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Hartmut Nickel und Billy Flynn.

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25 Jahre Deutsche Einheit: Wie die Eisbären Berlin die Mauer verschoben

Billy Flynn und Hartmut Nickel haben den Aufstieg des Eishockeyklubs Eisbären Berlin nach der politischen Wende maßgeblich mitgestaltet - trotz Anlaufschwierigkeiten.

Billy Flynn erinnert sich gut an seine ersten Begegnungen mit den Eisbären. Kurz nach der politischen Wende hat er den Ostberliner Eishockeyklub als Gegner kennengelernt. Flynn war Trainer der Preussen, des Rivalen aus dem Westen. „Bei den Derbys in der Bundesliga, da hat es immer geknallt“, sagt Flynn.

„Das war immer mehr als Sport, das war West gegen Ost.“ Und Flynn, gebürtig US-Amerikaner aus Boston, stand auf der westlichen Seite – bis er seinen Trainerjob in Charlottenburg bei den Preussen verlor. Kurz danach fragte ihn der damalige Eisbären-Präsident Helmut Berg: „Willst Du nicht zu den Eisbären kommen?“ Flynn antwortete: „Eigentlich nicht.“ Doch dann kam er trotzdem – und blieb. Seit über 20 Jahren ist der Mann, dessen weicher US-Akzent nur noch leicht seine Herkunft verrät, bei den Eisbären. So lange hat es in leitender Position keiner geschafft auf der Geschäftsstelle des Klubs. Bis auf Hartmut Nickel, der ist schon seit 1963 dort.

„Falsche Ernährung, ich sag’s dir, Hartmut“

Billy Flynn und Hartmut Nickel sind über die Jahrzehnte so etwas wie die guten Seelen des Klubs geworden. Der US-Amerikaner und der gebürtige Weißwasseraner, zwei Menschen mit ausgeprägtem Hang zum schwarzen Humor, sie verstehen sich blendend, sagen sie und die große Vertrautheit ist offen hörbar, wenn sie miteinander schwatzen.

„Wie geht es dem?“ - „Ach, ehrlich. Im Krankenhaus“ - „Falsche Ernährung, ich sag’s dir, Hartmut.“ Sie hätten sich schon immer gut verstanden, sagen sie. Dabei war der Hartmut gar nicht in Berlin, als Flynn einst Trainer bei den Eisbären wurde. Nickel arbeitete in Hannover: „1994 hatte ich als Trainer mit Hannover gegen die Preussen gespielt, als Billy dort noch Trainer war. Ein paar Monate später, als ich dann mit Hannover in Berlin spielte, kam mir Billy mit Eisbären-Logo auf dem Jacket im Sportforum Hohenschönhausen entgegen.“

Er sei zu schnell gelandet

Nickel wurde bald sein Kollege in Berlin, nachdem der Klub in Hannover insolvent wurde. Bei den Eisbären wurde er Nachwuchstrainer und koordinierte viel für die erste Mannschaft, während Flynn den Trainerjob schnell mit der Aufgabe als Marketingchef getauscht hatte. Später wurde er Geschäftsführer.

Vielleicht haben sich die beiden damals vor zwei Jahrzehnten auf Anhieb so gut verstanden, weil Nickel auch die westliche Sicht der Dinge auf den Osten aus seiner Zeit in Hannover gut kannte („für die Niedersachsen war ich eine rote Socke“). Flynn hatte es nämlich zunächst nicht einfach in Hohenschönhausen. „Zuerst bin ich von den Preussen gekommen, dann aus dem Westen und dann noch als Amerikaner. Ich kam für die Menschen dort vom Mond!“

Aber der Billy sei schnell gelandet, erzählt Nickel. „Der kam so schnell mit unterschriebenen Sponsorenverträgen an, so schnell konnten die gar nicht gucken. Da waren die beeindruckt, so gut kannte sich da ja keiner aus.“ Flynn habe mit seinem Arbeitseifer mitgeholfen, den Verein auf eine sehr gute Basis zu stellen. Die Eisbären waren zwar sportlich schon in den Neunzigerjahren erfolgreich, bekamen aber erst einen Schub durch den Einstieg des US-Investors Philip Anschutz, der schließlich auch die Arena am Ostbahnhof errichtete.

"Hartmut ist ein ehrlicher Mensch"

Sieben Meistertitel haben die Berliner seitdem geholt, aus der Nischen-DDR-Marke Dynamo ist längst ein Wirtschaftsunternehmen geworden, das weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt ist: Außerhalb des Fußballs sind die Eisbären der bekannteste Klub im Lande.

Und sie stehen, glaubt Flynn, mehr als jeder andere Klub der Stadt für das vereinigte Berlin. „Wir haben die Mauer in den Köpfen auch im Westen Stück für Stück verschoben. Erst bis zum Potsdamer Platz, dann bis zur Friedrichstraße und nun ist sie weg.“ Früher, in der kleinen Halle in Hohenschönhausen, hätten die „Leute aus dem Westen noch Angst gehabt, zu uns zu kommen“, sagt Flynn. Die Zeiten seien vorbei.

Vor 21 Jahren dachte Flynn, sein Engagement bei den Eisbären sei „ein Schritt rückwärts, eigentlich wollte ich in die Schweiz gehen.“ Inzwischen sagt er: „Das waren drei Schritte vorwärts.“ Nickel ist inzwischen 70, Flynn 65 Jahre alt: Aufhören wollen sie beide so schnell noch nicht.

Nickel hat immer noch organisatorische Aufgaben im sportlichen Bereich, Flynn ist zwar seit diesem Jahr nicht mehr Geschäftsführer, aber immer noch Berater des Aufsichtsrats und mit der Sponsorensuche beschäftigt. Billy Flynn sagt: „Hartmut ist ein ehrlicher Mensch mit Herz, der steht für das, was er sagt.“ Hartmut Nickel sagt: „Billy ist so etwas wie mein Starverkäufer. Auch wenn wir älter sind als die Burschen, die die Leiter hoch wollen. Wir halten durch. Uns hat die lange Zeit zusammengeschweißt.“

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