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Am liebsten nur den Ball im Blick. Marvin Plattenhardt geriet am Wochenende unverschuldet in politische Diskussionen.

© dpa

Fußball und Politik: AfD löscht Plattenhardt-Foto

Hertha BSC erwirkt eine Einstweilige Verfügung vor dem Landgericht. Doch das Beispiel AfD und Marvin Plattenhardt zeigt: Parteien nutzen die Popularität des Fußballs gern.

Der Ball ist immer noch rund, aber er rollt nicht mehr. Jedenfalls nicht bei der Berliner Sektion der selbsternannten „Alternative für Deutschland“, von der bis zum Wochenende kaum jemand wusste, dass sie einen sportpolitischen Sprecher hat. Auf dem parteieigenen Twitterkanal widmet sich die Berliner AfD wieder ihrem Kerngeschäft, das da heißt: verarmte Rentner, migrantische Kriminalität, linke Bildungsexperimente.

Man muss schon ein Weilchen herunterscrollen, um einen indirekten Hinweis auf das Foto der vergangenen Tage zu finden. Es ist das Faksimile einer Tagesspiegel-Seite, sie trägt die Überschrift „Blau-weiße Grauzone“ und dazu den Hinweis der AfD: „Harmlose Fotos von demokratischen Volksvertretern mit Sportlern verursachen mehr Medieninteresse als das Staatsversagen von RotRotGrün.“

Das nur auf den ersten Blick harmlose Foto zeigte in trauter Harmonie jenen bis dahin unbekannten sportpolitischen Sprecher mit Marvin Plattenhardt, der am Samstag das Siegtor für Hertha BSC gegen Borussia Dortmund erzielt hatte und von dem auch die AfD ein bisschen profitieren wollte. Plattenhardt und Hertha fühlten sich instrumentalisiert und erwirkten am Mittwoch vor dem Landgericht Berlin eine Einstweilige Verfügung. Die AfD hat den Eingang bestätigt. Am Donnerstag wurde das Foto auf Twitter dann gelöscht.

Der Sprecher der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Ronald Gläser, sagte dazu: "Wir dürfen das Foto nun zunächst nicht mehr zeigen. Die AfD-Fraktion wertet diesen Vorgang politisch als einen Versuch, unsere demokratisch gewählten Abgeordneten gesellschaftlich auszugrenzen." Gläser ergänzte: "Die AfD-Fraktion behält sich vor, nach Prüfung der Einstweiligen Verfügung den weiteren Rechtsweg zu beschreiten."

Das Foto mit Plattenhardt war jedoch nicht das erste Mal, dass die Rechtspopulisten in Herthas Fahrtwind um Aufmerksamkeit buhlten. Ein ähnlicher Tweet mit Stürmer Salomon Kalou blieb unbeanstandet, weil unbemerkt. So verhielt es sich auch vor einem Jahr mit einer Bemerkung des Berliner AfD-Statthalters, er sehe seine Partei genauso wie Hertha: attraktiv, erfolgreich und aus Berlin.

Der Fußball war noch nie unpolitisch

Das Problem ist ein grundsätzliches und reicht über die Stadt hinaus. Der Fußball war trotz aller gegenteiligen Behauptungen noch nie unpolitisch, er kann es gar nicht sein wegen des überragenden Interesses der Bevölkerung an allem, was die Helden in kurzen Hosen so anstellen. Bessere Multiplikatoren lassen sich schwerlich finden.

Doch während der Kampf gegen Rassismus und Rechtsradikalismus nicht zuletzt durch regelmäßige Kampagnen der DFL allgemeiner Konsens in der Bundesliga ist, stehen politische Äußerungen von Fußballprofis ganz weit oben auf dem Index. Als Hakan Calhanoglu sich im Januar an einer Aktion zur Unterstützung des von Recep Tayyip Erdogan geplanten türkischen Präsidialsystems beteiligte und in diesem Sinne in einem Video auf Twitter eine „größere Türkei“ pries, da reagierte sein Verein ganz und gar nicht erfreut. Bayer Leverkusen ließ den türkischen Nationalspieler wissen, dass „Äußerungen politischer Art problematisch sein können“.

Calhanoglu gab sich reumütig und schweigt seitdem. Anders als der früher auch mal bei Hertha BSC beschäftigte Änis Ben-Hatira, der öffentlich für die „Ansaar International“ warb, eine islamistische Organisation, die wegen ihrer Nähe zu Salafisten unter Beobachtung des Verfassungsschutz steht. Da der Profi auch nach mehrfachen Hinweisen seines Klubs Darmstadt 98 nicht von seinem Engagement lassen mochte, trennten sich beide Seiten vor ein paar Wochen.

Fußball ist Fußball, Politik ist Politik – nach dieser Maxime scheinen sich die Bundesliga-Profis und ihre Vereine zu richten. Früher gehörte es zur Folklore, dass Spieler wie Jürgen Klinsmann (SPD), Berti Vogts (CDU) oder Uli Hoeneß (CSU) offen politische Positionen bezogen. Heute ist die Zahl verschwindend gering. Christoph Metzelder etwa trat 2006 in die CDU ein und warb kurz nach seinem Karriereende 2013 in einem Video für die Wiederwahl Angela Merkels. Mit seiner Mitgliedschaft bei den Christdemokraten sei er allerdings „nicht hausieren gegangen“, sagte Metzelder in einem Interview mit der „Mainpost“. „Solange ich aktiv war, hat das niemand erfahren.“

Herrscht bei Hertha unausgesprochen eine Große Koalition?

Die Politik gibt sich offiziell zurückhaltend. „Die meisten Politikerinnen und Politiker sind Fußballfans wie alle anderen Fans auch“, sagt der Stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner und verweist doch darauf, dass „meine Besuche im Stadion rein privaten Charakter haben. Mir geht es dabei natürlich nicht um parteitaktisches Kalkül, sondern um pure Begeisterung für den Fußball und die eigene Mannschaft.“ In seinem Falle sei es der Hamburger SV.

Und bei Hertha BSC? Herrscht wohl unausgesprochen eine Große Koalition. Der SPD-Ortsverein Neu-Westend rief in der jüngeren Vergangenheit öfter gemeinsam mit Hertha zum gemeinsamen Müllsammeln rund um das Olympiastadion auf. Manager Michael Preetz war vor Jahren mal auf einem Wahlplakat der CDU, gemeinsam mit dem Brandenburger Abgeordneten Uwe Bartsch, der Herthas Kooperationspartner FSV Bernau vorstand. „Verbundenheit” stand auf dem Plakat, was Hertha dann doch ein wenig zu viel politischen Interpretationsspielraum bot, so dass das Plakat nicht allzu lange zu sehen war.

Herthas Ersatztorwart Thomas Kraft ist eine der wenigen Ausnahmen. „Ich bin schon immer ein Fan der CDU“, sagte Kraft zur Bundestagswahl 2013 der „Morgenpost“. Auch in der Hertha-Kabine werde über Politik geredet, und natürlich wisse er bei einigen Kollegen, welche Partei sie wählen. Im Falle des Verteidigers Marvin Plattenhardt dürfte es eher nicht die AfD sein.

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