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Blau-Weiß 90 spielte in der Saison 1986/1987 unter anderem gegen den FC Bayern München in der Bundesliga.

© imago/HJS

Berliner Fußball-Tradition: Hinter der Bundesliga geht’s weiter

Sie spielten einmal oben mit. Danach folgte der Absturz, das Ende oder ein Neuanfang. Was aus den großen Berliner Fußballklubs geworden ist.

Fußball-Hauptstadt Berlin! Der älteste noch existierende Klub Deutschlands ist hier zu Hause: Germania 88 wird dieses Jahr 130 Jahre alt. Der 1890 in der Stadt gegründete Bund Deutscher Fußballspieler war der erste deutsche Fußballverband. Viele noch existierende Vereine sind mehr als 100 Jahre alt. Aber es verschwinden auch immer wieder bedeutende Namen. Wir zeichnen den Weg von Klubs nach, bei denen das in diesem Jahrtausend der Fall war. Bei zweien erst vor Kurzem, Ende 2017. All diese Klubs haben den Berliner Fußball mitgeprägt, teilweise überregional gespielt. Manche sind nach einer Fusion, mit der Hoffnung auf eine erfolgreiche Zukunft, unter neuem Namen aufgetaucht. Andere sind Fußball-Geschichte.

SPANDAUER SV
Im Senegal geht es weiter
Auf der Webseite des Spandauer SV ist die Zeit stehengeblieben. In der Landesliga-Tabelle von Ende November 2014 ist der SSV Letzter. Darüber steht ein Spendenaufruf. Aber es ist schon lange nichts mehr zu retten. Groß abgebildet ist der Beschluss zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Amtsgericht Charlottenburg. Wenige Wochen nach dem 120. Geburtstag war der Klub am Ende. Nach zwei Berliner Meistertiteln, fünf Pokalsiegen und 1975/76 einer Saison in der Zweiten Liga. Die Ewige Tabelle listet den Verein da auf dem 125. und somit letzten Platz. Mitte der 90er Jahre musste der SSV den kleinen, engen Platz in der Neuendorfer Straße verlassen, dort entstanden Wohnungen. Danach ging es bergab, auch finanziell. Nun lebt der Spandauer SV im Senegal weiter. Ein Fan mit familiären Beziehungen ins Land hat Freizeitteams mit mehreren Sätzen der nicht mehr benötigten Trikots ausgestattet.

[Lesen Sie im Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel, wie es wirklich war: Denn hier erinnert sich der damalige SSV-Trainer Fritz Martin, 83, an eine total ulkige Saison ("Ich war nur der Strohmann"). Das Interview lesen Sie im Spandau-Newsletter. Unsere Bezirksnewsletter haben schon 180.000 Haushalte abonniert. Die gibt es kostenlos und in voller Länge unter leute.tagesspiegel.de]

BFC VIKTORIA 89
Fusionen für Fortgeschrittene
FC Viktoria 89: klingt kurz und knackig. Doch dahinter verbirgt sich eine Geschichte aus der Abteilung Fusionen für Fortgeschrittene. Klar, im Namen des Regionalligisten steckt der zweimalige Deutsche Meister BFC Viktoria 89. Dass auch die komplette Lichterfelder Fußball-Tradition drin ist, erschließt sich nur über die offizielle Bezeichnung: FC Viktoria 1889 Berlin Lichterfelde-Tempelhof. 2013 fusionierten Viktoria und der mit einer riesigen Jugendabteilung gesegnete Lichterfelder FC. Der LFC hieß früher VfB Lichterfelde. Der VfB war wiederum eine Fusion aus FV Brandenburg-Lichterfelde (BraLi) und der Lichterfelder Sport-Union. BraLi war durch den – einen haben wir noch – Zusammenschluss des FC Lichterfelde 12 und dem FV Brandenburg 92 entstanden.

WACKER 04
Schön war die Zeit
Es ist einer der am schönsten gelegenen Fußballplätze Berlins, nicht weit vom S-Bahnhof Eichborndamm. Umgeben von hohen Bäumen, ringsherum Kleingärten, spielte Wacker 04 (Jugendverein des späteren Bundesliga-Torwarts Richard Golz) in den 70er Jahren in der Zweiten Liga. Erst einige Jahre zuvor hatte der Platz Duschen in den Kabinen bekommen. Der Zuschauerrekord auf dem Wackerplatz stammt aus dem Jahr 1949: 16 000 in der Stadtliga gegen Union Oberschöneweide. Heute steht das Gras auf den Rängen hoch, die Sitzbänke sind ältlich. Ab und an tragen die Füchse Berlin ein Spiel auf der Anlage aus, die inzwischen Sportplatz Kienhorststraße heißt. Auch Wacker 04 gibt es nicht mehr. Konkurs im Jahr 1994. Eine Weile spielte man mit dem einst großen Rivalen Alemannia als BFC Alemannia 1890-Wacker. 2013 wurde Wacker gestrichen.

