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Heilsbringer oder Hassfigur? An Martin Kind scheiden sich in Hannover seit jeher die Geister.

© Team 2/Imago

Bundesliga-Saisonvorschau (1): Hannover 96: Kippe, Kind und Kanzler

Hannover 96 spielt in dieser Saison wieder in der Bundesliga. Richtig trösten tut das die Fans nicht. Sie sind verärgert über ihren Präsidenten, der allmächtige Ambitionen und Pläne hat.

Von Benjamin Apitius

Am 18. August startet die Fußball-Bundesliga in die neue Saison. In unserer Serie testen wir die Vereine. Heute Teil eins: Hannover 96.

Was hat sich verbessert?

Zu allererst: Der Verein gehört wieder zu den besten 18 Mannschaften in Deutschland! Wie bitte? Sie hatten gar nicht mitbekommen, dass Hannover 96 in die Zweite Liga abgestiegen war? Sie wissen gar nicht, dass dieser Fußballverein überhaupt existiert? Und eine deutsche Stadt mit dem Namen Hannover ist Ihnen auch nicht bekannt? Dann bleibt Ihnen nicht mehr viel Zeit, den Klub mit all seinen leidenschaftlichen Anhängern kennenzulernen: Hannover 96 schafft sich gerade selbst ab. Das Verhältnis zwischen der Vereinsführung und der Fanbasis mit seinen Ultras steht unmittelbar vor dem endgültigen Bruch.

Wer hat das Sagen?

Seit einem guten halben Jahr fungiert nun zwar Gerhard Schröder – den kennen Sie, oder? – als Aufsichtsratsvorsitzender des Klubs. Vom Vereinspräsidenten Martin Kind wurde der ehemalige Bundeskanzler bei seiner Präsentation aber lediglich als „Türöffner“ vorgestellt, als einen Mann also, der für den Verein neue Sponsoren besorgen soll. Und so wären wir gleich beim wahren 96-Macher angelangt: Kind. Der Legende nach holte der 73 Jahre alte Unternehmer den SPD-Mann nur ins Amt, weil er nach einer öffentlichen Entgleisung um Wiedergutmachung bemüht war. Solche Alleingänge des Präsidenten können sich ab Ende September häufen. Kind ist dann 20 Jahre Präsident bei Hannover und könnte dank einer Ausnahmeregelung bei der Deutschen Fußball-Liga die „50+1“-Regel umgehen und damit die Mehrheit des Klubs übernehmen. Am Montagabend stimmte der Aufsichtsrat diesem Vorhaben zu. Ein Großteil der 96-Ultras hingegen versucht das schon seit langem zu verhindern. Vor allem die Faninitiative „Pro Verein“ will den Profifußball nicht komplett vom Breitensport gelöst sehen. Kind aber strebt genau das an. Bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung in den kommenden Wochen haben die Mitglieder jedoch (womöglich) noch einmal das Recht, diesen Übernahmevertrag abzulehnen. Eine solche Abstimmung wurde auf der vergangenen Mitgliederversammlung im April beschlossen.

Wer sind die Neuen?

Manager Horst Heldt konnte bisher zwar acht Spieler präsentieren, die sich in der kommenden Saison von der Existenz Hannovers überzeugen wollen, die namhaftesten unter ihnen sind Mittelfeldspieler Julian Korb (zuvor Borussia Mönchengladbach/drei Millionen Euro Ablöse) und Pirmin Schwegler (TSG Hoffenheim/ablösefrei), Torwart Michael Esser (SV Darmstadt/2) und Verteidiger Matthias Ostrzolek (Hamburger SV/ablösefrei). Doch eigentlich lautet bei Hannover 96 derzeit das Motto: Keine Neuen! Denn Anfang Juli lehnte der Verein mindestens 119 Anträge auf eine neue Mitgliedschaft ab, begründet wurde dieser Schritt lediglich mit „Vereinsinteressen“. Brisant wird der Fall vor allem dadurch, dass die Anträge gesammelt im Namen der oppositionellen Initiative „Pro Verein“ eingereicht wurden – kurz vor der entscheidenden Abstimmung über 50+1.

Was erwarten die Fans?

Die sportliche Vorfreude nach dem direkten Wiederaufstieg liegt bei vielen Fans tief vergraben unter dem Ärger über den Vereinsoberen. So will Martin Kind seine Übernahme mit aller Macht durchdrücken und sogar die entscheidende Abstimmung am liebsten gleich platzen lassen – weil ihm wohl eine Niederlage droht. Nach Informationen der „taz“ laufen gerade mehrere interne Verfahren gegen Kind. Es geht um die Frage, ob die bevorstehende Abstimmung zum 50+1-Prozess nur beraten oder tatsächlich beschließen darf.

Was ist in dieser Saison möglich?

Bei einigen Wettanbietern belegt Hannover in der Prognose den letzten Platz. So kann man bei einem Meisterschaftstipp zwar auf eine 750-fache Auszahlung hoffen, doch lassen wir das lieber. Der Verein stellt sich den deutlich anspruchsvolleren Bundesliga-Aufgaben mehr oder weniger mit seinem Zweitliga-Kader aus der vergangenen Saison. Diesen Ausflug konnte die Mannschaft von Trainer André Breitenreiter immerhin mit der besten Heimbilanz auf Platz zwei abschließen. Doch große Hoffnung macht das nicht: Hannover findet sich wohl im Abstiegskampf wieder.

Und sonst?

Trainer Breitenreiter hatte eine Idee. Mitten in der Saisonvorbereitung erlaubte er seinen Spielern in einem „Bild“-Interview den Konsum von Zigaretten. Bei all den Querelen, noch dazu in einer Stadt, die es nicht gibt, wohl die letzte Aussicht auf etwas gute Laune.

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