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Hoch gesprungen. Karim Rekik (oben) und Hertha BSC haben gegen Bilbao gezeigt, dass sie auf internationalem Niveau durchaus mithalten können.

© REUTERS

Hertha BSC: So schnell wie bei Tinder

Hertha BSC zeigte bei dem Date mit dem europäischen Fußball, wie schnell die Berliner zur Sache kommen können.

Die modernen Kommunikationsmittel haben längst sämtliche Lebensbereiche erfasst; selbst das Anbahnen zwischenmenschlicher Beziehungen hat sich massiv verändert und radikal beschleunigt. Blickkontakt, der richtige Spruch zur richtigen Zeit, der Anruf im passenden Moment – das alles war einmal. Heute wischt man sich auf dem Smartphone durch das entsprechende Angebot, und wenn alles passt, kann es mit dem ersten Date ganz schnell gehen. Auch Hertha BSC hatte am Donnerstagabend eine wichtige Verabredung, und es hat tatsächlich gefunkt. Aber so schnell wie bei Tinder ging es für die Berliner eben doch nicht. „Diese Kennenlernphase war nicht ganz gut von uns“, hat Trainer Pal Dardai nach dem Auftakt in der Europa League gesagt.

Ja, Hertha war bei diesem Date mit dem europäischen Fußball ein bisschen nervös, die Füße zitterten, die Hände schwitzten – und manchmal schauten die Berliner verschämt zu Boden, anstatt dem Gegenüber frech in die Augen zu blicken. Man könnte auch sagen: Hertha verhielt sich vollkommen normal.

„Das war ein bisschen zu viel Respekt“, sagte Dardai. Knapp 20 Minuten brauchten seine Spieler gegen Athletic Bilbao, um ihre Scheu abzulegen – und ungefähr noch einmal so lange, um endlich richtig ranzugehen. „Da muss man sich erst mal rantasten am Anfang“, sagte Herthas Linksverteidiger Marvin Plattenhardt. „Aber ich glaube, dass wir das in der zweiten Halbzeit komplett umgedreht haben.“

In der Anfangsphase musste man sich tatsächlich ein bisschen Sorgen machen um die Berliner. „Wir waren bedacht, keinen Fehler zu machen, hatten ein bisschen Respekt“, sagte Innenverteidiger Sebastian Langkamp. Es war nicht schwer, die Mannschaft zu identifizieren, die schon häufiger auf diesem Niveau gespielt hat. Bilbao ist regelmäßig im europäischen Fußball vertreten, die Mannschaft begann entsprechend forsch und so entschlossen, dass Hertha in der ersten Viertelstunde kaum einen vernünftigen Angriffszug zustande brachte. „International – das ist neu für uns“, sagte Dardai.

Europacup-Neulinge tun sich traditionell schwer

Es war weniger beachtlich, dass Hertha beim ersten richtigen Europapokalspiel seit siebeneinhalb Jahren Probleme hatte; beachtlich war eher, wie schnell Hertha diese Probleme in den Griff bekam. Viele deutsche Mannschaften haben in den vergangenen Jahren deutlich größere Schwierigkeiten gehabt. Die Intensität des Europapokals wird hierzulande gerne unterschätzt; vor allem in der Europa League, die ja als eher minderwertiger Wettbewerb gilt. Hey, wir sind die Bundesliga, die Liga des Weltmeisters!

Wer so denkt, hat oft schon verloren.

Borussia Dortmund ist 2011 Deutscher Meister geworden, in derselben Saison in der Europa League allerdings schon in der Vorrunde ausgeschieden.Borussia Mönchengladbach kam beim Europa-League-Debüt vor fünf Jahren nicht über ein 0:0 bei AEL Limassol hinaus. Der SC Freiburg spielte 2013 zum Auftakt 2:2 gegen Slovan Liberec – nach einer 2:0-Pausenführung. Der FC Augsburg verlor sein erstes Europapokal-Heimspiel gegen Partizan Belgrad vor zwei Jahren 1:3. Und die TSG Hoffenheim wird bei ihrem Debüt in der Europa League vermutlich auch nicht mit einer Heimniederlage gegen Sporting Braga, den Vorjahresfünften der portugiesischen Liga, gerechnet haben. So war Hertha am Donnerstag der einzige deutsche Klub, der zumindest einen Punkt holte.

„Wir können stolz sein auf unsere Fahne“, sagte Trainer Dardai. Herthas Trainer war nach dem 0:0 sogar „einen Tick enttäuscht, weil die zweite Halbzeit so war, dass man gewinnen kann“. Von außen wirkte es, als hätte der Ungar seine Mannschaft in der Pause noch einmal neu justiert und sie in einer flammenden Rede zu mehr Mut angestachelt. Aber dem war offensichtlich gar nicht so. „Wir haben einfach auf dem Platz gespürt, dass da mehr geht“, sagte Kapitän Vedad Ibisevic. So ähnlich hatte es auch Mitchell Weiser empfunden: „Wir haben ein bisschen gebraucht, um reinzufinden. Für viele Spieler war es schließlich das erste Mal“, sagte er. „Aber von Minute zu Minute haben wir gemerkt, was möglich ist.“

Duda spielte länger als bei allen bisherigen Einsätzen zusammen

Geradezu prototypisch war der Auftritt des Slowaken Ondrej Duda. Im Sommer 2016 hat Hertha den Mittelfeldspieler verpflichtet, am Donnerstag, knapp 15 Monate später, stand der 22-Jährige erstmals in der Startelf. Gegen Bilbao blieb er bis zum Schlusspfiff auf dem Platz – und spielte damit länger als in all seinen bisherigen Einsätzen für Hertha zusammen. Duda war einer von fünf Neuen im Team. „Wir mussten uns zuerst ein bisschen finden“, sagte Fabian Lustenberger, der wie Torhüter Thomas Kraft und Peter Pekarik gegen Athletic zu seinem Pflichtspieldebüt in dieser Saison kam.

Auch Duda musste sich erst finden. „Das Gefühl am Ball“ war anfangs nicht so, wie es sein sollte, „aber mit jeder Minute wurde es besser“. Je mehr Sicherheit er gewann, desto leichter wirkte sein Spiel. „Wir haben ihn nicht umsonst geholt“, sagte Dardai. „Genau diese Pässe, genau diese Spielweise haben hier gefehlt.“

So trug auch Ondrej Duda zu einem Auftritt bei, von dem Sebastian Langkamp später sagte: „Es war unser bestes Saisonspiel.“ Als impulsiv und sehr leidenschaftlich empfand er die eigene Mannschaft, nachdem sie ihre Zurückhaltung abgelegt hatte. Das blieb auch dem Gegner aus dem Baskenland nicht verborgen. Langkamp unternahm bei Bilbaos Spielern mit seinem rudimentären Spanisch diverse Annäherungsversuche. Sie blieben unerwidert. „Die waren alle in ihrem Tunnel“, sagte er. „Und ein bisschen angefressen.“

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