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Schön war die Zeit. Von 1992 bis 1995 stand der US-Amerikaner bei den Preussen als Trainer hinter der Bande.

© Oliver Behrend/Imago

Eisbären verabschieden Billy Flynn: Eine Marke geht in Rente

Billy Flynn prägte 25 Jahre lang die Berliner Eishockeyszene – erst bei den Preussen, dann bei den Eisbären. Kaum ein anderer Funktionär hat so viel bewegt.

Es waren die großen Zeiten der Preussen. Georg „Schorsch“ Holzmann, John Chabot, Klaus Merk, Tony Tanti. Und eben dieser drahtige Trainer, der nach jedem Heimsieg des Berliner Eishockey- Erstligisten kurz auf die Eisfläche in der Halle an der Jafféstraße hüpfte, die Arme hob und in die Hände klatsche. Um dem Publikum zu applaudieren, wie er sagte. Ein Stück weit hat sich Billy Flynn in diesen Momenten der Glückseligkeit vielleicht auch selbst gefeiert. Damals, auf seiner ersten großen Etappe im Berliner Eishockey, in dem der Mann aus Boston etwas bewegt hat, zunächst als Trainer der Preussen und viel länger dann auf seiner Etappe bei den Eisbären. Billy Flynn machte den Klub aus Hohenschönhausen mit zu einer Marke. Der Mann, der auch sich selbst geschickt vermarktet hat.

Am Sonnabend wird Billy Flynn von den Eisbären vor dem Heimspiel gegen die Düsseldorfer EG in der Arena am Ostbahnhof (16.30 Uhr) in den Ruhestand verabschiedet, mit 67 Jahren. Trainer, Manager, Marketing-Chef und Geschäftsführer im Klub war er. Er selbst kann da noch gar nicht hinschalten. „Ich weiß nicht, was die zum Abschied planen. Aber das ist wirklich ein großer Teil meines Leben, der da zum Ende kommt. 23 Jahre Eisbären, in schlechten und in guten Zeiten. Das ist schon etwas. Es war das wichtigste Kapitel in meinem Berufsleben.“

Das erste Kapitel seiner Laufbahn in Deutschland war ein kleineres. Es dürfte kaum noch jemandem präsent sein, dass der Spieler Flynn ein guter, wendiger Schlittschuhläufer war und einst an der Nordseeküste in Bremerhaven seine Karriere beendete (nach Engagements in Nürnberg und Füssen). Als Angreifer spielte Flynn von 1977 bis 1981 für den damaligen Zweitligisten Roll- und Schlittschuhclub Bremerhaven.

Der Spieler Flynn ist weniger prominent geworden als später der Trainer Flynn, der von Hannover bis Lausanne unterwegs war, bevor er 1992 zurück nach Deutschland zu den Preussen kam. Noch bekannter aber ist der Funktionär Flynn. Und letzterer ist nur mit den Eisbären verbunden. Als er 1995 seinen Trainerjob bei den Preussen verloren hatte, fragte ihn der damalige Eisbären-Präsident Helmut Berg: „Willst Du nicht zu uns kommen?“ Flynn antwortete: „Nein, will ich nicht.“ Und ging doch zu den Eisbären, zunächst als Trainer und Sportdirektor. Der Billy sei dann ganz schnell gelandet im Osten Berlins, erinnert sich der einstige Co-Trainer Hartmut Nickel. „Der kam so schnell mit unterschriebenen Sponsorenverträgen an, so schnell konnten die gar nicht gucken.“ Da seien alle im Klub beeindruckt gewesen. Trainer war er allerdings nur bis 1996 bei den Eisbären, Funktionär dann um so länger.

Noch heute erzählt Billy Flynn gerne in Moll davon, wie die Eisbären vor mehr als zwei Dekaden dank ihm zu ihrem treuen Hauptsponsor Gasag kamen. Wie er in ein Büro des Energieversorgers stapfte, mit weichen Knien damals in Charlottenburg. Und wie doch niemand wissen konnte, was dabei herauskommen sollte. Dabei musste doch etwas herauskommen, die Eisbären waren schließlich hochverschuldet, havarierten am Abgrund.

Und Flynn kam, redete und ließ unterzeichnen. „Die Gasag hat uns damals gerettet“, sagt er heute. Immer wieder hat er diese schöne Geschichte erzählt, mit Vorliebe bei den jährlichen Pressekonferenzen der Gasag zum Saisonbeginn der Eisbären. Und immer wieder gab es Stimmen, die behaupteten, die Darstellung Flynns sei so nicht ganz tragbar. Angeblich hatte seinerzeit der Senat verfügt, dass die großen Berliner Energieversorger sich bei den klammen Klubs engagieren mussten. Die inzwischen selige Bewag zum Beispiel bei den Preussen und die Gasag bei den Eisbären.

