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Unions Spiel ist auf Sebastian Polter ausgerichtet, am Freitag wurde der Stürmer aber vom Platz gestellt.

© Imago/Camera 4

1. FC Union Berlin: Endspurt ohne Fixpunkt Polter

Nach der Roten Karte für Sebastian Polter muss der 1. FC Union Berlin seine Taktik im Kampf um den Aufstieg umstellen.

Tim Kister wollte gerade den Weg in die Kabine antreten, da versperrte ihm Sebastian Polter den Weg. Mit strengem Blick schauten sich die beiden in die Augen. Ein kurzer Dialog folgte. Polter: „Tut mir Leid, das war keine Absicht.“ Kister: „Was gehst du da so hin?“ Polter: „Ich will dich blocken, deswegen mache ich einen langen Schritt und treffe dich. Das war unglücklich und wirklich keine Absicht.“ Kister tat sich in diesem Moment immer noch schwer, die Entschuldigung seines Gegenspielers anzunehmen. „Trotzdem, du musst da nicht so einsteigen.“ Ein flüchtiger Handschlag, dann war die Sache abgehakt und beide zogen ihrer Wege.

Die Szene, die am Freitag in der zweiten Hälfte zur Hinausstellung von Polter führte, wird den 1. FC Union Berlin dennoch im Saisonendspurt verfolgen. Ausgerechnet beim so wichtigen Auswärtsspiel gegen den direkten Konkurrenten Braunschweig am Montag in einer Woche muss Union auf seinen wichtigen Angreifer verzichten. Und vermutlich darüber hinaus. Mit einem Spiel Sperre, wie Polter glaubt, wird er kaum davonkommen. Realistisch ist eine Rückkehr zum Saisonfinale in Fürth. Polter versuchte alles, um sich betont optimistisch zu geben. Er versuchte gar, seine herausragende Rolle zu hinterfragen: „Ob es eine Schwächung ist, weiß man nicht. Wir haben viele Spieler, die in die Bresche springen können.“

Auch Unions Trainer Jens Keller gab sich in dieser Hinsicht größte Mühe: Es sei das normalste der Welt, dass ein Spieler mal gesperrt oder verletzt sei, sagte er. Alles kein Problem. Nur dürfte die Wahrheit eine andere sein. Polter ist der Fixpunkt in Unions Spiel. Um ihn aus England zurückzuholen, gab der Verein mehr als eine Million Euro aus. Mehr, als der Klub je zuvor für einen Spieler gezahlt hatte.

Union fehlt nun Polters Wucht

Mit seiner physischen Spielweise und der mitreißenden Art ist sein Einfluss auf die anderen enorm. Christopher Trimmel brachte die Stimmung schon eher auf den Punkt: „Das wiegt sehr, sehr schwer“, sagte der Verteidiger nach dem 2:1 gegen Sandhausen über Polters Ausfall. Der Sieg hielt Union weiter im Aufstiegsrennen, in dem der VfB Stuttgart am Samstag in letzter Sekunde punktete: Der Tabellenführer gewann nach 0:2-Rückstand noch 3:2 in Nürnberg. Hannover und Braunschweig, Unions andere Konkurrenten um den Aufstieg, sind erst am Sonntag im Einsatz.

Es ist Glück im Unglück für den 1. FC Union, dass der Österreicher Philipp Hosiner gerade gut in Form ist und Polter am ehesten ersetzen kann. Gegen Sandhausen schoss Hosiner das 1:0. „Hosi ist super drauf, er ist bereit“, sagt Trimmel. Mit Hosiner im Zentrum wird Union gezwungen sein, das eigene Spiel umzustellen. „Ich werde bis nächste Woche nicht mehr 20 Zentimeter wachsen, da müssen wir uns was überlegen“, sagte Hosiner. Was der Österreicher meint: Ihm fehlt die körperliche Wucht Polters. Hohe, weit geschlagene Bälle in seine Richtung sind keine Option. Dieses Stilmittel, mit dem die Berliner es gegen Sandhausen zeitweise übertrieben, lässt sich erfolgreich nur mit Polter einsetzen, der den Ball mit seinem massigen Körper hervorragend behaupten kann. Hosiner ist in diesem Fall derjenige, der mit Tempo in die Räume sprintet, die Polter reißt. „Die Konstellation mit Polti ist schon sehr angenehm“, sagt Hosiner. Die Rolle als einziger Mittelstürmer sei für ihn aber kein Problem. „Ich habe die meiste Zeit meines Lebens so gespielt.“

Gut möglich, dass Keller in Braunschweig auch etwas ganz anderes im Sinn hat, zumal neben Polter in Person von Steven Skrzybski auch Unions zweiterfolgreichster Torschütze fehlen wird. Gegen Sandhausen überraschte Unions Trainer mit einer Raute im Mittelfeld, bei der Simon Hedlund den Spielgestalter gab. Das Experiment glückte nicht zu hundert Prozent. Hosiner dürfte aber anders als Hedlund in Braunschweig gesetzt sein. Und das nicht nur, weil Union neben ihm und Polter schlicht über keinen weiteren Mittelstürmer im Kader verfügt.

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