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Entlassung von Carlo Ancelotti: Die große Müdigkeit beim FC Bayern

Das FC Bayern präsentiert sich in dieser Saison wie ein erschöpfter Riese. Nun muss auch noch der Trainer gehen. Wirklich überraschend kommt das nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Michael Rosentritt

Das war nicht Bayern München. Hat Karl-Heinz Rummenigge gesagt in der schwarzen Nacht von Paris. 0:3 – so hoch hat der FC Bayern noch nie verloren in einem Gruppenspiel der Champions League. Der Bayern-Boss fühlte sich persönlich angegriffen. Er hätte auch sagen können, Carlo Ancelotti war’s mit seiner merkwürdigen Aufstellung. So jedenfalls handelte Rummenigge am Tag danach. Der Italiener, der als Trainer dreimal die Champions League gewann, muss gehen. Die Probleme bleiben.

Im Herbst 2017 ist beim FC Bayern nichts mehr da von der Wucht, der Klasse und der Kultur, die ihn als Triple- Sieger 2013 auszeichneten. Vielleicht macht der deutsche Riese nur ein Nickerchen. Aber es sieht eher so aus, als habe sich eine große Müdigkeit über den Verein gelegt. Der Klub wirkt matt, ausgelaugt und erschöpft. Man kennt es aus dem Boxen, wenn aus einem Champion über Nacht ein alter Mann wird.

Anzeichen dafür gibt es schon lange. In diesem Frühjahr war nach dem Aus gegen Real Madrid das erhoffte Triple dahin, nach dem Pokalaus gegen Dortmund war auch das Double futsch. Ja, es waren unglückliche Niederlagen, aber schon da fehlte den Bayern der Punch. Jetzt wird wild um sich geschlagen. Als Bayernfan müsse man sich keine Sorgen machen, sagte Bayern-Legende Mehmet Scholl im Sommer. Hoeneß und Rummenigge würden es richten. Des einen Bauch, des anderen Kopf. „Sie werden jetzt verrückte Dinge machen“, sagte Scholl. Wie Recht er hatte.

Am Ende hängt vieles an Hoeneß und Rummenigge

Nach Elitefetischist Matthias Sammer holten sie im Sommer das schmalste Hemd aus der Bayern-Vitrine: Hasan Salihamidzic. Heute 40, früher mit Feuereifer auf dem Feld. Ein lustiger Vogel und Bierduschenbeauftragter. Ihn auf diesen Posten zu hieven, fühlt sich an wie ein 0:3 in Paris. Statt einen klugen und starken Mann zu holen, haben Hoeneß und Rummenigge die Spielräume so eng gemacht, dass nur noch einer wie Salihamidzic durchpaste. Man hatte ihn eher als Stellvertreter der Busfahrerin des FCB auf dem Zettel denn als Sportdirektor.

Am Ende hängt vieles an den beiden mächtigen Figuren, wenn nicht alles. Sie haben den Klub als Spieler in den siebziger und achtziger Jahren groß werden lassen und lenken ihn seit Jahrzehnten. Werden sie irgendwann zur Last oder können sie sich noch einmal neu erfinden? Mia san mia als Geisteshaltung und das sagenumwobene Festgeldkonto stechen nicht mehr, wenn die internationale Konkurrenz mit den Millionen nur so um sich wirft.

Ja, Jahre des Erfolgs schlauchen, sie verändern. Den einen machen sie satt, den anderen müde. Oder mürbe. Spieler wie Neuer, Boateng, Martinez, Rafinha, Robben, Vidal und Ribery sind 30 oder drüber. War es das für sie schon? Natürlich kann und wird der FC Bayern zurückschlagen. Vielleicht wird es an diesem Sonntag schon Hertha BSC erwischen. Noch immer hat Bayern München einen mächtigen Kader, einen, aus dem sich fantastische Mannschaften formen lassen. Aber derzeit ist dabei herzlich wenig aufregend oder inspirierend.

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