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Solche Bilder laufen immer gut. Ein Morgenlauf an der Spree in Berlin.

© Paul Zinken/dpa

Kolumne: So Läuft es: Laufen ist aktive Entspannung

Auch im Sommer gibt es tolle Ausreden, nicht zu laufen. Aber: Nicht zu laufen ist keine Option, man muss nur wissen wie. Findet unser Kolumnist.

Ehrlich? Ich kenne sie alle. Alle. Alle Ausreden, nicht zu laufen. Denn ich habe sie alle auch benutzt, noch vor sechs Jahren. Die besten Ausreden für den Sommer sind unter anderem: „Supergefährlich! Die UV-Werte sind bei den Temperaturen viel zu hoch, da machst Du Dir das Herz kaputt.“ Oder: „Bei dem Wetter musst Du nach dem Laufen mindestens vier Liter trinken, das schaff’ ich nicht, also lass’ ich es.“

Egal ob Winter oder Sommer: Das Laufen ist immer unheimlich gefährlich. Immer. Deshalb laufen ja auch immer weniger Menschen, verzeihen Sie mir meine Ironie. Die beste Ausrede im Zusammenhang mit dem lebensgefährlichen Laufen im Sommer aber habe ich vergangene Woche gehört. Ein Bekannter sagte mir eine Stunde vor dem gemeinsamen Lauf ab. „Ich habe meine Pulsuhr zu Hause vergessen. Ich kann bei dem Wetter nicht ohne Pulsuhr. Gerade bei den Temperaturen muss ich schauen, dass der Puls nicht zu hoch ist. Sonst geht es zu sehr aufs Herz“, sagte der Mann, der acht bis zehn Mal pro Jahr Marathon läuft und den Bestzeiten hinterherjagt.

Natürlich wäre es viel zu spät geworden umzudrehen, die Uhr zu holen, um dann endlich gemeinsam laufen zu können. Klar. Verstehe ich. Keine Frage. Liebe Läuferinnen und Läufer, oder die die es noch werden wollen, klare Jacke: Wir werden alle nicht mehr unser Geld durch die Siegesprämien beim Marathon verdienen. Wenige von uns kommen auch nur annähernd an die Zeiten der Profis heran. Also: Weg mit dem Laufstress, bitte! Es ist durchaus möglich, lange und weit im Sommer zu laufen, ohne einen Herzinfarkt zu erleiden. Wirklich! Verblüffend! Das geht! Wenn man einfach auf den Körper hört, und sich nicht selbst zur Geisel seiner Pulsuhr macht. Vielleicht ist es auch nicht unbedingt die beste Idee zu glauben, dass man bei 34 Grad im Schatten auf Bestzeiten trainiert.

Forscher fanden heraus, dass Läufer, die nur sporadisch trainieren, drei Jahre länger leben

Wie verrückt und wunderbar wäre es denn, wenn wir anstatt Ausreden zu suchen, uns selbst vor dem Laufen im Sommer zu warnen, einfach mal Gas rausnehmen würden? Ohne Stress laufen wäre ein gutes Stichwort. Ohne Uhr, ohne Handy, ohne Facebook, ohne Instagram. Wie wäre es, wenn wir einfach mehr und mehr verstehen, dass das Laufen eine Form der aktiven Entspannung sein kann, im Sommer vielleicht sogar sein muss. Eben damit die Lauferei bei hohen Temperaturen nicht so sehr auf die Pumpe geht.

Wenn Sie mir es nicht glauben, glauben Sie es bitte den Forschern des sehr angesehenen „Cooper-Institutes“ in Dallas. Diese fanden heraus, dass selbst Läufer, die nur langsam und sporadisch trainieren, bis zu drei Jahre länger leben. Lange lange haben wir alle – Medien, Experten, Lauftrainer, Läufer – den Fehler gemacht zu suggerieren, dass man hart und viel trainieren muss, um gesund zu leben. Dabei kann langsames Laufen ein echtes Lebenselixier sein. Also: Reduzieren wir mal ein wenig unseren Ehrgeiz. So läuft es.

- Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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