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Pep und Guardiola. Der Autor hat im Fußballtrainer zwei verschiedene Persönlichkeiten gefunden.

© AFP

Früherer Trainer des FC Bayern München: Wie tickt Pep Guardiola?

Dank seines exklusiven Zugangs entschlüsselt Marti Perarnau den früheren Trainer des FC Bayern in seinem "Deutschland-Tagebuch".

Die Geschichte mit den Salzstreuern und Wassergläsern ist inzwischen in den Mythenschatz des deutschen Fußballs eingegangen. Pep Guardiola und Thomas Tuchel saßen im Schumann’s in München und spielten mit Salzstreuern und Wassergläsern taktische Systeme nach. Dass beide Trainer, die in der vergangenen Saison mit Bayern München und Borussia Dortmund erbitterte Konkurrenten waren, sich gegenseitig schätzen, ist seitdem allgemein bekannt. Wie weit die Wertschätzung reicht, kann man in „Pep Guardiola – das Deutschland-Tagebuch“, Marti Perarnaus zweitem Buch über den ehemaligen Trainer der Bayern, nachlesen.

Im Herbst 2015 traf Tuchel erstmals mit dem BVB auf Guardiola und die Bayern. Es wurde eine sehr schmerzhafte Begegnung: Die Dortmunder, erster Verfolger der Münchner, verloren 1:5. Doch als Tuchel sich spät am Abend von Guardiola verabschiedete, fragte er, ob man sich nicht in der nächsten Woche mal zum Essen treffen könne. Zwei Tage später saßen beide wieder zusammen – um den jeweils anderen gewissermaßen auszuhorchen, mit welchen taktischen Überlegungen er in das Spitzenspiel gegangen war.

Was für eine Geschichte! „Der Trainer des Tabellenersten traf den Trainer des Tabellenzweiten privat, um sich wenige Stunden nach dem Kräftemessen auf dem Platz auszutauschen wie Schachspieler nach ihren Partien“, schreibt Perarnau. Weder Guardiola noch Tuchel hätten eine Scheu, dem anderen ihre Gedanken zu offenbaren. Die Geschichte war bisher – anders als die mit den Salzstreuern und Wassergläsern – noch nicht bekannt. Dass Perarnau sie erstmals erzählt, ist kein Zufall. Der ehemalige Leistungssportler, Journalist und Schriftsteller aus Barcelona hat zu Guardiola in dessen Münchner Zeit einen derart exklusiven Zugang besessen, von dem deutsche Journalisten nicht einmal zu träumen gewagt hätten. Schon in seinem Buch „Herr Guardiola“ über das erste Jahr des Katalanen in München war er näher am Trainer der Bayern als jeder andere. Sein neues Werk ist nun gewissermaßen die abschließende Bilanz der deutschen Phase in Guardiolas Schaffen.

Perarnau hat kein Problem, die Rolle des Hofschreibers einzunehmen. Im Gegenteil: Er gefällt sich sogar darin. Perarnau ist entschieden parteiisch (zum Beispiel in der Auseinandersetzung zwischen Guardiola und Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt), und schon nach 15 (von 415) Seiten geht einem der lobhudelnde Ton gehörig auf den Keks. Die Grenze zum schwülstigen Melodram wird gelegentlich überschritten, wenn etwa Philipp Lahm mit den Worten zitiert wird: „Wir unterstützen dich, Pep. Auf Leben und Tod.“ Aber die Nähe zum beschriebenen Objekt ist nicht nur eine entscheidende Schwäche dieses Buchs, sie ist zugleich seine größte Stärke. So nah ist man Guardiola und vor allem seinen Ideen nie zuvor gekommen.

Dank Perarnau weiß man jetzt, wie Guardiola wirklich tickt, wie er arbeitet, wie er den Gegner seziert, sein eigenes Team minutiös auf jedes Spiel vorbereitet, wo er seine Inspiration herholt. Für Perarnau ist Guardiola zugleich Künstler und Rationalist: „In seinem Innern wohnen zwei Personen: Pep und Guardiola.“ Talent und Können sind ihm weniger wichtig als Hingabe. Einen „Romantiker der Vernunft“ hat ihn mal jemand genannt.

Der Guardiola, der die Bayern im Sommer verlassen hat, ist ein anderer als der, der vor drei Jahren gekommen war. Auch der Fußball, den er in München hat spielen lassen, war ein anderer als der aus seiner Zeit beim FC Barcelona – und bei Manchester City wird es wieder ein anderer sein. „Deutschland hat Guardiola tiefgreifend verändert“, schreibt Perarnau. „Guardiolas Orthodoxie besteht darin, nicht orthodox zu sein. Seine wahre Philosophie ist die Veränderung.“

In seiner Struktur mutet das „Deutschland-Tagebuch“ wie eine wissenschaftliche Arbeit an; in Wirklichkeit aber muss man es wie einen Entwicklungsroman lesen: Guardiola hat die Bayern geprägt, aber auch die Bayern haben Guardiola geprägt. In Barcelona habe er sich, so Perarnau, durch seine Überzeugungskraft durchgesetzt, in Deutschland durch seine Anpassungsfähigkeit. Oder wie Pep Guardiola selbst sagt: „Ich habe mich angepasst, und ich habe mehr gelernt, als wenn ich mich nicht angepasst hätte.“

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