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Der Patron fährt vor. Lance Armstrong bei der Tour de France 1999.

© AFP

Lance Armstrong: Doping mit freundlicher Unterstützung

Ein Bericht deckt die Verschleierung des Betrugs im Radsport auf: Lance Armstrong wurde vom Weltverbands UCI mit Informationen versorgt, mit denen er sein Doping optimieren konnte.

Gedopt wird weiter im Radsport, nur nicht mehr so intensiv wie früher. So lautet das Fazit der der unabhängigen Reformkommission CIRC des Weltverbandes UCI. Die CIRC untersucht zudem Mauscheleien des Verbandes mit Lance Armstrong, die dem Amerikaner sein Dopingprogramm in dieser Perfektion erst ermöglichten. Der Bericht ist ein erster Schritt. Ein Jahr Arbeit steckte die Kommission, zu der auch der deutsche Jurist Ulrich Haas gehörte, in die Aufklärung der Dopingvergangenheit des Radsports von 1998 bis 2013.

Exakt 135 Interviewpartner listet sie in dem 227 Seiten starken Bericht auf. Darunter sind überraschend wenig Profis und Ex-Profis – nur 16, darunter neben Armstrong auch Jörg Jaksche. An belasteten Teamchefs sagten Bjarne Riis und Alexander Winokurow aus. Winokurows Zögern, vor der Kommission zu erscheinen, war einer der Gründe für die harte Gangart der UCI gegen dessen aktuellen Rennstall Astana. Dass Astana weiterhin der Lizenzentzug droht, lässt darauf schließen, dass die Angaben des Teammanagers vor der CIRC nicht sehr umfangreich ausfielen. Die Kommission empfiehlt der UCI ausdrücklich, „gegen jede Person zu ermitteln, gegen die ein Dopingverdacht vorliegt“. Sie wendet sich auch gegen die Ungleichheit, dass manche Dopingsünder verfolgt werden, andere aber nicht.

Verwunderlich ist, dass lediglich ein einziger Mediziner befragt wurde: der frühere Armstrong-Helfer Pedro Celaya. Die CIRC geht in ihrem eigenen Bericht von mindestens 69 Ärzten aus, die in 15 Jahren organisierten Dopingprogramms im Radsport als Komplizen und Anstifter tätig waren. Stärker vertreten war UCI-Personal (29), Vertreter von Sportverbänden (23) und Antidopingorganisationen (25). Die Kommission fischte vor allem im Gewässer der Sportbürokratie.

UCI-Informationen halfen Lance Armstrong bei Doping-Optimierung

Wohl auch wegen dieser Zeugenauswahl förderte die historische Aufarbeitung des Dopingproblems wenig Neues zutage. Immerhin wird die Vorzugsbehandlung von Lance Armstrong näher betrachtet. Bei der nachträglichen Erteilung eines Attestes auf Kortison nach einer positiven Probe bei der Tour 1999 „brach die UCI ihre eigenen Antidopingregeln“, stellt der Bericht fest. Kritisiert wird auch, dass Armstrong und sein Umfeld detailliert von verdächtigen Werten bei Tests bei der Tour de Suisse 2001 und der Dauphiné 2002 informiert wurden – und das Doping-Finetuning damit verbessern konnten. Deutlich monierte die CIRC, dass Armstrong bei seinem Comeback 2009 vor Ablauf der festgelegten Testzeit von sechs Monaten an der Tour Down Under teilnehmen durfte. Im Gegenzug startete er bei der vom Bruder des damaligen UCI-Präsidenten organisierten Tour of Ireland, was dem drittklassigen Rennen große Resonanz bescherte. „Die UCI verletzte hier ihre eigenen Regeln und beschädigte ihr Image, indem sie die Botschaft aussendete, die Regeln würden nicht für alle gelten“, hält die Kommission fest.

Sie erwähnt sogar ein Detail, wie sich Armstrong des Antidopings als Instrument zum eigenen Vorteil bedienen wollte. „Vor der Tour 2003 und auch 2009 warnte Armstrong die UCI vor den Gefahren von künstlichem Hämoglobin und AICAR im Peloton. Einige Fahrer zeigten bei der Dauphine-Rundfahrt unglaubliche Leistungen und Armstrong fühlte sich bedroht“, heißt es in dem Report. Der Systemdoper war also ein Petzer, wenn die anderen mal etwas vermeintlich Besseres im Tank hatten.

Leistungsvorteil durch Doping von "10 bis 15 auf etwa drei bis fünf Prozent gesenkt"

Der CIRC-Bericht weist ebenfalls daraufhin, dass die Dopingmentalität im Radsport noch lange nicht ausgerottet ist: „Fahrer sind zu Mikrodosierungen von Epo und geringeren Bluttransfusionen übergegangen.“ Wegen des Testverbots in der Nacht wüssten Fahrer auch ganz genau, dass sie sich am Abend noch ohne Sorge vor Entdeckung Epo spritzen könnten. Die Kommission regte daher eine Aufhebung der nächtlichen Testsperre an. Immerhin sei durch den Blutpass und das dadurch bedingte Ausweichen der Doper auf Mikrodosen der Leistungsvorteil durch Doping von „10 bis 15 Prozent in den Hochzeiten auf jetzt etwa drei bis fünf Prozent zurückgedrängt“ worden.

Ganz auf dem Pfad der Tugend ist der Radsport also noch nicht. Die CIRC warnt auch vor dem Einfluss früherer Doper, die heute als sportliche Leiter aktiv sind. Und sie empfahl die Überprüfung der Vergabe der therapeutischen Ausnahmegenehmigungen. 90 Prozent dieser Genehmigungen würden zu Dopingzwecken genutzt, erfuhr sie. Es gibt also einiges zu tun. Allerdings ist das Bewusstsein dafür geschärfter als wohl in jedem anderen Sport. Eine unabhängige Reformkommission wie die CIRC ist auch den Weltverbänden anderer olympischer Sportarten zu empfehlen.

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