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Im Verbund: Audi und der FC Ingolstadt.

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Der FC Ingolstadt und Sponsor Audi: Ein Konzern macht mobil

Heute kann der FC Ingolstadt aufsteigen, er wäre bereits der dritte von VW unterstützte Klub in der Bundesliga. Welche Strategie steckt hinter dem Verein?

Seinen Stolz will Harald Gärtner gar nicht verbergen. „Was in den vergangenen elf Jahren hier auch sportlich passiert ist“, sagt der Geschäftsführer des FC Ingolstadt 04, „darüber haben andere Vereine vielleicht 30 oder 40 Jahre gesprochen.“ Und trotz großer Worte nicht annähernd Ähnliches erreicht. Weshalb auch in der Bundesliga eine gewisse Furcht zu spüren ist: vor dem Neuling, der erst 2004 aus einer Fusion der Fußballabteilungen von ESV und MTV in Ingolstadt hervorgegangen ist – und heute den Aufstieg in die Bundesliga schaffen kann. Ein Punkt gegen RB Leipzig reicht dem neureichen Emporkömmling aus der oberbayrischen Stadt, wo von den 130 000 Einwohnern jeder vierte beim Autobauer arbeitet. Wo der FC Ingolstadt 04 im Audi-Sportpark spielt, wo eine „Vorsprung durch Technik“-Werbebande neben der anderen hängt. Und wo, vor der modernen Trainingsanlage und Geschäftsstelle, eine teure Karosse mit Ringen auf dem Kühlergrill neben der anderen parkt.

Ein Bundesliga-Haudegen wie Heribert Bruchhagen, Vorstandschef bei Eintracht Frankfurt, nennt diese auf den ersten Blick deutlich werdende Symbiose zwischen Autokonzern und Fußballklub denn auch „ein weiteres Indiz dafür, dass wir, also die Traditionsvereine der Bundesliga, sich von einem – in Anführungsstrichen – Werksklub etwas zurückgedrängt fühlen“. Er ist überzeugt, dass, „je nachdem, wie das Engagement von Audi ausfallen wird“, der designierte Aufsteiger „auch langfristig eine gute Rolle in der Bundesliga spielen wird“. Da klingt schon mehr als nur Respekt durch – und das Lächeln von Harald Gärtner wirkt etwas gespielt, wenn er sagt: „Warum sollte man Angst vor uns haben?“ Und Angst vor Audi? „Wieso? Spielt Audi Fußball? Der FC Ingolstadt spielt Fußball.“ Aber nie ohne Audi. Profifußball gäbe es in Ingolstadt ohne Audi wohl nicht.

Seit zwei Jahren ist Audi Mitbesitzer in Ingolstadt

Audi ist eine hundertprozentige Tochter von Volkswagen, der Jahresumsatz liegt bei mehr als 50 Milliarden Euro. Rund 25 Millionen investierte das Unternahmen in das Stadion, das an den FC Ingolstadt vermietet wird. 6,5 Millionen Euro fallen an für das Trikot und andere Werbeflächen – das ist jetzt schon erstligareif. Der Etat soll im Falle des Aufstiegs von 20 auf 40 bis 45 Millionen Euro steigen. Was Audi in Liga eins draufpacken würde, wird nicht gesagt, auch das Volumen der Gesamtinvestitionen ist ein Betriebsgeheimnis. Überhaupt sei das mit Audi und dem in der Bevölkerung noch nicht so beliebten FC 04 „auch für uns als Kommunalpolitiker nicht transparent“, sagt Jürgen Siebicke, der für Die Linke im Stadtrat sitzt.

