Einen sicheren vierten Startplatz bei der WM 2017 in London für sich und seine Kollegen hätte Röhler am Donnerstag in Zürich mit dem Gesamtsieg bei der Diamond League sichern können, der Jenaer verfehlte dieses Ziel aber knapp. Röhler, Vetter, Hofmann und Weber werden also auch in der kommenden Saison Konkurrenten bleiben – und Freunde. Die vier seien „in ständigem Austausch“ berichtete Vetter, sie würden über ihre verschiedenen Wurftechniken sprechen, sich auch sonst unterstützen und bei etlichen Wettkämpfen in wechselnder Konstellation Hotelzimmer teilen. „Wir bremsen uns nicht aus – wir pushen uns“, sagte Röhler. Weber trat am Samstag in Berlin sogar in einer kompletten Wettkampf-Montur von Röhler an, weil seine eigene Ausrüstung am Flughafen verloren gegangen war. Teaminterne Spannungen wie zuletzt bei den deutschen Speerwerferinnen sind bei den Männern jedenfalls nicht in Sicht.

Der deutsche Vierfach-Sieg war einer der Höhepunkte des diesjährigen Istafs, seit 2003 hatte das traditionsreiche Meeting auf den Speerwurf der Männer verzichtet. „Die haben eine Ewigkeit überhaupt nicht an Männer-Speerwurf gedacht, ab jetzt werden wir das etablieren“, sagte Röhler. Der Olympiasieger war nach drei Wettkämpfen an drei aufeinanderfolgenden Tagen nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte, warf mit 82,55 Meter fast acht Meter kürzer als bei seinem Triumph in Rio und freute sich nach den ereignisreichen Wochen nur noch darauf, „sofort nach Hause zu fahren und die Tür hinter mir zuzumachen“.

Alle vier Speerwerfer betonten aber, wie sehr sie sich auf die kommende Saison und die Fortsetzung ihrer kumpelhaften Rivalität freuen würden. Dann kann Thomas Röhler auch noch eine der letzten Wissenslücken schließen, die er in Bezug auf seine Mitstreiter hat. Ob Julian Weber denn überhaupt die gleiche Schuhgröße wie er habe, wurde Röhler noch gefragt. „Weiß ich nicht“, sagte der Olympiasieger. „Aber er hat reingepasst.“ Die Harmonie im Quartett könnte wirklich kaum größer sein.

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