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Die Methoden werden immer schlimmer.

© dpa

Kolumne: So läuft es: Höher, schneller, weiter führt zu Doping - auch im Laufen

Wenn auch im Laufsport gedopt wird, ist dies nicht nur ein lupenreiner Betrug am Sport. Es ist auch ein Betrug an Millionen von Menschen, die jeden Tag laufen, meint unserer Kolumnist.

Pünktlich zu Beginn der Leichtathletik-WM lief im Ersten eine für den Laufsport mehr als erschütternde Dokumentation. Sie lief mitten in der Nacht. Leider. Man hätte sie besser in Dauerschleife einen ganzen Tag absenden sollen. „Geheimsache Doping: Wie Afrikas Sporthelden verkauft werden.“ Der Autor Hajo Seppelt ist der Dopingexperte der ARD. Einer, der recht genau weiß wovon er spricht. Wer die Abgründe des Dopings und des Menschenhandels ertragen kann, möge sich die Dokumentation in ARD Mediathek ansehen.

Es ist mir wichtig an dieser Stelle knallhart Werbung für diese Sendung zu machen, weil sie offenbar komplett untergegangen ist. Sie wurde überlagert von Dieselskandalen, Martin-Schulz-Bashing und der Berichterstattung über das schlechte Wetter. Die nackte Wahrheit über Doping und Menschenhandel im Laufsport ging unter, obwohl sie Millionen von Menschen alleine in Deutschland betrifft. Denn Millionen verbindet in unserem Land eine Leidenschaft: Das Laufen. Wer regelmäßig bei großen Volksläufen, ja selbst bei kleinen Stadtläufen an den Start geht, stellt fest, dass immer mehr afrikanische Läufer teilnehmen. Dass dies kein Zufall ist, dass dubiose Manager Läufer missbrauchen, sie wie Rennpferde auf die Bahn schicken, ihnen eine rosige Zukunft versprechen, sie jedoch nicht bezahlen, das haben vielleicht auch Sie vielleicht schon befürchtet.

Immer mehr Beweise

Nun gibt es mehr und mehr Beweise, dass alles noch viel schlimmer ist. Dass diese Athleten nämlich unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen. Dazu kommt, dass das Thema Doping endgültig auch bei den afrikanischen Laufstars angekommen ist. So outet sich ein ehemaliger Gewinner des Berlin-Marathons als Dopingsünder, zwar vor der Kamera, leider jedoch unkenntlich gemacht. Die Angst läuft eben mit. Diese Dokumentation wird vermutlich erst der Beginn der traurigen Wahrheit über das Phänomen der Wunderläufer aus Afrika sein. Und das ist erschütternd.

Waren wir doch fest davon überzeugt, dass afrikanische Läufer einfach die perfekte Lauf-DNA haben – und deshalb alles in Grund und Boden rennen. Dem ist wohl nicht so. Die Jagd nach den Rekorden, nach immer schnelleren Zeiten, der Wahn nach der Marathonzeit unter zwei Stunden, der Profit und das Geld führen unweigerlich zu mehr Dopingfällen. Zu einer eindeutigen Straftat: Zum Betrug.

Meiner Meinung nach ist eine andere Form des Betrugs noch weitaus schlimmer: Der Betrug am Läufer. Der Betrug an uns allen, die wir diesen Sport so sehr lieben. Wir alle feiern unsere Laufvorbilder, bewundern sie, sie treiben uns an. Sie laufen Marathon, wir laufen Marathon. So sind wir alle gleich. So verbindet uns das Laufen. Noch ist es Zeit, langsamer zu laufen. Die Zeit kurz anzuhalten, umzudenken. Wenn wir alle die Sucht nach dem Höher-Schneller-Weiter-Effekt im Laufen nicht länger unterstützen, wäre das ein Anfang. So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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