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Andre Schürrle von Dortmund bejubelt sein Tor zum 2:2 gegen Real.

© dpa

Ein Blattschuss wie in Belo Horizonte: André Schürrle ist bei Borussia Dortmund angekommen

Mit seinem Traumtor gegen Real Madrid weckt André Schürrle Erinnerungen an das 7:1 gegen Brasilien. In Dortmund ist der Neuzugang angekommen - dank Trainer Thomas Tuchel.

Aus gegebenem Anlass ein kleiner Ausflug in eine andere Zeit an einen anderen Ort. Zurück in den Sommer 2014 nach Belo Horizonte, zum Spiel aller Spiele. André Schürrle hat damals zwei Tore geschossen, die in der Retrospektive keine große Rolle spielten, weil das WM-Halbfinale gegen Brasilien doch längst entschieden war. Das ist ein bisschen schade, vor allem um Schürrles zweites Tor zum surrealen Zwischenstand von 7:0. Am Strafraumeck brachte er sich in Position, hob den Kopf und jagte den Ball mit dem linken Fuß ins linke obere Tordreieck. Ein perfektes Tor am Ende eines perfekten Abends, an dem den Deutschen einfach alles gelang. Andre Schürrle hat verschämt gelacht und sich ansonsten nur halbherzig gefreut, wie sich das gehörte aus Respekt vor den gedemütigten Brasilianern.

Am Dienstag war alles genauso und doch ganz anders. Wie vor zwei Jahren war André Schürrle nach einer Stunde ins Spiel gekommen, diesmal für den famosen, aber irgendwann müden Mario Götze. Wieder drosch er den Ball kurz vor Schluss mit links aus halblinker Position nach links oben unter die Latte. Das Tor zum 2:2 für Borussia Dortmund am zweiten Spieltag der Champions League gegen Real Madrid war eine Kopie des Blattschusses von Belo Horizonte. Aber anders als vor zwei Jahren fiel das Publikum nicht in Schockstarre. Das Westfalenstadion bebte, und mit seinem Sinn für eine angemessene Choreographie feierte Schürrle direkt vor der Südtribüne, dem stimmungsvollsten Stück Fußballstadion nördlich der Bombonera von Buenos Aires. André Schürrle sprach später von der „Süd“ und „dem Tempel“, wie alteingesessene Dortmunder das so halten. Dabei ist er erst vor ein paar Wochen ins Ruhrgebiet gezogen, nach zuletzt eher unerfreulichen Jahren in Chelsea und Wolfsburg.

Die Nähe zu Thomas Tuchel ist Schürrle wichtig

Das Ausgleichstor stand exemplarisch für diese schwarz-gelbe Nacht. Für die Leidenschaft des Dortmunder Spiels, für die bedingungslose Angriffsbereitschaft dieser jungen Mannschaft, die Thomas Tuchel im Sommer radikal umgebaut hat. Dass er dabei auch 30 Millionen Euro in André Schürrle investierte, ist nicht überall auf Verständnis gestoßen. Die beiden kennen sich aus gemeinsamen Tagen bei Mainz 05. Unter Tuchel gewann der Stürmer Schürrle im Frühling 2009 die deutsche A-Jugend-Meisterschaft, übrigens mit einem Finalsieg über die von Mario Götze angeführte Borussia aus Dortmund. Ein paar Wochen später stieg Tuchel in Mainz zum Cheftrainer bei den Profis auf und nahm seinen Lieblingsschüler gleich mit. Der Kontakt zwischen Trainer und Stürmer blieb auch erhalten, als Schürrle Mainz nach zwei Jahren verließ und weiterzog nach Leverkusen, London und Wolfsburg. „André ist ein Spieler, der eine enge Bindung an seinen Trainer braucht“, hat Tuchel in der Nacht zu Mittwoch erzählt. „Das heißt nicht, dass er immer gelobt werden will.“ Schürrle akzeptiere genauso gut Strenge oder sachdienliche Hinweise zur Verbesserung, „es geht vor allem um die Nähe“. Ein interessanter Vortrag in Sachen Didaktik, der bei Tuchels Wolfsburger Kollegen Dieter Hecking nicht so gut angekommen sein dürfte.

Schürrles Einwechslung am Dienstag war nicht ganz risikofrei. Das rechte Knie schmerzte in Folge einer Innenbanddehnung, die dann gegen Real schon nach ein paar Minuten ohne gegnerisches Dazutun wieder aufbrach. Egal, für den Ausgleich tat es ja das linke Bein, und das rechte verkraftete auch noch einen anschließenden Kung-Fu-Jubelsprung gegen die Eckfahne. Mit seinen 25 Jahren ist Schürrle die älteste der neuen Dortmunder Begabungen, die am Dienstag mehr als nur andeuteten, was sie zu leisten in der Lage sind.

Guerreiro, Dembélé, Mor und Pulisic zeigen ihr Potenzial

Den 22-jährigen Raphael Guerreiro hat Tuchel vom Außenverteidiger zum zentralen Mittelfeldspieler umgeschult. Gegen Real füllte der Portugiese die ungewohnte Rolle so temporeich und phantasievoll aus, als habe er nie auf einer anderen Position gespielt. Der Franzose Ousmane Dembélé, 19, verstolperte zwar manchen Ball, aber in Erinnerung blieben vor allem seine Highspeed-Dribblings und frechen Torabschlüsse. Der Türke Emre Mor ist noch ein Jahr jünger und durfte nur eine Viertelstunde mitspielen, es reichte immerhin zu einer atemberaubenden Soloeinlage am Madrider Strafraum.

Und dann war da noch Christian Pulisic. Ein US-Amerikaner, er hat in der vergangenen Woche seinen 18. Geburtstag gefeiert und hatte am Dienstag kein Problem damit, den halben Platz an der rechten Seitenlinie abzuschreiten und den Ball auf den linken Fuß von André Schürrle zu legen. „Christian spielt den Ball top rein“, sprach der Schütze. „Er rutscht irgendwie durch und ich treffe ihn dann auch ganz gut.“ Ein Resümee, das im Ton so bescheiden wirkte wie sein Torjubel vor wie Jahren in Belo Horizonte.

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