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Überwältigt. Laura Ludwig (l.) und Kira Walkenhorst nach dem Matchball.

© dpa

Beachvolleyball-Gold in Rio: Laura Ludwig und Kira Walkenhorst: Einfach perfekt

Die Beachvolleyballerinnen Ludwig und Kira Walkenhorst lassen sich von nichts stoppen: nicht von den Brasilianerinnen, den Fans oder vom Wind.

Als alles vorbei ist, hat Laura Ludwig erst mal Durst. „Ich brauch’ jetzt Champagner!“ ruft die Berlinerin mit Wohnsitz in Hamburg, und es darf wohl davon ausgegangen werden, dass in dieser Nacht von Rio de Janeiro noch das eine oder andere Getränk gereicht wird. Was ist das für eine Nacht: Erst kreuzt ein Kriegsschiff vor der Copacabana, dann brüllen die Zuschauer, und später kommt auch noch ein Sturm. „Fuck it“, kreischt Ludwig, „da haben wir eben unseren eigenen Sturm gemacht.“

Der deutsche Sturm weht heftig und einschneidend im Finale des olympischen Beachvolleyballturniers. Zur Vorführung kommt eine Machtdemonstration der Deutschen, an deren Ende die erste Goldmedaille für ein europäisches Beachvolleyballerinnenduo steht. Nach zwei einseitigen Sätzen siegen Ludwig und Kira Walkenhorst 21:19 und 21:14 gegen die Brasilianerinnen Agatha Bednarczuk und Barbara Seixas, die zwar die überwiegende Mehrheit der 12.000 Zuschauer in der Arena am berühmtesten Strand der Welt hinter sich haben – und doch chancenlos sind. „Es war schon sehr laut, wir haben kaum unser eigenes Wort verstanden“, sagt Ludwig. „Darauf muss man sich erst mal einstellen. Aber wir sind ruhig geblieben und haben uns nicht nervös machen lassen.“

Die lauten Fans verunsichern die Deutschen nicht

An der Copacabana steigt ein einseitiges Finale mit zwei deutschen Frauen, die viel Spaß haben und wenig Probleme. Eigentlich haben sie nur ein einziges Problem, und das ist der Wind. Er ist zunächst gar nicht zu spüren, denn Rio hat einen sonnig-heißen Tag erlebt, und auch die Nacht zu Donnerstag lässt sich gut an. Als Ludwig und Walkenhorst kurz vor Mitternacht zum Einspielen auf den Strand schreiten, hängt noch die Hitze der vorangegangenen Stunden in der Luft. Kein Lüftchen weht, und Ludwig wählt unbedarft die nordöstliche Seite als Basis für den ersten Satz. „Verdammt, das war ein Fehler“, säuselt sie später. Der einsetzende Wind verbündet sich mit den Brasilianerinnen, aber das hilft ihnen genauso wenig wie das vor der Küste kreuzende Kriegsschiff. O Time da Alemanha, die deutsche Mannschaft ist in dieser Nacht einfach zu stark.

Warum? Das hätten die brasilianischen Fans in der Arena auch gern gewusst. Schon im Halbfinale haben die beiden Deutschen die an Nummer eins gesetzte brasilianische Kombination Larissa Franca/Talita Antunes da Rocha in den Sand gespielt. Das war eine gar nicht so dezente Kampfansage für das Finale, da hilft auch das Brüllen auf den steilen Tribünen nichts. Jeder Aufschlag der Deutschen wird mit Buhrufen und Pfiffen begleitet. Französische Stabhochspringer haben vor dieser Wand der Ablehnung kapituliert, die deutschen Beachvolleyballerinnen lassen sich nicht beirren. „Ist ja okay, dass die Brasilianer ihre Leute anfeuern“, sagt Ludwig, „das mit dem Buhen muss aber nicht unbedingt sein.“ Am Ende ist es vielleicht sogar zusätzliche Motivation. Die Souveränität des deutschen Auftritts widersteht jedenfalls jeder Anfeindung.

Nur einen Satz haben sie im Turnier abgegeben

Die Stringenz der Olympiasiegerinnen spricht für sich. Ludwig und Walkenhorst haben in Rio alle ihre sieben Spiele gewonnen und dabei nur einen Satz abgegeben. Die beiden bilden eine perfekte Kombination. Die lange Walkenhorst hat in Rio noch jeden Block perfekt gesetzt, auch im Finale entnervt sie mit ihren allseits präsenten Armen die Konkurrenz. Im Finale zieren Tapebänder ihre Schulter und ihre Knie. Zeichen einer harten Saison, „vor einem Monat hätte ich mir nicht vorstellen können, einen Aufschlag zu machen oder einen Schmetterball“, sagt sie. Jetzt reicht es schon wieder für einen Witz: „Schicker Schmuck, oder?“, sagt Walkenhorst. „Hab’ ich an der Copacabana gekauft.“

Ludwig ist ihr perfektes Pendant. Die 30-Jährige ist fünf Jahre älter als Walkenhorst, eher zierlich gebaut und vergleichsweise klein. Vor vier Jahren in London hat sie noch mit Sara Goller gespielt und es immerhin bis ins Viertelfinale geschafft. Goller hat danach aufgehört, Ludwig spielt weiter und brilliert immer wieder mit ihrer taktischen Überlegenheit.

Laura Ludwig findet jede Lücke

Sie schlägt nicht hart, aber smart. Wenn sich irgendwo auf dem sandigen Geviert eine Erfolg versprechende Lücke befindet, wird sie von Ludwig geortet. Eine statistische Auswertung dieses Turniers wird keinen Zweifel daran lassen, wer die meisten weichen und erfolgreichen Bälle gespielt hat. Vor Olympia haben sie vor allem ihre Aufschläge trainiert, und zwar so lange, „dass es uns schon zum Hals raushing“, sagt Ludwig und steckt dazu demonstrativ die Zunge raus: Bäääh! Der Erfolg gibt ihnen recht. Ludwig schafft im Finale zwei Asse, Walkenhorst eines, ihren Gegnerinnen gelingt kein einziges.

All dem haben die Brasilianerinnen nur den Rückhalt ihrer Fans entgegenzusetzen. Und den Wind, der über den Strand und das Spiel zeitweise in Richtung Lotterie weht. Es wird kalt, und die Deutschen lassen mit ihrer Überlegenheit auch die heißblütigsten Anhänger des Gegners frieren. Nervosität ist allein bei den Brasilianerinnen zu konstatieren – in diesem Sinne fällt auch der entscheidende Punkt aus. Es ist ein Aufschlag von Barbara ins Seitenaus, und die Siegerinnen trauen sich gar nicht richtig zu jubeln. Walkenhorst kniet sich in den Sand, Ludwig schlägt die Hände vors Gesicht, dann umarmen sich beide schüchtern und gratulieren den Gegnerinnen. Euphorie sieht anders aus. „Das wird noch ein bisschen dauern, bis das bei uns angekommen ist“, sagt Walkenhorst. „Aber wir sind jetzt Olympiasiegerinnen, und das fühlt sich ganz gut an.“

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