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Julia Görges nach ihrem Sieg bei der Zhuhai Elite Trophy im November.

© AFP/STR/China Out

An Angelique Kerber vorbeigezogen: Wie Julia Görges zu Deutschlands bester Tennisspielerin aufstieg

Julia Görges hat Angelique Kerber als beste deutsche Tennisspielerin abgelöst – 2018 könnte ihr Jahr werden.

Julia Görges weiß das nur zu gut: Tennis ist Kopfsache. Über sechs Jahre war die 29-Jährige aus Bad Oldesloe auf der Frauen-Tour ohne Turniersieg, als sie im Oktober nach Moskau reiste. Dort erreichte sie das Finale, es war das siebte seit ihrem Erfolg 2011 in Stuttgart. Die sechs vorherigen Endspiele hatte sie allesamt verloren, drei davon in der aktuellen Saison.

Es konnte also nur schiefgehen. Doch dann lief alles von selbst - erst ihr Spiel, dann ihre Tränen. Julia Görges hatte es geschafft und ihren ganz persönlichen Fluch besiegt. Es war ein überfälliger Erfolg, denn in der zweiten Saisonhälfte war die Deutsche eine der konstantesten Spielerinnen. Und so verwunderte es dann auch nicht, dass sie nur zwei Wochen später bei der B-WM in China gleich den nächsten Pokal nach Hause mitnehmen durfte.

Das Tennisjahr 2017 beendete Julia Görges auf Platz 14 der Weltrangliste, in die neue Saison geht sie als beste Deutsche und hat Angelique Kerber damit an der nationalen Spitze abgelöst. Wirklich wichtig ist ihr das nicht, genauso wenig wie die Aussicht, es 2018 vielleicht erstmals unter die Top Ten der Weltrangliste zu schaffen.

„Ich vergleiche mich nicht mit anderen Spielerinnen oder mit Angie. Auch andere Momentaufnahmen, wie ein Blick auf die Rangliste, sind mir da nicht wichtig“, sagte sie dem Tagesspiegel. Stattdessen setzt sie andere Prioritäten: „Für mich steht eine weitere Entwicklung meines Spiels im Vordergrund.“ In dieser Hinsicht hat sie in den vergangenen Monaten schon große Fortschritte gemacht, wobei ihr Potenzial nie wirklich zur Debatte stand.

Görges ist die vierte aus dem Kreis der goldenen deutschen Generation, die es zumindest in die erweiterte Weltspitze geschafft hat. Sabine Lisicki erreichte 2013 das Finale in Wimbledon, wo sie dem Druck nicht gewachsen war. Danach wurde sie vor allem von Verletzungen gestoppt. Ob sie es noch einmal zurück nach oben schafft, ist fraglich. Andrea Petkovic stand ein Jahr später im Halbfinale der French Open, bei ihr streikte nicht nur der Körper regelmäßig, sondern auch der Kopf.

In dieser Hinsicht hat auch Angelique Kerber bittere Erfahrungen machen müssen. Nach einem Traumjahr 2016 mit zwei Grand-Slam-Titeln und der Weltranglistenführung gelang ihr in der Folgesaison nicht mehr viel. Mental war sie mit ihrer Rolle als Topspielerin bei den Frauen überfordert.

Top Ten in Reichweite

Natürlich gibt es keine Garantie, dass das neue Jahr für Julia Görges so weitergeht, wie das alte aufgehört hat. Auch wenn Barbara Rittner, die Frauen-Chefin beim Deutschen Tennis-Bund, sagt: „Bei ihr stimmt es rundum. Wenn sie so weiterspielt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie in den Top Ten ist.“

Letztlich muss Görges die Bälle immer noch selbst über das Netz schlagen, Einflüsse von außen gilt es dabei zu ignorieren. Für sie spricht, dass sie mentale Tiefs kennt. Nicht zuletzt deswegen hat sie 2015 ihre Tenniskarriere komplett neu aufgerollt. Görges trennte sich von ihrem langjährigen Trainer Sascha Nensel und arbeitet seither mit Michael Geserer zusammen. Dazu setzte sie auch räumlich ein Zeichen und zog von Bad Oldesloe nach Regensburg. „Die Entscheidung mit diesem größeren Schritt und der damit einhergehenden Veränderung war für mich persönlich sehr wichtig“, sagt sie. Die Ergebnisse sprechen für sie.

Spielerisch war ihr zweiter Durchbruch nach guten Jahren 2011 und 2012 ohnehin keine Überraschung. Görges ist eine herausragende Allrounderin. Sie schlägt gut auf, im vergangenen Jahr gelangen ihr die zweitmeisten Asse auf der Tour. Dazu scheut sie sich nicht, auch ans Netz vorzurücken. Ihre langjährige Erfahrung im Doppel macht sich hierbei positiv bemerkbar. Und sie verfügt wie fast alle Topspielerinnen heutzutage über druckvolle Grundschläge. Körperlich ist sie fit, in ihrer Karriere blieb sie bisher nahezu verletzungsfrei. Die Australian Open ab Mitte Januar in Melbourne könnten das 39. Grand-Slam-Turnier in Folge sein, das sie bestreitet.

Motto: positiv denken

Bei den wichtigsten Events eines Jahres wartet Görges allerdings noch auf den einen ganz großen Erfolg. Über Achtelfinalteilnahmen ist sie bisher nicht herausgekommen. Alles Kopfsache? „Die Psyche ist sicherlich ein wesentlicher Baustein im Tennis“, sagt sie. Ihr Motto: positiv denken. Als ersten Formcheck spielt Görges in dieser Woche in Auckland. Insgesamt drei Mal stand sie beim Turnier in Neuseeland bereits im Finale – ein Mal im Einzel und zwei Mal im Doppel. Gewonnen hat sie bisher noch nie. Am Mittwoch zog sie durch ein 6:4, 6:0 gegen Viktoria Kuzmova aus der Slowakei ins Viertelfinale ein und trifft dort auf die Slowenin Polona Hercog.

Aber unabhängig davon ist inzwischen so manches anders, sowohl im Spiel als auch im Leben der Julia Görges. „Ich werde bei jedem Turnier mein Bestes geben. Das erwarte ich von mir“, sagt sie. Alles andere kommt dann schon ganz von selbst.

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