SC TEGEL
Es war einmal in Wuppertal
Am 30. Juni 1962 spielte der SC Tegel als Außenseiter im Finale um die damals sehr angesehene deutsche Amateurmeisterschaft. Tegel schaffte vor 12 000 Zuschauern in Wuppertal durch ein Tor von Karl Bölk 1:0 gegen TuRa Bonn den größten Erfolg der Vereinsgeschichte. Die endete 2002, zumindest unter dem alten Namen. Aus dem SC Tegel, wo Richard Golz ebenfalls in der Jugend spielte, und dem SC Heiligensee wurde der Nordberliner SC. Es ist eine der erfolgreicheren Fusionen in Berlin: Rund 1000 Mitglieder, sehr großer Nachwuchsbereich, die erste Männer-Mannschaft in der Berlin-Liga.

HOHENSCHÖNHAUSENER SV ROT-WEISS
Sportgemeinschaft statt Sportclub
In der DDR durfte nur den Namen Sportclub führen, wer eine besondere Förderung bekam. Daher musste sich der Hohenschönhausener SC in Sportgemeinschaft Hohenschönhausen umbenennen. Größte Erfolge des Gründungsmitglieds der DDR-Liga (zweithöchste Spielklasse) waren der Gewinn der Ost-Berliner Meisterschaft 1954 und des FDGB-Bezirkspokals 1958 und 1975. Nach der Wende gab es wie bei vielen Vereinen aus Ost-Berlin Namenswechsel, schließlich zum Hohenschönhausener SV Rot-Weiß. 2011 folgte die Fusion mit dem Weißenseer FC, dessen Name erhalten blieb. Heute spielt Weißensee in der Bezirksliga.

1. FC NEUKÖLLN
Serbien lässt grüßen
Novi Pazar ist Achter in der zweiten serbischen Liga. Und Elfter in der Berliner Landesliga. Geht nicht? Geht doch! Dank Ismet Bisevac, Präsident beim 1. FC Novi Pazar 95, der bis vergangenen Oktober 1. FC Neukölln hieß. Gründungsjahr 1895. Die Umbenennung stieß vor allem bei langjährigen Mitgliedern auf wenig Begeisterung. Bisevac stammt aus der serbischen Stadt Novi Pazar, nah an Montenegro und dem Kosovo gelegen, und hat eine Kooperation mit dem dortigen Fudbalski klub abgeschlossen, die auch den Austausch von Spielern umfassen soll. Für die nähere Zukunft wird der Aufstieg in die Berlin-Liga angestrebt – mit neuem Namen, neuem Wappen und neuen Vereinsfarben.

HELLAS-NORDWEST
Der Zeit voraus
Die Aufregung war groß im vergangenen Sommer am ersten Spieltag der Berlin-Liga. Die SpVgg Hellas-Nordwest lief in Trikots mit dem Aufdruck Berlin Türkspor auf. Obwohl die Fusion von Hellas (1904 gegründet) und Türkspor, dem ältesten Verein mit türkischen Wurzeln in Berlin (1965), noch nicht durch war. Inzwischen ist alles über die Bühne. Angestoßen hat das Ganze der Hellas-Vorsitzende Metin Yilmaz, der früher für Türkspor kickte. Beide Vereine haben zuletzt sehr unterschiedliche Entwicklungen genommen: Hellas schaffte es aus den Kreisliga-Niederungen in die Berlin-Liga. Türkspor war früher in der Oberliga und stand im Berliner Pokalendspiel, spielte zuletzt aber in der Kreisliga C. Trotzdem gibt es noch eine Basis an Anhängern und möglichen Sponsoren. Das fehlte Hellas-Nordwest, wo dafür der sportliche Erfolg ist. Nun wird im Idealfall beides zusammengefügt.

SPANDAUER BC
Lasst es euch schmecken
Der FC Spandau 06 führte schon viele Namen. Am bekanntesten ist die Bezeichnung Spandauer BC, so hieß der Verein von 1921 bis zur Fusion mit dem 1. FC Spandau im Jahr 2003. Der SBC war über Jahrzehnte Stammgast in der West-Berliner Oberliga. Momentan spielt Spandau 06 in der Landesliga. Namen ändern sich, anderes bleibt. Etwa die gute Currywurst bei den Heimspielen am Sonntagvormittag auf dem in Abschlagweite zur Havel liegenden Ziegelhof und das Gewinnspiel in der Halbzeitpause.

BLAU-WEISS 90
Hoch, runter und wieder etwas hoch
Die jüngere Vereinsgeschichte von Blau-Weiß 90 ist etwas für Fußball-Nostalgiker: „Blau-Weiß 90 is back“ lautet das Motto des Vereins. Über 20 Jahre war Blau-Weiß 90 weg. Richtig weg. Nach einem rasanten Aufstieg, der 1986/87 in einem Jahr Bundesligazugehörigkeit mit dem jungen Karl-Heinz Riedle gipfelte, führte der Fahrstuhl in die andere Richtung. 1992 war die Zweitliga-Lizenz futsch. Folge: Konkurs, Vereinsauflösung und Neustart als SV Blau-Weiss in der Kreisliga C. Über die Landesliga kam der Verein lange nicht hinaus. 2015 dann die Rückbenennung, 2016 der Aufstieg in die Berlin-Liga. Dort führt die Sportliche Vereinigung Blau-Weiß 1890, so der offizielle Name, die Tabelle an. Ziel ist der Aufstieg in die Regionalliga innerhalb von fünf Jahren. So hoch wie einst beim größten Erfolg wird es aber sicher nicht mehr gehen: 1905 war der Berliner TuFC Union 92, einer der Vorgänger von Blau-Weiß 90, Deutscher Meister.

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