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Lars Mrosko, 39, war Scout für Bayern und Wolfsburg, bevor er Spielerberater wurde. Die Erfahrungen des Neuköllners veröffentlichte der Journalist Ronald Reng im Buch „Mroskos Talente“.

© Nicolas Armer/dpa

Ex-Spielerberater Lars Mrosko: „Im Fußball setzt sich der Ehrliche nicht durch“

Lars Mrosko stieg nach Jahren als Bundesliga-Scout und Spielerberater aus dem Profifußball aus. Heute trainiert er Türkiyemspor und berät den englischen Klub Bradford City.

Herr Mrosko, ist die Sommerpause für jemanden wie Sie, der sich als Fußball-Getriebener bezeichnet, eine schwere Zeit?

Das nicht. Eine richtige Sommerpause habe ich aber auch gar nicht. Als neuer Trainer von Türkiyemspor bin ich mit der Sportlichen Leitung schon mitten in der Planung für die nächste Saison und bei Bradford City ist auch genug zu tun.

Der englische Drittligist, bei dem Sie als Berater tätig sind.

Genau. Der Besitzer Edin Rahic ist ein guter Freund von mir, den kenne ich schon seit mehr als 15 Jahre. Er war damals Scout beim VfB Stuttgart, ich bei TeBe. Seit über einem Jahr berate ich ihn bei neuen Spielern, Mitarbeitern und in anderen sportlichen Dingen. Jetzt in der Transferperiode kommen da schon mal drei Stunden pro Tag zusammen. Aber alles rein freundschaftlich. Hauptberuflich im Fußball zu arbeiten, kann ich mir heute überhaupt nicht mehr vorstellen.

Im Buch „Mroskos Talente“ sagen Sie, dass sie mit dem ganzen Geschäft nichts mehr zu tun haben wollen. Woher der Sinneswandel?

Edin ist ein Freund, da mache ich das gerne. Außerdem bezog sich das vor allem auf das Spielerberatergeschäft. Damit will ich wirklich nichts mehr zu tun haben. Dafür ist mein Leben jetzt zu unbelastet und schön. Seit bekannt geworden ist, dass ich Bradford berate, habe ich einige Anrufe bekommen. Ich nehme mir jetzt aber die Freiheit, nur noch mit Menschen zu reden oder zusammenzuarbeiten, denen ich vertraue. Es gibt vielleicht noch fünf bis zehn Leute aus dem Fußballgeschäft, mit denen der Kontakt nie abgebrochen ist. Auf die anderen kann ich gut verzichten.

Mit Mino Raiola und Jorge Mendes prägen vor allem zwei Berater das Bild der Berufsgruppe – und das nicht gerade positiv

Das ist schade. Berater gehören zum Fußball und haben auch ihre Daseinsberechtigung. Das Image ist sehr schlecht und das nicht zu unrecht. Wo es um viel Geld geht, musst du die Ellbogen ausfahren – oder du gehst unter. Natürlich sind nicht alle Spielerberater korrupt, aber das Image wird durch die großen Fische bestimmt. Im Fußball geht es um so viel Geld, da setzt sich der Ehrliche nicht durch. Das Geschäft ist korrupt, das war schon lange vor dem Fifa-Skandal bekannt und da wird immer noch viel verschwiegen.

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Wie empfinden Sie es, wenn Raiola beim Transfer von Paul Pogba angeblich etwa 50 Millionen Euro Provision erhalten hat, während viele Spielerberater fast am Existenzminimum leben?

Da hätte er in seinem alten Job eine Menge Pizzen verkaufen müssen (lacht). Aber mal im Ernst: Ich finde es gar nicht so schlimm, dass er so viel Geld dafür bekommt. Bei Transferverhandlungen gibt es immer mehrere Parteien und wenn alle einverstanden sind, dann ist das halt so. Man darf aber nie die Demut verlieren – vor dem Leben, vor dem Geschäft und vor dem wunderschönen Spiel Fußball. Und die Leute dürfen sich nicht blenden lassen: Es gibt sehr viele Spielerberater, die gerade so über die Runden kommen. Wenn du einen Spieler in die Zweite oder Dritte Liga vermittelst, bekommst du vielleicht 4000 bis 15 000 Euro Provision. Und das passiert ja nicht dauernd. Davon kann man kaum leben.

Sie arbeiten neuerdings im Bereich Sport bei einer Krankenkasse. Wie lässt sich das mir der Beratertätigkeit in Bradford und dem Trainerjob in der Landesliga vereinbaren?

Als Trainer wollte ich im Sommer eigentlich ein Jahr Pause machen, um mehr Zeit für die Familie zu haben. Ich hatte Türkiyem sogar erstmal abgesagt. Eine Woche später hat meine Frau aber zu mir gesagt: „Los Lars, mach das! Ohne Fußball gehst du mir in einer Woche sowieso auf die Nerven.“

Wie kam der Wechsel zu Türkiyem zustande?

Wir haben bei Inter mit einer jungen Mannschaft eine gute Saison gespielt. Der Vorstand hat mir aber das Gefühl vermittelt, dass sie nicht von mir überzeugt sind. Das wurde mir irgendwann zu blöd. Inter ist ein toller Verein, ich freue mich jetzt aber auch darauf, dass bei Türkiyem der Fußball im Mittelpunkt steht. Bei Inter war mir das irgendwann zu viel Politik.

Türkiyemspor ist in den vergangenen Jahren sportlich ganz schön abgestürzt, spielt jetzt in der siebtklassigen Landesliga. Reizt Sie die Möglichkeit, einen Traditionsverein wieder nach oben zu führen?

Das Wort Aufstieg ist bisher kein einziges Mal gefallen. Da gibt es andere Vereine, die gerade mit Geld um sich werfen. Ich war anfangs skeptisch. Der Klub hatte in der Vergangenheit ja einige finanzielle Probleme. Das Konzept hat mich aber überzeugt. Wir wollen mit gutem Fußball, aber vor allem auch mit Disziplin und einem korrekten Auftreten begeistern. Türkiyem hat eine große Tradition, wird im April 40 Jahre alt. Und was mir besonders gefällt: Der Klub ist unpolitisch. Das ist nicht bei allen türkischen Vereinen so, da steht einer den Grauen Wölfen nah, der andere ist Erdogan-treu, der nächste kurdisch geprägt. Türkiyem ist für alle da – egal ob Türke, Deutscher oder Afrikaner.

Das Gespräch führte Julian Graeber.

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