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Jan Frodeno gewann 2015 und 2016.

© dpa

Ironman-WM: Die Deutschen wollen die Könige von Hawaii bleiben

Jan Frodeno greift heute Nacht zum dritten Mal nach dem Sieg bei der Ironman-WM – und hat dabei zwei starke deutsche Konkurrenten.

Er konnte es kaum fassen: Als Patrick Lange bei den Ironman-Weltmeisterschaften in Kona 2016 als Dritter über die Ziellinie kam, zeichnete sich eine Mischung aus Ungläubigkeit, kindlicher Freude und Überwältigung im Gesicht des Ironman-Neulings ab. Ratlos ging er in die Knie, hob die Arme, verdeckte mit seinen Händen das Gesicht. „Habe ich das wirklich getan?“, fragten Gesicht, Körper und Hirn. Erst fünf Monate zuvor hatte der 30-Jährige seinen ersten Ironman in Texas bestritten, jetzt holte er sich im Zielbereich vor Ehrfurcht fast zitternd und den Tränen nahe die Glückwünsche von den Kona-Helden Jan Frodeno und Sebastian Kienle ab. Mit seinem Debüt überraschte er nicht nur sich selbst, seine Konkurrenten und die gesamte Triathlon-Welt, er machte auch ein schwarz-rot-goldenes Podium komplett. Zuvor entschuldigte er sich aber noch bei Triathlon-Legende Mark Allen, dem er bei seinem furiosen Marathonlauf in der brennenden Hitze Hawaiis den Lauf-Streckenrekord abgenommen hatte.

Bei der Pressekonferenz vor dem diesjährigen Rennen (Samstag ab 18:30 Uhr im Livestream auf zdfsport.de, ab 00:25 Uhr im ZDF-Hauptprogramm) ist von der Ehrfurcht des Newcomers kaum noch etwas zu spüren: Selbstbewusst kündigt er an, den Weltrekordhalter Frodeno angreifen zu wollen. Es weht ein anderer Föhnwind auf Hawaii: „The Germans“ haben den traditionell angelsächsisch dominierten Sport aufgemischt, seit dem Sieg Sebastian Kienles 2015 ist die Siegesserie ungebrochen und Jan „Frodo“ Frodeno hofft auf ein Triple.

Triathlon hat eine lange Tradition

Diese Dominanz kommt nicht von Ungefähr: Bereits 1997 siegte Thomas Hellriegel in Kona, dann gelang Normann Stadler (2004 und 2006) und Faris Al-Sultan (2005) ebenfalls eine deutsche Siegesserie. Nun ist die nächste Generation dran: Al-Sultan ging 2015 in den Triathlon-Ruhestand, jetzt gibt er als Trainer sein Wissen an Patrick Lange weiter. Damit zementiert er die solide Position der deutschen Athleten und beweist das hohe Niveau des Know-hows und der Infrastruktur hinter diesen Erfolgen. Nach dem Dreifach-Triumph im vergangenen Jahr kam die Frage nach den Gründen für die überwältigende Stärke der deutschen Männer auf. Bei Patrick Lange ist das Rezept harte Arbeit und eine ordentliche Portion Demut. „Faris Al-Sultan war der Erste, der mir gesagt hat: Patrick, du bist gar nicht so talentiert. Du muss dich auf das Wesentliche konzentrieren.“ Neben dem Wechsel zum Vollzeit-Athletentum bedeutete das für Lange auch zusätzliche Krafttraining und volle Konzentration auf sein Training.

Sind es also vermeintlich deutsche Tugenden wie Fleiß und Gründlichkeit, die für den Erfolg in Hawaii sorgen? Weltmeister Jan Frodeno sagt in der ARD-Dokumentation „Mythos Hawaii - Der härteste Triathlon der Welt“ zu dieser Frage: „Es ist so, dass der Triathlon der deutschen Mentalität irgendwo liegt, dieses strukturierte Training, dass man mit System rangeht.“ Er selbst dreht an jeder noch so kleinen Stellschraube, im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn: So spielt er gerne selbst Fahrradmechaniker und treibt seine Betreuer in den Wahnsinn, wenn er am Vorabend eines Wettkampfs noch an seiner Rennmaschine herumbastelt. Im Windkanal in Japan arbeitet er an einer bis auf den Millimeter ideale Sitzposition und nachts schläft er mit Oropax – wenn „Frodo“ regeneriert, kümmert sich seine Frau um den einjährigen Sohn.

Das scheint zu fruchten: Frodeno gewann in diesem Jahr den Ironman Österreich und die deutsche Meisterschaft über die Mitteldistanz. Herausforderer Patrick Lange gewann den Halb-Ironman auf Rügen, Sebastian Kienle dagegen sieht wenig Hoffnung für einen weiteren Titel: Bei der Halb-Ironman-WM in Chattanooga kam er nicht einmal aufs Siegertreppchen. „Ich glaube, ich habe bessere Chancen im Armdrücken gegen Frodeno als am Samstag“, sagte er bei der Pressekonferenz am Freitag und forderte Frodeno zum Bizepsvergleich auf.

Die Schweizerin Daniela Ryf gilt als Favoritin

Während es bei den Elite-Männern also nach reellen Chancen für den Sieg aussieht und mit Andi Boecherer noch ein vierter Deutscher auf die Lorbeerkrone hofft, kommt aus dem deutschen Frauenlager kaum hoffnungsvoller Nachwuchs. Die deutschen Damen sind eher auf der Olympischen Distanz erfolgreich, die einzige Langdistanz-Aspirantin Julia Gajer beendete dieses Jahr ihre Saison verletzungsbedingt im Juli. Anja Beranek sorgte mit ihrem vierten Platz im vergangenen Jahr für eine Überraschung. Klare Favoritin im Frauenfeld und Kandidatin für ein weiteres Triple ist die Schweizerin Daniela Ryf, wegen ihrer aggressiven Energie auf der Rennstrecke auch „Angry Bird“ genannt.

Ihr Trainer ist der Australier Brett Sutton, der auch die vierfache Hawaii-Siegerin Chrissie Wellington trainierte. Im vergangenen Jahr brach Ryf bereits deren Streckenrekord, jetzt strebt sie eine ähnliche Siegesserie wie die der Britin zwischen 2007 und 2011 an. Die Chancen stehen gut: Die Schweizerin gewann in Chattanooga und hat seit Sommer 2016 ausschließlich Siege zu verzeichnen. Vorjahresdritte Heather Jackson (USA) und die Finnin Kaisa Sali haben ebenfalls Ambitionen auf das Podium, dazu kommen einige bisher wenig bekannte Athletinnen, die Ryf ebenfalls im Blick hat: „Ich habe hier viele neue Konkurrentinnen, die den Renntag mit Sicherheit spannend machen werden“, sagte sie am Freitag.

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