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Allein auf weiter Wiese. Pep Guardiola, scheidender Trainer des FC Bayern München.

© imago/Alterphotos

Abschied von Bayern München: Pep Guardiola: Einst Trainergott, bald Normalmaß

Einmal noch mit Bayern im Pokalfinale in Berlin, dann ist Schluss – in Manchester wird Pep Guardiola sehen, was er an den Münchnern hatte.

Eine Möglichkeit bekommt er vielleicht noch. Vorausgesetzt, der FC Bayern gewinnt das Finale um den DFB-Pokal gegen Borussia Dortmund am heutigen Sonnabend im Berliner Olympiastadion. Dann könnte Pep Guardiola einen Tag später oben vom Münchner Rathausbalkon winken, Kusshände werfen in Richtung der Feiernden auf dem Marienplatz und mit der Trophäe unter dem Arm schmachtend ins Mikrofon säuseln: „Ich liebe euch alle.“ Oder: „Ihr werdet mir fehlen. Ihr, die Stadt, der Verein.“

Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Pep Guardiola das nicht machen, weil er ja Pep Guardiola ist und Emotionen, abseits eines Spiels, nicht seine Sache sind. Waren es nie, nicht in den drei Jahren beim FC Bayern und auch nicht davor. Weil er nicht so fühlt. Der katalanische Trainer hat sich stets eine Distanz bewahrt während seiner ersten Auswärtsstation, zum Klub, zu den Spielern, zur Stadt, zu den Fans. Franck Ribéry sagt: „Pep ist ein anderer Trainer mit einer anderen Mentalität.“ Ein anderer Trainer als Jupp Heynckes, Guardiolas menschelnder Vorgänger, dessen Erbe Guardiola stets umgeisterte. Das Triple, Meisterschaft, Pokal, Champions League, hat er nicht wie Heynckes gewonnen.

Heraus kam ein Fußball, wie ihn die Bundesliga noch nicht gesehen hat

Ribéry wird Guardiolas Abgang wohl verschmerzen, wie so manch anderer im Kader auch. Gleiches gilt für die Fans. Unter ihnen dominiert die Vorfreude auf Nachfolger Carlo Ancelotti, dem im Zwischenmenschlichen eine viel größere Bereitschaft zur Empathie nachgesagt wird. Schenkt man den Geräuschen, die aus dem Klub nach außen dringen, Gehör, kommt Guardiolas Abschied gerade recht. Auch der Trainer betonte zuletzt immer mal wieder, dass drei Jahre bei einem Klub von der Größe des FC Bayern genug sind.

Todo bien? Alles gut?

Vermutlich werden der FC Bayern und Pep Guardiola eine gewisse Zeit und Distanz brauchen, um zu erkennen, was sie aneinander hatten. Abgesehen von kleineren bis mittleren Reibereien passten beide perfekt zusammen. In München fand Guardiola Spieler vor, die vom Talent her am ehesten mit denen des FC Barcelona konkurrieren können. Neuer, Lahm, Alaba, Robben und der Rest – alles Weltklassefußballer, die technisch und taktisch in der Lage waren, seine anspruchsvollen Ideen mit Leben zu füllen. Heraus kam ein Fußball, wie ihn die Bundesliga noch nicht gesehen hat: dominant, ballsicher. Fußball wie am Reißbrett entworfen, so linear wie die Grenzen amerikanischer Bundesstaaten, aber mit der Wucht einer Planierraupe. Wer vom FC Bayern überrollt wurde, fühlte sich danach nicht selten wie eine plattgemachte Centmünze. Im Berliner Olympiastadion feierte Guardiola seine erste von drei Meisterschaften. Im März, so früh wie kein Trainer jemals zuvor. Wenig später folgte der DFB-Pokal, gegen Borussia Dortmund, den einzigen nationalen Rivalen, gegen den sich heute der Kreis schließt für Guardiola. Ein weiterer Sieg, und er hätte fünf von sechs möglichen nationalen Titeln gewonnen. Ancelotti wird daran gemessen werden.

Für Guardiola ist das ein großes Experiment

Das ist die eine Seite. Die andere spiegelt sich in den vergangenen Wochen. Im erneuten Aus im Halbfinale der Champions League, den Diskussionen um Aufstellung und Taktik, der unterkühlten Meisterschaftsfeier. Das alles hat mindestens einen schwarzen Pinselstrich hinterlassen auf Guardiolas Münchner Werk. Insgesamt überwiegt die Farbenpracht.

Nun zieht es ihn weiter zu Manchester City, wo er das englische Publikum für seine Version des Fußballs gewinnen will. Für Guardiola ist das ein großes Experiment. Es gilt herauszufinden, ob sein aus Barcelona importierter Ballbesitzstil in allen großen Ligen der Welt kompatibel ist. Nur wird er in Manchester wohl die Erfahrung machen, dass dies nirgends so leicht möglich war wie in München. Citys Kader ist voll von überbezahlten Spielern, die für Guardiolas Spiel unbrauchbar sind. Sergio Aguero, Kevin de Bruyne, David Silva kommen infrage, Raheem Sterling und Jesus Navas vielleicht auch noch. Mehr nicht. Abwehr und Mittelfeld müsste er schon generalüberholen, die fünf Weltklassespieler, die im Sommer kommen sollen, werden da kaum reichen. Kein Spielversteher wie Philipp Lahm ist in Sicht, kein Torwart mit der Spieleröffnung eines Manuel Neuer. Die Gefahr, dass der aus Barcelona als Trainergott gekommene und in München menschlicher gewordene Guardiola in Manchester auf ein Normalmaß schrumpft, ist gegenwärtig.

Nach der Meisterfeier mit den Bayern hatte Pep Guardiola angekündigt, seine Wohnung in München behalten zu wollen. Das könnte sich noch mal in vielerlei Hinsicht als gute Entscheidung erweisen.

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