zum Hauptinhalt
Macht sich gerne selbst ein Bild. Philip Craven bei den Paralympics 2016 in Rio de Janeiro.

© dpa

IPC-Präsident Philipp Craven hört auf: Der Mann, der die Paralympics groß gemacht hat

Sir Philipp Craven war der ideale Präsident für die paralympische Bewegung. Weil er materielles Wachstum mit Integrität verband. Ein Kommentar.

Der Präsident eines großen internationalen Sportverbands hört auf – und wird für sein Vermächtnis allseits überschwänglich gelobt. Geht das wirklich noch? Es geht, weil Philip Craven nicht irgendein Präsident ist und das Internationale Paralympische Komitee, kurz IPC, nicht irgendein Verband.
16 Jahre lang führte der Brite das IPC, seitdem stieg die Zuschauerzahl am Fernseher bei den Paralympics von zusammengerechnet 300 Millionen auf 4,1 Milliarden, beim Ticketverkauf katapultierten sich die Spiele unter allen Sportveranstaltungen auf Platz drei hinter Olympia und Fußball-WM, und in der IPC-Zentrale in Bonn arbeiten nicht mehr neun, sondern 100 Menschen in Vollzeit. Auch die Sponsoreneinnahmen sind explodiert, doch all dies verdeutlicht Cravens eigentlich Leistung noch nicht. Schließlich haben auch Joao Havelange und Joseph Blatter die Fifa reich und die Fußball-WM riesig gemacht und Juan Antonio Samaranch hat das IOC in neue Dimensionen geführt. Aber Craven passt nicht in diese Reihe.

Fünf Mal startete er selbst im Rollstuhlbasketball

Der 67-Jährige, selbst fünfmaliger Teilnehmer bei den Paralympics im Rollstuhlbasketball, hat sich eben parallel zum materiellen Wachstum um ein ideelles Gleichgewicht bemüht. Das gipfelte in der Entscheidung des IPC, die russische Mannschaft wegen des systematischen Dopings von den Spielen in Rio im vergangenen Jahr auszuschließen. Mit einem einstimmigen Beschluss. Was das IOC zuvor falsch gemacht hatte, das machte das IPC unter Craven richtig.
Mit seiner integren, gewinnenden Art war Craven der ideale Präsident für die paralympische Bewegung. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der Behindertensport inzwischen mehr über die Leistung als über das Schicksal erzählt wird. "Er ist der Mann, der mit seiner Authentizität, seinem Engagement und seiner weltweiten Anerkennung die paralympische Bewegung vorangebracht hat", sagte Friedhelm Julius Beucher, der Präsident des Deutschen Behindertensportverbands. Die gewonnene Stärke der Paralympics wollte Craven unbedingt erhalten und ausbauen. Auch so ist zu erklären, dass er den Beschluss des Internationalen Leichtathletik-Verbandes einfach so hinnahm, nach dem Athleten mit Prothesen beweisen müssen, dass sie keinen Vorteil haben. De facto ist dieser Beschluss ein K.o. für die Inklusion beim Sport auf höchster Ebene. Athleten mit Prothesen werden nie bei Olympia starten können. Aber Craven setzt eben eher auf „Para-Superstars“, auch wenn der prominenteste Athlet der Paralympics, Oscar Pistorius, menschlich gescheitert ist. Cravens Haltung lässt sich kritisieren, seiner Organisation hat er damit eher gedient.
Am Freitag ist nun in Abu Dhabi Cravens Nachfolger gewählt worden, es ist der Brasilianer Andrew Parsons. Und auch er fand erst einmal große Worte für den bisherigen Präsidenten. „Sir Philip ist eine Legende, ein Mentor, ein absoluter Gigant.“ Auch dank Craven sind die Paralympics heute Höchstleistung mit menschlicher Botschaft.

Zur Startseite