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Velimir Petkovic, 61, ist seit zehn Monaten Trainer in Berlin. Zuvor betreute er in der Bundesliga bereits Wetzlar und Eisenach. Mit Göppingen, dem Füchse-Gegner am Donnerstag (19 Uhr/Sky), gewann er zweimal den EHF-Cup.

© dpa

Füchse-Trainer im Interview: Velimir Petkovic: "Ich gebe viel – und ich erwarte viel"

Velimir Petkovic über seine Trainingsmethoden, Einzelgespräche beim Bier und die Erfolgsaussichten des Tabellenführers der Handball-Bundesliga.

Herr Petkovic, haben Sie ein Laptop?

Natürlich, warum fragen Sie? Wollen Sie mir etwa eins verkaufen?

Nein, nein. Aber im Fußball wird ja kaum mehr ohne Computer gearbeitet, es gibt die sogenannten Laptop-Trainer. Wie ist das im Handball?

Videoanalyse gehört seit Jahren dazu, früher habe ich noch VHS-Kassetten zusammengeschnitten. Aber diese Analyse ist in erster Linie für mich als Trainer wichtig, nicht für meine Spieler. Wenn ich zwei Stunden Videos zeige, schlafen die ja ein. Ich muss etwas entdecken, eine Schwäche beim Gegner, die wir ausnutzen können. Etwas Kleines, das man üben und gut umsetzen kann. Wenn man zu analytisch und detailversessen ist, kann man Spieler auch durch zu viele Informationen oder Videos belasten. Das ist natürlich nicht Sinn der Sache.

Mit 61 Jahren sind Sie der älteste Trainer der Handball-Bundesliga. Inwiefern hat sich Ihre Arbeitsmethodik in den letzten Jahren verändert?

Früher war ich viel, viel lauter. Das ist mein Temperament, mein Charakter. Ich lebe Handball, ich lebe jedes Spiel mit meinen Jungs. Mittlerweile bin ich aber ein bisschen ruhiger geworden. Ich gebe viel, und ich erwarte viel. Aber wenn ich sehe, dass jemand nichts zurückgibt, dann haben wir ein Problem, dann werde ich richtig laut. Unterschiedliche Tonlagen drauf zu haben, ist enorm wichtig, wenn du als Trainer ernst genommen werden willst.

Füchse-Manager Bob Hanning hat Sie kürzlich gelobt wie selten einen Trainer zuvor. Sie hätten den Laden wirklich im Griff, würden herausragende Arbeit leisten mit großer Empathie. Wie schätzen Sie selbst Ihren Draht zu den Spielern ein?

Ich denke, dass man sich als Trainer um viel mehr als nur das rein sportliche Geschehen kümmern muss. Ich bin Coach, Motivator, Psychologe und Moderator zugleich, das ist der Anspruch.

Wie setzen Sie das um?

Es klingt vielleicht simpel, aber ich führe viele Einzelgespräche – ganz egal, ob es gerade gut oder schlecht läuft. Dann setzen wir uns hin, trinken einen Kaffee oder auch mal ein Bier. Wir unterhalten uns über alles, auch über private Sachen. Dadurch bekomme ich viele Informationen, ich kenne die Probleme meiner Jungs. Wenn jemand größere Sorgen hat, kann ich nicht streng mit ihm sein oder schreien. Wenn ein Spieler sieht, dass ich offen bin und Verständnis für ihn habe, spricht ihn das an und motiviert ihn.

Manche Füchse-Spieler wirken wie verwandelt, seit Sie verantwortlich sind. Spielmacher Petar Nenadic spielt zum Beispiel deutlich disziplinierter und mannschaftsdienlicher. Was haben Sie mit ihm gemacht?

Als ich hier ankam, haben alle gesagt: Petar ist ein schwieriger Typ. Aber wir haben eine phänomenale Beziehung. Ich kenne seinen Vater seit über 40 Jahren, Petar selbst seit er ein kleiner Junge war. Er ist ein genialer Spieler, den man nicht komplett verbiegen kann. Manchmal braucht er aber ein bisschen Nachhilfe, einen Tritt in den Hintern sozusagen. Alle Trainer in der Bundesliga wären froh, wenn sie so einen außergewöhnlichen Mann hätten. Er ist immer mit Herz und Seele dabei, dafür liebe ich ihn.

Können Sie das sagen, ohne dass sich andere Spieler auf den Schlips getreten fühlen?

