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Steil nach oben. Unter Trainer Alexander Nouri ging es für Werder nur in eine Richtung.

© dpa

Bundesliga-Saisonvorschau (11): Werder Bremen nimmt sich historische Vorbilder

Erstmals seit vielen Jahren geht Werder Bremen mit höheren Zielen als dem Klassenverbleib in die Bundesliga-Saison - nicht zuletzt dank Trainer Alexander Nouri.

Am 18. August startet die Fußball-Bundesliga in die neue Saison. In unserer Serie testen wir die Vereine. Teil elf: Werder Bremen.

Was hat sich verbessert?

Die Stimmung natürlich. Zum ersten Mal seit einer kleinen Ewigkeit starten die Bremer nicht als Abstiegskandidat in eine neue Saison. Je nach Grad der Betroffenheit war Werder in den vergangenen Jahren vor dem Saisonstart entweder fast sicherer Absteiger (normaler Fan) oder sicherer Absteiger (Hardcore-Fan). Das vergangene halbe Jahr (viertbeste Rückrundenmannschaft) hat nun die Hoffnung genährt, dass Werder nach einer Periode des Durchhängens doch wieder Werder wird: aufregend (nicht nur vor dem eigenen Tor) und erfolgreich. „Unsere Ansprüche sind hoch“, sagt Trainer Alexander Nouri.

Wer sind die Neuen?

Wenn ein Verein auf dem Weg nach oben für bescheidene 1,2 Millionen Euro einen 29 Jahre alten Mittelfeldspieler verpflichtet, der gerade aus der Bundesliga abgestiegen ist, dann sollte man nicht erwarten, dass die Fans vor Entzückung Tango tanzen. So war das auch, als die Bremer im Mai verkündet haben, dass sie Jerome Gondorf von Darmstadt 98 unter Vertrag genommen haben. Die Reaktion? Vornehmes Desinteresse. Dass ein User im Werder-Forum die Verpflichtung als „Königstransfer“ bezeichnet hat, sollte man daher zwingend ironisch verstehen. Oder vielleicht doch nicht? „Er wird mehr Spiele machen, als die meisten denken“, sagt Manager Frank Baumann über den uneitlen Gondorf, der so etwas wie der zwölfte Mann im Kader ist. Eigentlich steht er immer auf dem Platz, weil in der Regel mindestens einer aus der ersten Elf fehlt. Zu der zählen wohl die beiden anderen Neuen Ludwig Augustinsson, 23, der als linker Außenverteidiger in der Vorbereitung überzeugt hat, und der tschechische Nationaltorhüter Jiri Pavlenka, 25. „Er wird uns auf der Position besser machen“, sagt Trainer Nouri über den Nachfolger von Felix Wiedwald. Die Fans sind sich da nicht ganz so sicher. Pavlenka ist zwar stark auf der Linie, schwächelt aber mit dem Fuß und in der Strafraumbeherrschung. Und auch Stürmer Yuning Zhang, 20, Leihgabe von West Bromwich, muss erst noch beweisen, dass seine Verpflichtung nicht nur eine PR-Maßnahme zur Erschließung des riesigen chinesischen Marktes ist. Zweifel sind durchaus angebracht: Denn neben einem Innenverteidiger fahndet Werder Bremen weiterhin nach einem Stürmer.

Wer hat das Sagen?

Alexander Nouri hat sich bei Werder in rasender Geschwindigkeit eine Machtposition erarbeitet, die schon an historische Vorbilder (Rehhagel, Schaaf) heranreicht. Im Februar, nach dem Absturz auf den Relegationsrang, galt er schon als so gut wie entlassen; ein paar Monate später, nach zwischenzeitlich elf Spielen ohne Niederlage und der besten Platzierung seit 2010 (Rang acht), ist der 37-Jährige nahezu unantastbar. „Alexander, der Starke“, hat der „Kicker“ ein Porträt Nouris überschrieben. Es hätte auch „Alexander, der Böse“ darüber stehen können. Der Text zeichnet das Bild eines Trainers, der sich nach außen sympathisch und eloquent zu geben versteht, der aber von Eitelkeit und Egoismus getrieben ist. So habe Co-Trainer Florian Bruns gehen müssen, weil Nouri ihm die Beliebtheit bei der Mannschaft geneidet habe. Man kann den Trainer aber auch einfach nur für konsequent halten, weil er nach Jahren des – optimistisch betrachtet – Mittelmaßes den Mut aufgebracht hat, unbequeme Entscheidungen zu treffen. Was Nouri neben dem Platz ist, ist Thomas Delaney auf dem Rasen. Der Däne hat ebenfalls nur ein halbes Jahr gebraucht, um zum Herrscher im Mittelfeld aufzusteigen. Delaney ist gewissermaßen die zeitgenössische Version von Torsten Frings: fleißig, unbequem, unbeugsam – und damit für die Stabilität des Gesamtkonstrukts immens wichtig.

Was erwarten die Fans?

Die Fans sind noch dabei, die Schreckensnachricht zu verdauen, dass der ewig junge Claudio Pizarro mit süßen 38 Jahren ab sofort nicht mehr das Trikot mit der Werder-Raute tragen wird. Vielleicht hilft beim Verdauungsprozess ein Blick auf die nüchternen Zahlen: Der Peruaner hat in der vergangenen Saison 19 Mal für Werder gespielt, stand sechs Mal in der Startelf und hat einmal getroffen. Sein Beitrag zum Aufschwung Werders war also überschaubar, sein Abschied bedeutet folglich nicht zwingend, dass die Anhänger ihre Europapokalambitionen schon wieder begraben müssen, bevor sie sie überhaupt zu hegen wagen.

Was ist in dieser Saison möglich?

Werder geht mit der Euphorie eines erfolgreichen Halbjahres in die neue Spielzeit. Damit diese Euphorie nicht ins Unermessliche steigt, hat die DFL den Bremern einen Saisonstart mit Spielen in Hoffenheim, gegen Bayern und bei Hertha BSC beschert. Möglicherweise muss man Frage eins (Was hat sich verbessert?) Anfang September also noch einmal neu stellen. Und auch wenn die Bremer bewiesen haben, dass sie zu Aufholjagden fähig sind: Die Rückkehr in den Europapokal wird noch auf sich warten lassen. Eine vom ersten bis zum letzten Spieltag sorgenfreie Saison wäre schon ein großer Erfolg.

Und sonst?

Gibt es immer noch Bereiche, in denen Werder zur Bundesliga-Spitzengruppe gehört. Bei den Trikotpreisen nämlich. Da belegen die Bremer mit 84,95 Euro für ein unbeflocktes Trikot den (geteilten) vierten Platz. Leider liegt vor ihnen noch der ewige Rivale aus Hamburg, mit fünf Punkten ähem Euro Vorsprung. Aber welcher Werder-Fan braucht schon ein HSV-Trikot?

Nächste Folge: SC Freiburg. Bisher erschienen: Hannover 96, VfB Stuttgart, VfL Wolfsburg, 1. FSV Mainz 05, Hamburger SV, FC Augsburg, Bayer Leverkusen, Eintracht Frankfurt, FC Schalke 04 und Borussia Mönchengladbach.

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