zum Hauptinhalt
Keine leeren Hände mehr. Thomas Tuchel kann gegenüber der Klubführung von Borussia Dortmund nun auch seinen ersten Titel vorweisen.

© REUTERS

Borussia Dortmund: Thomas Tuchel: Zu sehr Professor

Thomas Tuchel führt Borussia Dortmund mit dem DFB-Pokalsieg zum ersten Titel seit fünf Jahren – und steht wohl dennoch vor dem Aus als BVB-Trainer.

Die Spieler, die Betreuer, die Reservisten, alle versammelten sie sich freudig strahlend vor der Dortmunder Bank – nur einer, der feierte lieber alleine. Thomas Tuchel ballte nach dem frühen 1:0 durch Ousmane Dembélé beide Fäuste und bewegte sie vor dem Oberkörper hin und her, die doppelte Becker-Faust sozusagen. So jubelte der Trainer von Borussia Dortmund am Rande der Coaching-Zone für mehrere Sekunden, während sich seine Spieler zwei Meter entfernt herzten. Anschließend gab es von Tuchel für die BVB-Profis nicht etwa einen zufriedenen Klaps, sondern taktische Anweisungen.

Auch wegen Tuchel-typischer Szenen wie dieser ist der Trainer in Dortmund nie so richtig angekommen – und wird es aufgrund seines wohl nahenden Abschieds auch nicht mehr. Nach sieben Jahren mit Jürgen Klopp, der Mannschaft und Fans mit seiner emotionalen Art mitzureißen vermochte, ist Tuchel ziemlich genau das Gegenstück.

Außer der Mainzer Vergangenheit haben beide kaum Gemeinsamkeiten. Während Klopp schon zu seiner aktiven Zeit ein Arbeiter und Einpeitscher war, ist sein Nachfolger eher ein Fußball-Professor. Er verfolgt das Spiel meist bewegungslos von der Seitenlinie. Bei einem gelungenen langen Ball klatscht er ein, zwei Mal schnell in die Hände, mit den Armen weist er die gewünschte Richtung der Pässe. Dass er das Publikum zu mehr Leidenschaft animiert wie Klopp, wird man von ihm nicht sehen. Tuchel befindet sich während der 90 Minuten in einem Tunnel.

In den nächsten Tagen entscheidet sich Tuchels Zukunft

Sportlich hat das seiner Mannschaft nicht geschadet. In seinen zwei Jahren beim BVB hat er alle Ziele erreicht. Dortmund hat sich zweimal direkt für die Champions League qualifiziert, ist im Europapokal jeweils unglücklich im Viertelfinale ausgeschieden und hat nun in Berlin den ersten Titel seit fünf Jahren geholt. Tuchel hatte noch überhaupt nichts gewonnen, seit er vor fast acht Jahren bei Mainz 05 zum Bundesliga-Trainer befördert wurde.

Der sportliche ist für die sehr wahrscheinliche Trennung aber auch nur ein Randaspekt. Es sind viel mehr die menschlichen Differenzen zwischen dem Trainer und der Vereinsführung, die eine Fortsetzung der erfolgreichen Arbeit wohl nicht mehr zulassen. Das Verhältnis von Tuchel und Hans-Joachim Watzke war nie von großer Herzlichkeit geprägt, spätestens seit dem Anschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus im April und dem daraufhin von Watzke eingeräumten „Dissens“ sind die Probleme offenkundig.

In den kommenden Tagen soll ein Treffen stattfinden, in dem über die Zukunft des Trainers entschieden werden soll. Tuchel sagt, er würde seinen bis 2018 laufenden Vertrag gerne erfüllen. Ob das in Anbetracht der schwierigen vergangenen Wochen der Wahrheit entspricht, ist zumindest fraglich. Zumal der Pokalsieg die tiefen Risse wohl kaum schließen kann.

Die Fans begeistern sich mehr für Aubameyang

So war der größte Tag in Tuchels Amtszeit wohl auch sein letzter. Das gilt vermutlich ebenso für Pierre-Emerick Aubameyang. Der Torschützenkönig wird den BVB vermutlich verlassen – anders als Tuchel würden die Dortmunder ihn ganz gerne behalten. Sollte Aubameyang aber tatsächlich um die Freigabe bitten und ein Verein mehr als 70 Millionen Euro Ablöse bieten, würde die Borussia dem Gabuner keine Steine in den Weg legen.

Dass er so viel Geld wert ist, zeigte Aubameyang im Olympiastadion lange Zeit nicht. Mitte der zweiten Hälfte trat der Torjäger dann erstmals in Erscheinung. Sein schöner Seitfallzieher wurde aber noch an die Latte abgewehrt. Kurz darauf bewies er starke Nerven. Vom Elfmeterpunkt chippte er den Ball lässig in die Mitte des Tores vor der Dortmunder Kurve. Es war der Siegtreffer und Aubameyang ließ ihm seinen bekannten Salto folgen. Auf den Rängen jubelten die Fans und feierten ihren Torjäger. Emotional wird ihnen der Abschied von Aubameyang sicher schwerer fallen als der von Thomas Tuchel.

Zur Startseite