Audi ist Sponsor der ersten Stunde und seit zwei Jahren auch Mitbesitzer des Klubs. Klammheimlich übernahm damals der Konzern die Anteile von Vereinspräsident Peter Jackwerth. Daran störten sich viele Mitglieder schon mal deshalb, weil sie es erst ein halbes Jahr später erfuhren. Audi hält nun 19,94 Prozent der Anteile am Verein, 100 Prozent an der Stadion GmbH. Vier von sechs Klub-Aufsichtsräten kommen aus dem Konzern: Audi-Chefjustitiar Martin Wagener, die ehemaligen Audi-Vorstände Frank Dreves und Andreas Schleef, dazu VW-Generalsekretär Wendelin Göbel. Da fällt es schwer, an Unabhängigkeit zu glauben, wie Gärtner sie immer wieder betont. Man ärgere sich, in einen Topf mit Wolfsburg, Leverkusen und RB Leipzig geworfen zu werden, „denn wir schreiben unsere eigene Geschichte“. Es ist aber auch in weiten Teilen die von VW im Fußball, wo der Konzern (Jahresumsatz: 200 Milliarden Euro) schon seit Längerem sehr mobil ist.

Fußball als Ankurbler

Längst gilt nicht mehr nur der VfL Wolfsburg, hundertprozentige Tochter von VW, als Synonym für das Expansionsbestreben. Der VfL, bei dem Transfers wie André Schürrle über 30 Millionen Euro scheinbar mühelos gestemmt werden, ist mit angeblich aktuell 95 Millionen Euro pro Spielzeit das größte Investment – aber beileibe nicht das einzige. Volkswagen hat sich mit dem DFB-Pokal einen ganzen Wettbewerb im Sponsoren-Portfolio gesichert. Über Audi ist man zudem mit mehr als acht Prozent an Bayern München beteiligt. Viele Millionen fließen zudem über VW und Audi oder Tochterfirmen wie Seat und MAN in Sponsoring-Pakete bei 15 weiteren Erst- und Zweitligisten.

Bei manchen Klubs, wie Schalke, Werder Bremen und Eintracht Braunschweig, gilt VW als sehr einflussreich. Stefan Grühsem, der Generalbevollmächtigte der Volkswagen AG, hat das kürzlich auf einem Podium so formuliert: „Wenn es um Strategie geht – und im Falle des Fußballs gehört im Hause Volkswagen der Fußball zur Vermarktungs- und Marketingstrategie – landen nicht selten Themen, die sich da herumranken, im Vorstand und erfreuen sich einer lebhaften Diskussion.“ Grühsem verweist zudem darauf, dass sich das Engagement im Fußball „in schnöden Zahlen widerspiegelt“. Absatzzahlen. Wo VW Geld in den örtlichen Fußballklub investiere, werde mehr verkauft.

"Lex Volkswagen"

Und doch geht es womöglich um mehr, nämlich um Macht und Einfluss. Auch deshalb ist Fußball Chefsache. Der Anwalt Thomas Dehesselles, Experte für Sportrecht, verweist darauf, dass „Mehrfachbeteiligungen innerhalb einer Liga sportpolitisch höchst bedenklich sind“. In diesem Sinne nennt er Volkswagen „einen mächtigen Player, mit derzeit einmaliger Position im deutschen Profifußball“.

Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hatte lange Zeit nur zugesehen, wie sich der Weltkonzern im deutschen Fußball immer breiter machte. Gegenmaßnahmen gab es nicht, mal abgesehen von minimalen Eingriffen beim Spielplan. Wolfsburg gegen Bayern, eine Art VW-Bruderduell, gab es in dieser Saison am ersten Spieltag und nicht etwa am letzten, auf dass kein Verdacht auf Manipulation aufkommen möge. Erst kürzlich wachte die DFL auf, auch mit Blick auf Ingolstadts Aufstieg. Ende März beschloss die DFL-Mitgliederversammlung eine Beschränkung von Mehrfachbeteiligungen auf maximal drei. Nur in einem Klub darf ein Anteilseigner noch bis 49 Prozent engagiert sein, dazu in zwei weiteren bis zehn Prozent. Alte Verträge bleiben jedoch unangetastet, weshalb man auch von einer Lex Volkswagen sprechen könnte.

