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Ömer Toprak war beim 1:3 gegen Real Madrid auch als Balljunge gefragt.

© Odd Andersen/AFP

Champions League: "Nicht Borussia-Dortmund-Niveau"

Beim 1:3 zeigt Real Madrid Borussia Dortmund die Grenzen des eigenen Stils auf. Vor allem Defensiv muss der BVB zulegen.

Zinedine Zidane steht nicht unter erhöhtem Plaudertaschenverdacht. Auf dem Rasen hat er früher seine Füße sprechen lassen, auf der Trainerbank von Real Madrid überlässt er das seinen Spielern. Der französische Weltmann kleidet seine öffentlichen Auftritte in einen spröden Charme, der in dramatischem Gegensatz zu seiner einstigen Grandezza auf dem Platz steht. In Dortmund aber hat Zidane einen sehr schönen Satz gesagt. Ein Kompliment an den Fußball, wie er dort gelebt wird, auf diesem „Campo dificil“, einem schwierigen Platz, dem eine besondere Eigenschaft zu eigen sei: „Dieses Stadion atmet den Fußball!“

Am Dienstagabend offenbarte sich die Atmung als heiseres Rasseln, zuweilen streikte die Luftzufuhr komplett. Den Soundtrack dazu lieferte Helene Fischer, die einen Abstoß entfernt in der Westfalenhalle gastierte, atemlos in dieser nasskalten Nacht. Borussia Dortmund gab alles, frenetisch angetrieben vom Publikum, aber es war nicht genug. 3:1 siegte Real am zweiten Spieltag der Champions League, hochverdient, wie auch die gesamte Dortmunder Belegschaft hervorhob. Und doch war der Champions-League-Sieger der vergangenen zwei Ausspielungen sichtlich beeindruckt vom Ambiente. Vor allem in der zweiten Halbzeit, als Real in Richtung Südtribüne spielte, wo traditionell die leidenschaftlichsten Fans der Bundesliga stehen. Die Dortmunder erzählten später vom Smalltalk mit ihren Madrider Kollegen, allesamt hätten sie festgestellt: Hier bebt der Rasen!

Selbst- und Systemkritik

Nun blockiert Leidenschaft zuweilen die Selbstregulierung. Auf höchstem Niveau entscheiden die kleinen Fehler, und davon machte der BVB einfach zu viele. Nicht so sehr im Angriffsspiel, das gewohnt schön anzuschauen war, sehr wohl aber in der Rückwärtsbewegung. Alle drei Madrider Tore resultierten aus einem Dortmunder Mangel an Antizipation, der Fähigkeit, einen Spielzug vorauszudenken und dem Gegner den Raum zu rauben.

In der Bundesliga hat der BVB zuletzt durchaus Angriffsflächen geboten, aber die Konkurrenz dort war an den ersten fünf Spieltagen nicht in der Lage, daraus Profit zu schlagen. Gegen Real spielten die Dortmunder keineswegs so vogelwild nach vorn wie drei Tage zuvor beim 6:1 gegen Borussia Mönchengladbach. Doch die schon am Samstag erkennbaren Fehler in der defensiven Raumaufteilung wirkten sich am Dienstag spielentscheidend aus.

Kein Vorwurf an die Abwehrspieler, sprach Peter Bosz, der selbstkritischste aller selbstkritischen Dortmunder. „Defensives Verhalten ist immer eine Angelegenheit der gesamten Mannschaft. Wenn man so spielen will, wie wir es wollen, dann müssen alle richtig Druck machen. Wenn Stürmer und Mittelfeldspieler das nicht tun, haben die Verteidiger ein Problem.“ Die Systemkritik des Dortmunder Trainers in eigener Sache kulminierte in der Feststellung: „Das war nicht Borussia-Dortmund-Niveau!“

Machtdemonstration vor Mitternacht

Zinedine Zidane darf das als Kompliment an seiner Arbeit empfinden. An der spielerisch leicht wirkenden Verdichtung der Räume in der Rückwärtsbewegung und der ziehharmonikaartigen Ausdehnung, wenn es nach vorn geht. Real versteht es meisterhaft, auf dem Rasen geometrische Figuren zu bilden; Dreiecke mit Fixpunkte in weißen Leibchen, die eine schwerelose Zirkulation des Balles ermöglichen, bis er dann ansatzlos in die Tiefe gespielt wird, vom eleganten Luka Modric und dem eiskalten Toni Kroos, beide Meister des tödlichen Passes. Zur finalen Verwertung stehen Matadore wie Cristiano Ronaldo und Gareth Bale bereit, beide trafen sie auch in Dortmund und hätten noch häufiger treffen können. Ronaldo nannte Reals Machtdemonstration vor Mitternacht „ein komplettes Spiel, defensiv wie offensiv“.

Der Dortmunder Roman Bürki hatte als Torhüter beste Sicht auf das, was sich zwischen beiden Strafräumen abspielte. „Wir haben unseren Stil, den wir auch in der Liga durchziehen“, befand der Schweizer. „Heute haben wir die Grenzen aufgezeigt bekommen.“ Aber das war auch nicht irgendein Gegner, „das war Real Madrid“, sagte Dortmunds Feingeist Nuri Sahin. „Da braucht du schon einen Sahnetag. Den hatten wir nicht.“

Null Punkte aus den ersten beiden Gruppenspielen in der Champions League entsprechen natürlich nicht der Dortmunder Zielsetzung. Real und Tottenham Hotspur stehen mit jeweils zwei Siegen vorn. Wenn es noch etwas werden soll mit der Qualifikation für das Achtelfinale, müssen es aus den beiden folgenden Duellen mit Apoel Nikosia schon sechs Punkte sein. „Schauen wir mal, wie Real und die Spurs gegeneinander spielen, danach sehen wir weiter“, sagte Peter Bosz.

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