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Rein ins Getümmel. Vedad Ibisevic kennt im Kampf um den Ball keine Verwandten. Heute trifft er mit Hertha BSC auf seine früheren Kollegen vom VfB Stuttgart, der ihn im Sommer mehr oder weniger weggemobbt hatte.

© Reuters

Hertha BSC: Vedad Ibisevic kehrt zum VfB Stuttgart zurück

Vedad Ibisevic kehrt mit Hertha BSC nach Stuttgart zurück – und beim VfB rechnen sie mit dem Schlimmsten. Der im Schwabenland als Ego-Shooter und Abzocker verschriene Stürmer trifft derzeit nach Belieben.

Pal Dardai hat am Mittwochabend der Versuchung widerstanden, sich größer zu machen, als er ist. Erstens ist das sowieso nicht seine Art: Und zweitens hätte ihm das auch niemand abgenommen. Der Trainer von Hertha BSC war nach dem Pokalerfolg beim Zweitligisten Heidenheim auf seinen zweifachen Torschützen Vedad Ibisevic angesprochen worden und dessen Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor. „Das ist eine Qualität“, sagte Dardai. „Dafür ist er geboren. Das hat er nicht von mir.“

Seit einem halben Jahr erst trainiert Dardai den Stürmer aus Bosnien; als Torjäger aber hat sich Ibisevic schon weit früher hervorgetan. Doch dass er jetzt wieder verlässlich das Tor trifft, hat sehr wohl etwas mit Pal Dardai zu tun. Der Ungar war es, der seinem Manager Michael Preetz im Sommer ausdauernd in den Ohren gelegen und sich für die Verpflichtung des 31 Jahre alten Bosniers stark gemacht hat. Der Sinn dieses Wunschs hat sich nicht allen auf Anhieb erschlossen. Ibisevic hatte zu diesem Zeitpunkt seit anderthalb Jahren kein Tor mehr geschossen und beim VfB Stuttgart auch kaum noch gespielt. Heute, ein halbes Jahr später, muss man feststellen: Dardai hat alles richtig gemacht. „Er ist der Stürmer, der uns gefehlt hat", sagt er über Ibisevic. „Vedad kann töten. Das ist ein hartes Wort, aber es ist so.“

In 16 Pflichtspielen für Hertha hat Ibisevic acht Tore erzielt. Das Kuriose daran ist: Er hat bisher immer doppelt getroffen: in der Liga gegen Köln, Hamburg und Darmstadt und jetzt auch im Pokal gegen Heidenheim. Beim VfB in Stuttgart fürchten sie wahrscheinlich schon, dass diese Serie am Samstag (15.30 Uhr, live bei Sky) eine Fortsetzung finden könnte. „Er ist in einer guten Verfassung, und wir wissen natürlich, dass er extrem gefährlich ist“, sagt Stuttgarts Trainer Jürgen Kramny. Schon vor dem Hinspiel im Herbst hatte Mittelfeldspieler Daniel Didavi gescherzt, dass der VfB vermutlich drei Tore schießen müsse, um zu gewinnen – „weil Vedo wahrscheinlich zwei macht“.

Salomon Kalou fällt wegen einer Oberschenkelverletzung aus

Das Paradoxe ist, dass sie in Stuttgart sehr wohl wissen, dass Ibisevic vor dem Tor über eine herausragende Abschlussqualität verfügt und andererseits bewusst auf diese Qualität verzichtet haben. Anders als es den Eindruck gehabt haben mag, hat sich Ibisevic beim VfB nie etwas zuschulden kommen lassen. „Ich war nicht das Problem“, sagt er. In der Vorbereitung auf die laufende Saison hinterließ der Bosnier von allen Stürmern der Stuttgarter sogar den besten Eindruck, trotzdem kam er in keinem einzigen Testspiel zum Einsatz. Das war keine sportliche Entscheidung, sondern eine politische. Ibisevic sollte auf diese Weise noch einmal mit Nachdruck nahegelegt werden, doch bitte den Verein zu wechseln.

Ibisevic ist anders als das Bild, das in Stuttgart von ihm gezeichnet wurde. Am Ende seiner Zeit beim VfB galt er vielen als schwieriger Charakter, als Ego-Shooter und Abzocker, der nur noch seinen gut dotierten Vertrag absitzen will. Im persönlichen Gespräch aber begegnet einem ein zurückhaltender, nachdenklicher, eher leiser Mensch. Nach dem Pokalspiel in Heidenheim hat er alle Versuche abgeblockt, ihn zu seiner Rückkehr nach Stuttgart zu befragen: „Ich bin müde, darüber zu reden.“ Der „Bild“-Zeitung hat er gesagt: „Ich habe keine Rachegefühle, brauche so etwas nicht.“ Er müsse in Stuttgart auch niemandem etwas beweisen.

Im Grunde können ja auch alle Seiten zufrieden sein. Trotz der fetten Millionenabfindung hat der VfB einen Großverdiener von der Gehaltsliste bekommen, Hertha dafür, ohne einen Cent Ablöse, einen treffsicheren Stürmer – und Ibisevic das Gefühl, dass er endlich wieder wertgeschätzt wird. „Andere Leute sollen nicht entscheiden, wann für mich Schluss ist“, sagt er über das frustrierende Ende in Stuttgart, „das mache ich selbst.“ Man muss Ibisevic nur einmal beim Training zuschauen, um zu erkennen, dass er ein natürliches Gespür für Tore besitzt. Zudem hat er mit Salomon Kalou einen Partner, mit dem er sich perfekt ergänzt. Der Ivorer ist der Mann, der genau die Räume erschließt, die Ibisevic als guter alter Strafraumstürmer für sein Spiel gar nicht benötigt.

Die gute Nachricht für den VfB Stuttgart ist: Salomon Kalou wird wegen einer Muskelverletzung im Oberschenkel am Samstag nicht spielen können. Die schlechte Nachricht: Für ihn könnte Julian Schieber zum ersten Mal seit einem Jahr wieder in Herthas Kader stehen. Noch ein früherer Stuttgarter.

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