VW landete schon mal vor Gericht

Bruchhagen sagt, er zweifle ja nicht an der Integrität der aktuellen VW-Verantwortlichen, aber man habe bei der DFL prinzipiell die Gefahr erkannt, „dass zu große wirtschaftliche Interessen bestehen könnten und es so möglicherweise zu dem Verdacht der gegenseitigen Bevorzugung kommt – in Form von Spielabsprachen oder sonstigen Dingen“. Der Sportrechtsexperte Dehesselles kritisiert, die neue Regelung „konserviert das Problem, weil VW Bestandsschutz genießt, und lackiert es, wenn man die Schwelle von zehn Prozent als zu hoch betrachtet. Auch drei Klubs mit 9,9 Prozent können ja möglicherweise durch denselben Anteilseigner beeinflusst werden“.

Zumal es ja auch personelle Verflechtungen gibt: VW-Chef Martin Winterkorn sitzt, wie Audi-Chef Rupert Stadler, im Aufsichtsrat des FC Bayern. Winterkorn persönlich soll schon 2013 auf kurzem Dienstweg den Transfer des Brasilianers Luiz Gustavo von München nach Wolfsburg klargemacht haben. Für strafbare Koppelgeschäfte mit Sponsoren, die nur Aufträge erhalten sollten, wenn sie beim VfL Wolfsburg Sponsoring-Pakete erwerben, landete der Konzern auch schon einmal vor Gericht. VW kam mit einem Bußgeld von zwei Millionen Euro davon – aber es wurde nur zu deutlich, wie gern der Konzern seine Geschäfte mit dem Fußball verquickt.

Die Uefa hält sich noch zurück

Wie wird nun der europäische Fußballverband Uefa reagieren? In der kommenden Saison ist Volkswagen in der Champions League mit zwei Klubs vertreten, dem VfL Wolfsburg und Bayern München. Eigentlich werden Mehrfachbeteiligungen sanktioniert. In den Uefa-Statuten heißt es: Wenn einem Unternehmen mehrere Vereine gehören, er als Sponsor oder über handelnde Personen großen Einfluss in Führungs- und Kontrollgremien hat, darf nur ein Klub im selben Wettbewerb mitwirken. Im Jahr 2000 wurde auf diesem Weg die englische Beteiligungsgesellschaft ENIC ausgebremst. Der Investor hielt damals Anteile an sechs Klubs, darunter AEK Athen und Slavia Prag, die beide sportlich für den Uefa-Pokal qualifiziert waren. Starten durfte aber auf Anordnung der Uefa nur Prag. Klagen beider Vereine vor Gericht und Beschwerden bei der EU-Kommission wurden abgewiesen.

Und nun? Was ist mit Bayern, Wolfsburg und VW? „Derzeit kein Thema“, teilt ein Uefa-Sprecher mit – und das, obwohl das Modell Wolfsburg im Rahmen des Financial Fairplay angeblich genau untersucht wurde. Übrigens gilt Volkswagen, das diese Werbeplattform nach dem Ausstieg des Konkurrenten Ford 2014 noch abgelehnt hat, perspektivisch als möglicher Auto-Sponsor für die Champions League. „Das hätte Charme“, sagte dazu Grühsem.

Der FC Ingolstadt, der auf viele junge und anderswo verkannte Spieler setzt, wirkt da eher wie ein kleines Rädchen im Getriebe. Aber auch die kleinen Rädchen werden gebraucht auf dem Weg nach oben. Der Lokalpolitiker Siebicke jedenfalls ist überzeugt, Audi „investiere nicht in Mittelmäßigkeit“ und werde „das Ziel haben, mit dem FC 04 ganz oben mitzuspielen“. Gärtner spricht mäßigend von einer Begleitung durch Audi, von Strategien, einer Mission und Vision. Mehr ins Detail geht er nicht. Doch für ein bisschen Zittern in der Bundesliga reicht das schon.

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