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Viele Verwirbelungen. Paul Biedermann, der 2016 nach Olympia in Rio seine Karriere beendete, wirft dem DSV vor, die Talente zu vergraulen. 

© Patrick B. Kraemer/dpa

Deutsche Meisterschaften im Schwimmen: Der DSV steht in der Kritik

Vor den Deutschen Meisterschaften in Berlin ist der Schwimm-Verband unter Druck. Die Athleten kritisieren den DSV wegen schlechter Talentförderung.

Von Johannes Nedo

Die Teilnehmerlisten sind lang. 656 Schwimmer aus 189 Vereinen haben für die deutschen Meisterschaften gemeldet, die von diesem Donnerstag an bis Sonntag in Berlin ausgetragen werden. Es sind also viele Athleten da, und es geht auch um einiges. Zumal die besten deutschen Schwimmer die Qualifikation für die Weltmeisterschaft Mitte Juli in Budapest anstreben.

Doch vor Beginn der deutschen Meisterschaften haben sich zwei zu Wort gemeldet, die gar nicht am Start sein werden in der Schwimm- und Sprunghalle an der Landsberger Allee: Florian Vogel und Paul Biedermann. Und sie haben damit den Finger in eine offene Wunde beim Deutschen Schwimm-Verband (DSV) gelegt. Denn ihre Äußerungen sagen viel über die aktuelle Situation beim DSV, der nach den schlechten Ergebnissen bei Olympia unter Druck steht und zudem den Umbau aufgrund der Leistungssportreform vorantreiben muss.

Da ist zunächst Florian Vogel. Der 22-Jährige ist amtierender Deutscher Meister über 400 Meter Freistil und war bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio Sechster mit der 4x200 Meter Staffel. Der Münchner wurde stets als Nachfolger von Weltrekordhalter Biedermann gehandelt. Doch am vergangenen Freitag veröffentlichte er ein Video auf Facebook, in dem er seinen Rücktritt vom Schwimmen verkündet. Mit erst 22 Jahren beendet also dieses große Talent seine Karriere. Vogel rang in dem Video mit den Tränen und erklärte seinen Entschluss auch damit, dass ihm die Motivation fehle, wieder so hart zu arbeiten, damit er in drei Jahren bei Olympia in Tokio wieder weit vorne in der Weltspitze mitschwimmen könne.

Während Vogels Entscheidung auch als eine indirekte Kritik am DSV zu verstehen ist, warum der Verband einem jungen, hoffnungsvollen Athlet nicht Wege aufzeigen kann, um seinen Sport weiter fortzusetzen – zumal Vogel noch ein oder zwei Olympische Spiele bestreiten könnte –, so waren Biedermanns jüngste Aussagen eine klare Breitseite gegen den DSV und Bundestrainer Henning Lambertz. Der frühere Weltmeister Biedermann, der seine Karriere nach Rio beendet hat, wetterte in der „Süddeutschen Zeitung“, der Bundestrainer „versucht derzeit, allen eine Doktrin aufzudrücken, von der nur er selbst überzeugt ist“. Der 30-Jährige kritisierte außerdem: „Der Verband muss die Talente fördern, anstatt sie zu vergraulen. Der Verband schaltet auf stur.“

Präsidentin Gabi Dörries steht trotz der Kritik hinter Bundestrainer Henning Lambertz

Diese Anschuldigungen und Vogels Rücktritt mussten Lambertz und der DSV in den vergangenen Tagen erst mal verkraften. Und Lambertz zeigte in seinen Reaktionen auch, dass ihn dies getroffen hat. „Es ist natürlich schade, dass nach Paul Biedermann der zweite 200-Meter-Freistilschwimmer aufgehört hat, gerade auch in Bezug auf die Staffel. Es entsteht eine große Lücke“, betonte er. „Florian hat seine Gründe für seinen Rücktritt, und wir als DSV müssen diese akzeptieren.“

Deutlicher reagierte Lambertz auf Biedermanns Äußerungen. „Das sind Behauptungen, die schnell über die Lippen kommen, aber nicht mit Fakten belegt werden können“, sagte er und verteidigte seine neuen Vorgaben, neben härteren WM-Normen auf mehr Zentralisierung und ein neues Kraftkonzept zu setzen. Damit will er die Beckenschwimmer endlich wieder zu Olympia-Medaillen führen, nachdem sie auch vor einem Jahr in Rio keine gewonnen hatten.

Also fordert der 46-Jährige von den Athleten, dass sie bei seinen Neuerungen mitziehen – ansonsten greift er auch zu harten Entscheidungen, wie im Fall der Brustschwimmerin Vanessa Grimberg. Die 24-Jährige wird aus der Bundeswehr-Sportfördergruppe gestrichen, weil sie nicht von Stuttgart zum Bundesstützpunkt nach Heidelberg wechseln will. „Der Wille zur Bereitschaft zur Zusammenarbeit muss da sein, das erkenne ich aktuell nicht“, sagte Lambertz. „Ich habe nur eine begrenzte Zahl an Bundeswehrstellen, und die gebe ich den Athleten, die genau diese Bereitschaft zeigen. Das ist Teil der Zentralisierung.“

Natürlich seien dabei auch Ausnahmen oder Insellösungen möglich, wie sie etwa für den ehemaligen Weltmeister Marco Koch in Darmstadt gelten. „Doch ich vermisse bei einigen die Aufbruchstimmung: Jetzt packen wir es an“, sagte Lambertz. Seine Chefin beim DSV unterstützt ihn trotz aller Kritik auf diesem Weg. Gabi Dörries betonte in der „Frankfurter Rundschau“: „Die Präsidentin steht uneingeschränkt zum Bundestrainer. Wir brauchen Veränderung und wir glauben an den Effekt der Zentralisierung.“

Nun haben Dörries und Lambertz auch in Berlin die Gelegenheit, die zahlreichen Athleten und Trainer weiter von ihren Reformen zu überzeugen. Einfach wird es nicht, aber Lambertz hat schon einmal angekündigt, er wolle sich während der deutschen Meisterschaften mit Biedermann aussprechen.

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