Doch letztlich ist das Geschichte. Flynn hat sich um die Konstanz in der Zusammenarbeit mit dem Hauptsponsor verdient gemacht, das kann nicht in Frage gestellt werden. Es war enorm wichtig für die Eisbären, dass Billy Flynn wusste, wie ein Macher einen Klub zur Marke macht – indem er am besten auch selbst eine Marke ist. Das war schon beim Trainer Flynn so, der fiel einfach auf. So fragte der einstige Eishockeytrainer Hans Zach einmal, als er nach Berlin zu den Preussen kam: „Ist euer Kaschperl auch noch da?“

Flynn ist Berliner und will aus „der schönsten Stadt Deutschlands“ nicht mehr weg

Billy Flynn konnte eben unterhalten, schimpfen, reden, bereden, überreden, schön reden und schönreden. Und Flynn, schon seit Jahren sesshaft in Berlin, schaffte etwas, was heute vielen ausländischen Funktionären in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) oft auch wegen ihrer fehlenden deutschen Sprachkenntnisse und mangels Emphase für das Land des Arbeitgebers nicht vergönnt ist: Er wurde zu einer Marke außerhalb des alltäglichen Eishockeygeschäftes. Flynn lief beim Marathon auf Inline Skates mit und ließ sich dabei natürlich medial begleiten. Der eloquente Mann aus Boston wurde zu allen möglichen Events eingeladen und zu Dingen des Lebens befragt, die außerhalb seines Beritts lagen. So plauderte er etwa vor der zweiten Wahl von Barack Obama in einem langen Video-Interview mit dem Tagesspiegel über die Vorzüge des Präsidenten der USA, seiner Heimat („Amerika braucht Obamacare!“).

Billy Flynn ist seiner alten Heimat heute ein Stück weit entrückt. Er ist Berliner und will aus „der schönsten Stadt Deutschlands“ nicht mehr weg. Seine Kinder, Sohn Patrick spielte einst auch kurz bei den Eisbären, sind in Berlin sozialisiert worden. Sicher hätte Flynn bei den Eisbären auch noch ein paar Jahre drangehängt. Der Mann liebte seine Arbeit. Angeblich soll es unter Flynn auf der Geschäftsstelle des Klubs verpönt gewesen sein, der Öffentlichkeit Preis zu geben, wenn ein Mitarbeiter im Urlaub war. Wurde Flynn im Urlaub angerufen, sagte er meist, er sei „auf Dienstreise“. So lief das bei ihm. „Ich habe immer gepredigt auf der Geschäftsstelle: Wir wollen keine Probleme schaffen. Wir müssen Lösungen anbieten. Dafür sind wir da.“ Immer.

Ganz vorn. Die Eisbären wurden dank Flynn (l.) zum Topklub in der DEL.
Ganz vorn. Die Eisbären wurden dank Flynn (l.) zum Topklub in der DEL.

© Gambarini/dpa

Zum Ende seiner Zeit bei den Eisbären war der agile Mann mit dem sanften Klang in der Stimme wohl nicht mehr so ausgelastet: 2015 haben sie auf der Geschäftsstelle seinen Abschied auf Raten eingeläutet. Flynn war kein Geschäftsführer mehr, sondern nur noch „Berater des Aufsichtsrates“. Damit war er aus dem Geschäft Sponsorenbetreuung raus.

Der Mann, der geholfen hatte aus einem kleinen betulichen Ostklub ein modernes Unternehmen zu machen, wurde somit Opfer der neuen Zeit unter Eigner Anschutz, in die Flynn aber hineingepasst hatte. Denn irgendwie konnte er alles, der Mann mit dem flotten Schnauzer. Unter ihm hätten die Eisbären „auch die Mauer in den Köpfen ein Stück weit verschoben, bis sie dann schließlich weg war“, hat Flynn einmal gesagt. „Früher haben sich die Leute aus dem Westen kaum in den Wellblechpalast in Hohenschönhausen getraut.“ Heute säßen genau diese Menschen in der Arena am Ostbahnhof.

Und Billy Flynn wird sicher auch noch oft dort sitzen. Er hat damals, gemeinsam mit dem ehemaligen Geschäftsführer Martin Müller und Manager Lorenz Funk die Eisbären aufgehübscht, als Philip Anschutz Interesse am Klub entwickelte. Wenn eine Abordnung des US-Milliardärs bei einem Heimspiel des Klubs vorbeischaute, war der Wellblechpalast garantiert voll. Es gab eben Zeiten, in denen Flynn bei den Eisbären nicht wegzudenken war. So, wie er damals bei den Preussen nicht wegzudenken war. Denn nachdem Flynn gegangen war, hatten die ihre große Zeit hinter sich. Das lag sicher nicht nur an Billy Flynn, aber auch an Billy Flynn.

Mit ihm geht einer der prägnantesten Köpfe der Berliner Sportszene in den Ruhestand. Mal sehen, wie lange er den aushält. Billy Flynn sagt: „Ich werde zwar bald 68, fühle mich aber wie 40.“ Er werde jetzt erst einmal ein Jahr Pause einlegen, dann aber könne er sich gut vorstellen, eine neue berufliche Aufgabe anzugehen.

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