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Zum Verzweifeln. Hertha-Angreifer Davie Selke in Bilbao.

© dpa

Hertha BSC: Nach Europa ist vor Köln

Hertha BSC fehlt es international an Erfahrung und Abgezocktheit. Jetzt müssen sich die Berliner voll auf die Liga konzentrieren

Der 27. Mai 2017 war ein guter Tag für Hertha BSC. Durch den Sieg von Borussia Dortmund im Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt im Olympiastadion war für die Berliner der Weg frei nach Europa. Hertha qualifizierte sich als Bundesliga-Sechster direkt für die Europa League – die lästige Qualifikation, an der die Berliner im Jahr zuvor noch gescheitert waren, blieb ihnen erspart. Pal Dardai, Herthas Trainer, war damals mächtig stolz. Für seine Mannschaft werde das eine großartige Erfahrung sein.

Acht Jahre lang war Hertha zuvor nicht mehr dabei gewesen, wenn sich allerhand europäische Mittelklasse-Klubs unterhalb der Elite der Champions League duellieren.
Die Marketingabteilung des Klubs überschlug sich damals förmlich. „Wir gratulieren Europa zu Berlin“ – dieser Slogan sollte das Team durch die Europa League tragen. Am Ende aber wohl anders als gemeint, jedoch bedanken sich einige Teams aus Europa bei den Berlinern –für die großzügige Überlassung der Erfolge. Am Donnerstagabend endete die kleine Reise für Hertha mit einer 2:3-Niederlage in der baskischen Stadt Bilbao. Nach fünf der sechs Gruppenspielen steht fest, dass es Schluss sein wird mit Europa noch bevor der Winter kommt.

Einen Tag nach Nikolaus schaut noch einmal die Mannschaft von Östersunds FK aus Mittelschweden im Olympiastadion vorbei, dann war es das mit der Europa League für die Mannschaft von Pal Dardai. Der Östersunds Fotbollsklubb, der im Heimstadion auf Kunstrasen spielt und von allen 48 an der Europa League teilnehmenden Teams den schwächsten Quotienten besaß, hat vorzeitig die Zwischenrunde erreicht.

Nach der Auslosung war man enttäuscht über die unattraktiven Gegner - keine auch nur annähernd großen Namen. Man tröstete sich damit, dass man wenigstens eine sehr gut machbare Gruppe erwischt hatte. Das Ende vom Lied: Außer Spesen nichts gewesen.

schreibt NutzerIn Klio

Das war auch das Ziel der Berliner, gerade weil die Auslosung einiges versprach. Wenn man nicht überwintere in Europa, sagte Pal Dardai vor ein paar Tagen, dann sei seine Mannschaft noch nicht so weit. Ein wenig wird er sich am Abend in Bilbao an seine Worte erinnert gefühlt haben. Zwar führte seine Mannschaft zur Halbzeit durch ein mit Wucht und Dynamik herausgeschossenes 2:1, doch nach der Pause war sie der Aggressivität und dem Draufgängertum der Basken nicht mehr gewachsen. „In der wichtigsten Phase haben wir es nicht hingekriegt. Wir haben keine Ruhe mehr reinbekommen“, sagte Dardai vor dem nächtlichen Rückflug nach Berlin.

Es waren zum Teil lausige Leistungen, die Hertha anbot

Die Berliner sind nach ihrer vielleicht herzeigbarsten Leistung ausgeschieden, was bei mageren vier Punkten aus fünf Gruppenspielen gleichfalls sagt, wie schwach sie in den übrigen Spielen waren. Es waren zum Teil lausige Leistungen, die Hertha anbot, gerade in Östersund und in Lemberg gegen Luhansk. Das letztlich enttäuschende internationale Abschneiden sollte die Berliner, die in den Jahren ihrer europäischen Abstinenz zwei Ehrenrunden in der Zweiten Liga drehten, nicht aus den Schuhen hauen. Eine Schande ist es nicht, obwohl Östersund und Luhansk zu schlagen gewesen wären – beides Mannschaften, die fußballerisch in Europa bisher nicht großartig aufgefallen sind. Womöglich hätten sie es in der Bundesliga schon sehr schwer.

Aber das hat Hertha momentan ja auch. Nach zwei sehr ordentlichen Spielzeiten unter Trainer Pal Dardai, einem siebten und einem sechsten Platz in der Endabrechnung, sind die Berliner in diesem Herbst ins Straucheln geraten. Platz 14 ist nicht das, was man sich vorgestellt hat. Im Sommer hatte Hertha wegen der Mehrbelastung durch den Europapokal durchaus vorsichtig einen Platz in den Top Ten als Saisonziel ausgegeben.

Auch ohne Mehrbelastung wird es für die Berliner künftig nicht leichter werden, wieder in die Nähe der internationalen Plätze zu kommen. Hertha hatte wie der 1. FC Köln, bei dem die Berliner am Sonntag antreten müssen, auch deswegen die Europa League erreicht, weil andere Klubs wie Schalke, Mönchengladbach, Wolfsburg oder Leverkusen patzten. „Unsere junge Mannschaft ist nicht erfahren. Wir waren acht Jahre international nicht dabei“, sagte Dardai. „ Die Jungs holen sich gerade die Erfahrung.“

Tatsächlich dürfte darin der eigentliche Gewinn für Hertha liegen, dass junge, begabte Spieler wie Arne Maier (18), Valentino Lazaro (21), Davie Selke (22) oder Maximilian Mittelstädt (20) mal ein Gespür dafür bekommen haben, was international so abgeht. „Jetzt heißt es: Kopf hoch und volle Konzentration auf die Liga“, sagte Mittelstädt. Hertha sollte das Positive mitnehmen: Die Erkenntnisse und Erfahrungen, die internationale Vergleiche mit sich bringen. Das kann auch in der Liga helfen. Nur den Slogan sollte Hertha vielleicht noch einmal überdenken.

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