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Vor der Auktion können die Räder in einer Lagerhalle begutachtet werden.

© Julian Graeber

Fahrrad-Auktion des Berliner Fundbüros: Wie ich mir ein Rennrad für 90 Euro ersteigerte

Nachdem unserem Mitarbeiter das Fahrrad geklaut wurde, bietet er bei einer Auktion in Schöneberg mit – gegen Händler mit ihren dicken Geldbündeln, Studenten und Rentner. Ein Erfahrungsbericht.

Vor anderthalb Monaten wurde mir mein Fahrrad geklaut und seitdem fahre ich mit einem Rad meines Schwiegervaters. Die ideale Lösung ist das aber nicht. Deshalb bin ich am eines Morgens zur Auktion des Berliner Fundbüros gegangen. Das hat mich schon lange gereizt, jetzt war die Motivation endlich mal groß genug. 

Die war aber auch zwingend nötig, denn einladend war der kleine Ausflug in ein Auktionshaus im Industriegebiet am Autobahnkreuz Schöneberg nicht. Dauerregen, die Uhrzeit – ich wäre am liebsten im Bett geblieben, habe mich dann aber doch aufgerafft. Die Auktion begann um 10 Uhr, ab 8 konnte man sich die Fundsachen jedoch schon angucken. Neben Fahrrädern waren auch Kleidungsstücke, Smartphones, ein Fußball und weiterer Kleinkram dabei. Alles was keine zwei Räder hatte, habe ich ignoriert.

Also los in die Lagerhalle und die Fahrräder begutachten. 140 Räder in drei Reihen, eng nebeneinander gestellt. Das machte es nicht besonders einfach, sich einen Überblick zu verschaffen. Die Auktions-Neulinge wie ich waren deutlich zu erkennen. Unsicher tigern sie um die Räder herum, während die erfahrenen Besucher gezielt zu bestimmten Modellen gehen, diese anschauen, anheben, begutachten. Die Vielfalt der Räder ist enorm. Kinderräder, Rennräder, Hollandräder, Mountainbikes, Fixies, sogar ein Tandem war dabei. Auch der Zustand unterscheidet sich stark: Von fast neu bis alt und klapprig ohne Vorderrad und Sattel war alles dabei. Das machte sich dann aber natürlich auch bei den Verkaufspreisen bemerkbar. 

Der Auktionsraum war gut gefüllt.
Der Auktionsraum war gut gefüllt.

© Julian Graeber

Um kurz vor 10 füllte sich der Auktionsraum im ersten Stock eines schlichten Industriebaus und ich war sehr überrascht, wie viele Leute gekommen waren. Locker über 100 Menschen saßen auf roten Stühlen und warteten auf die Versteigerung. Die Besucher waren dabei so vielfältig wie die Fahrräder: Studenten, Familien, Rentner, Handwerker. Wie viele andere auch hatte ich mir Notizen mit den interessanten Räder gemacht. Schon nach wenigen Nummern war meine Hoffnung auf ein Schnäppchen massiv gesunken. Das lag zum einen an den Preisen, die höher lagen, als ich erwartet hatte. Vor allem aber an einigen Käufern. Zehn bis 15 Männer waren offensichtlich professionelle oder zumindest semiprofessionelle Fahrradhändler und boten auf fast jedes Rad. Ein Mann um die 40 in einer blau-gelben Bosnien-Herzegowina-Sportjacke ersteigerte gleich sieben Fahrräder. Gezahlt wird direkt nach Erwerb und zwar in Bar und dementsprechend dick war das Bündel an Geldscheinen, das er bei jedem Gang ans Verkaufspult aus seiner Tasche holte.

Der Hauptgewinn. Das Bianchi-Rennrad fand für 420 Euro einen neuen Besitzer.
Der Hauptgewinn. Das Bianchi-Rennrad fand für 420 Euro einen neuen Besitzer.

© Julian Graeber

So wurden mir meine Favoriten nach und nach vor der Nase weggekauft. Nummer 14, solides Citybike mit guter Ausstattung – 190 Euro. Nummer 42, Bianchi-Rennrad – 420 Euro. Nummer 73, Trekking-Rad mit einigen Mängeln – 150 Euro. Dazwischen ein Notstromgenerator (90 Euro), ein Pocketbike (180 Euro) mehrere Skate- und Longboards (50 Euro, was die zwei etwa achtjährigen Jungs vor mir zu Jubelrufen animierte und vom Vater mit einem "Das zahlt ihr alles von eurem Taschengeld" kommentiert wurde).

Als nur noch zwei Räder auf meiner Liste übrig waren und ich mich schon fast damit abgefunden hatte, ohne neues Fahrrad nach Hause zu fahren, kam die Nummer 133. Ein etwas älteres Rennrad, rot-weiß lackiert, die Kette etwas eingerostet, ein paar kleine Schönheitsfehler, ansonsten aber in einem ordentlichen Zustand. Es ging los wie immer: Schnell wurden die kleinen Beträge aufgeboten. 5 Euro, 10, 15, 20, 25, 30. Dann boten plötzlich nur noch zwei Männer und die Power-Käufer hielten sich raus. 50 Euro, 60 Euro und Stille. Das war meine Chance. Ich hebe die Hand und der Auktionator schaut in meine Richtung. Wir sind bei 70 Euro. Ein Bieter einige Reihen hinter mir antwortet und bietet 80. Ich erhöhe und dabei bleibt es. 90 Euro, zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten – verkauft!

Da ist das Ding! Die Beute wurde erstmal auf dem Balkon geparkt.
Da ist das Ding! Die Beute wurde erstmal auf dem Balkon geparkt.

© Julian Graeber

Ich hatte selbst nicht mehr damit gerechnet, aber es hat geklappt, ich habe ein neues Fahrrad. Direkt fahrtüchtig war es leider noch nicht, deshalb musste ich es mit der Bahn nach Hause transportieren. In den kommenden Tagen ist noch einiges zu machen, aber ich bin zufrieden. 90 Euro, so hatte ich mir das vorgestellt. Ob es ein schlechtes Zeichen ist, dass die Fahrradhändler nicht mitgeboten haben? Ich weiß es nicht. Vielleicht sind ältere Rennräder auch nicht so profitabel weiterzuverkaufen.

Ist mir eigentlich auch egal. Mein kleiner Ausflug war erfolgreich und ich würde es bei Bedarf wahrscheinlich wieder versuchen. Denn man kann bei der Auktion des Fundbüros Schnäppchen machen. So einfach, wie ich mir das vorgestellt hatte, war es aber nicht. Außer man ist Händler mit einem dicken Bündel Bargeld in der Tasche und sehr flexibel bei der Auswahl des Modells. Dann kann man auch mit sieben Rädern nach Hause fahren.

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