Aber natürlich! Wenn ein Trainer behauptet, alle Spieler seien gleich für ihn, ist das doch eine glatte Lüge. Wie können, um nur ein Beispiel zu nennen, ein A-Junior und ein gestandener Nationalspieler gleich sein? Jeder muss sich seinen Kredit verdienen, von dem er dann auch eine Weile zehren kann. Schließlich kann jeder mal einen schlechten Tag erwischen, und was soll ich dann machen? Sauer und nachtragend sein? Schreien? Das funktioniert doch nicht.

Die wenige Einsatzzeit der Nachwuchsspieler war einer der Punkte, an denen ihr Vorgänger, der Isländer Erlingur Richardsson, gescheitert ist. Manager Hanning kritisierte immer wieder, dass die Talente nicht genügend Spielpraxis bekommen. Mischt er sich bei Ihren Entscheidungen ein?

Vor meinem Wechsel nach Berlin haben wir lange gesprochen und uns ausgetauscht, er hat seine Philosophie erläutert, ich meine. Ich hatte mich vorher natürlich mit den Füchsen beschäftigt und wusste, dass die Entwicklung der Junioren-Spieler eine elementare Rolle für den Verein spielt. Letzte Saison war Bob noch unzufrieden mit ihren Einsatzzeiten, aber ich habe ihm gesagt: keine Sorge, du kannst ganz ruhig bleiben. Bisher habe ich keinen Verein verlassen, ohne etwas hinterlassen zu haben. Ich habe viele Spieler ausgebildet, die später eine gute Karriere gemacht haben. Bob ist dann auch ruhig geblieben – und jetzt ist er richtig begeistert über Spieler wie Kevin Struck, die mit 20 Jahren in der Bundesliga Akzente setzen können.

Steffen Fäth ist noch so einer, der unter Ihrer Verantwortung aufgeblüht ist und endlich die Leistungen zeigt, die man von ihm aus der deutschen Nationalmannschaft kennt.

Das ist auch eine Frage der Mentalität, er konnte ja das Handballspielen nicht verlernt haben. Als ich in Berlin anfing, wäre er nie mit dem Kopf durch die Wand gegangen. Jetzt ist er richtig da, in herausragender Form, und gibt alles für die Mannschaft. Er hat seine Einstellung geändert und geht dorthin, wo es wehtut, deshalb auch die Leistungsexplosion. Ich finde es wirklich schade, dass Steffen am Saisonende zu den Rhein-Neckar Löwen wechselt. Aber vielleicht gibt es ja noch ein Hintertürchen, wie wir ihn in Berlin halten können, keine Ahnung. Heutzutage ist es ja modern, dass Spieler ihre Meinung kurzfristig ändern.

Bleibt Ihnen bei so viel Engagement und dem engen Spielplan überhaupt noch Zeit für andere Sachen? Wie entspannen Sie?

Ich lese gern, vor allem über politische und historische Themen. Im Moment beschäftige ich mich mit einem Buch über Erich Honecker, eine Biografie. Die habe ich geschenkt bekommen, als ich in Eisenach gearbeitet habe. Das Buch stand dann eine Weile im Schrank, aber jetzt habe ich es mir vorgenommen.

Sie sind jetzt seit zehn Monaten in Berlin und haben lange Zeit allein, also ohne Ihre Frau gewohnt. Was macht der Familiennachzug?

Meine Frau bereitet gerade den Umzug aus Göppingen nach Berlin vor, am Montag kommen die Möbel. Und dann kann ich endlich sagen: Jetzt bin ich auch ein richtiger Berliner.

Sportlich sind Sie ja hier schon angekommen. Sie haben die Füchse sogar an die Tabellenspitze geführt. Was ist da in dieser Saison möglich?

Da fragen Sie mich am besten nochmal, wenn wir alle Spitzenteams gespielt haben. Auf jeden Fall haben wir die Qualität, jeden Gegner zu schlagen, ob nun zuhause oder auswärts. Aber bisher sieht es wirklich gut aus. Wir dürfen nur nicht wieder so einen Mist bauen wie in der Rückrunde der letzten Saison, als wir zuhause gegen Abstiegskandidaten verloren haben. Ich glaube aber, dass wir in dieser Saison schon deutlich stabiler geworden sind, gerade in der Abwehr. Wir haben gesagt, wir wollen eine Berliner Mauer bauen, die schwer zu überwinden ist.

Das würde Erich Honecker wahrscheinlich gefallen.

Stimmt, allerdings.

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