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Ordentlich Schieflage. Paul Drux und die Füchse Berlin erlebten am Ende einer erfolgreichen Hinrunde ein Debakel gegen Andy Schmid und die Rhein-Neckar Löwen. Foto: Uwe Anspach/dpa

© dpa

Handball-Bundesliga: Füchse Berlin: Wie die Doppelgänger

Die Füchse Berlin beenden die Hinrunde mit einer Enttäuschung – und haben trotzdem noch alle Chancen für die Rückrunde.

Silvio Heinevetter hatte richtig miese Laune, und die Aussichten am Donnerstagabend wurden einfach nicht besser. „Das wird eine sehr lange Busfahrt“, sagte der Torhüter der Füchse Berlin nach der 23:37-Klatsche im Bundesliga-Spitzenspiel bei den Rhein-Neckar Löwen. Auf den gut 600 Autobahn-Kilometern von Mannheim nach Berlin dürften die Profis durchaus die Frage diskutiert haben, warum sie nicht lieber gleich daheim geblieben sind an diesem gebrauchten Abend. Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen präsentierten sich die Berliner so wehr-, kraft- und mutlos, dass man ihnen bestenfalls physische Anwesenheit attestieren konnte. Steckten da tatsächlich die Spieler in den grün-weißen Trikots, deren Name auch hinten auf dem Rücken stand? Oder waren es billige Doppelgänger? Letzterer Verdacht lag verdammt nahe.

Heinevetter wies bei aller berechtigten Enttäuschung darauf hin, „dass wir jetzt nicht den Fehler machen dürfen, auf die Mannschaft draufzuhauen“, dafür sei das Jahr 2017 und insbesondere das zweite Halbjahr viel zu gut gelaufen. Die Statistik bestätigt den Nationaltorhüter: Nie zuvor in ihrer Vereinsgeschichte haben die Füchse eine Bundesliga-Hinrunde so erfolgreich abgeschlossen wie in dieser Saison, nämlich auf Tabellenplatz zwei, ausgestattet mit allen Möglichkeiten. Am Donnerstagabend war das jedoch ein schwacher Trost, ebenso wie der zur Ehrenrettung nicht ganz unerhebliche Umstand, dass die Füchse ohne ihren besten Angreifer und ohne ihren besten Verteidiger auskommen mussten; Torjäger Petar Nenadic fehlte gesperrt, Abwehrchef Jakov Gojun wegen einer Rippenprellung. Andererseits wird Nenadic ab Februar ohnehin nicht mehr zur Verfügung stehen, weil er dann nach Veszprem wechselt. Insofern war das Spitzenspiel gegen die Löwen auch eine Art Generalprobe für die Zeit nach dem großartigen Spielmacher aus Bosnien. Sie ging richtig in die Hose.

Überhaupt wird es spannend zu beobachten sein, wie die Mannschaft von Trainer Velimir Petkovic mit den neuen Gegebenheiten im neuen Jahr umgeht. Dann steigen die Füchse ihrerseits in den Europapokal-Wettbewerb ein, durch die Teilnahme am EHF-Pokal wird die Belastung für die Profis um ein Vielfaches steigen. „Bislang war es ein großer Vorteil für uns, dass wir im Gegensatz zum THW Kiel, der SG Flensburg-Handewitt und den Rhein-Neckar Löwen nur in der Bundesliga und nicht alle paar Tage in der Champions League spielen mussten“, sagt Rechtsaußen Hans Lindberg, mit 36 Jahren einer der erfahrensten Spieler im Füchse-Kader. „Wenn man so viel reist wie diese Teams, nimmt das natürlich Einfluss auf die körperliche Leistungsfähigkeit“, betont der Däne, der 2013 mit dem HSV Handball die Champions League gewann. „Und in den letzten Jahren ist es noch einmal schlimmer geworden als zu meinen Hamburger Zeiten.“

Vor ein paar Wochen etwa erlebten die Rhein-Neckar Löwen eine besonders bizarre Situation; an einem Donnerstagabend spielte der amtierende Deutsche Meister beim SC DHfK Leipzig, keine 48 Stunden später, am Samstagnachmittag, mussten die Mannheimer in der Champions League beim FC Barcelona antreten. „So eine krasse Situation hatten wir in dieser Saison noch nicht“, sagt Lindberg. Für die Löwen folgten zwei mehr oder minder überraschende Niederlagen in Melsungen und Göppingen. „Da sind ihnen wahrscheinlich einfach die Kräfte ausgegangen“, sagt Lindberg.

Eine weitere Unwägbarkeit mit Blick auf das neue Kalenderjahr ist die Europameisterschaft vom 12. bis 28. Januar. Für das Turnier in Kroatien stellen die Berliner Stand heute mindestens ein Dutzend Spieler ab, die binnen kürzester Zeit zahlreiche Spiele auf höchstem internationalen Niveau absolvieren müssen. Auch Lindberg wird mit seinen 36 Jahren dabei sein. „Ich hoffe, dass wir alle gesund von der EM zurückkommen“, sagt er, „alles andere will ich mir gar nicht ausmalen.“

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