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Alte Bekannte im Berliner Fußball (1): BFC Viktoria 1889: Ohne Sieg zum Titel

Heute spielt der BFC Viktoria in der fünften Liga - dabei gewann der Berliner Klub im Jahr 1894 die erste gesamtdeutsche Fußball-Meisterschaft.

Die Idee hatte etwas Visionäres, nur umsetzen ließ sie sich nicht. Noch nicht. Im Jahre 1894 war Fußball eine aufkommende Trendsportart aus England und weit davon entfernt, so professionell strukturiert zu sein wie heute. Den Deutschen Fußball-Bund (DFB) gab es noch nicht, alle Mannschaften organisierten sich im Deutschen Fußball- und Cricketbund (DFuCB). Dieser hatte 1894 die Idee einer gesamtdeutschen Meisterschaft. Der Berliner Meister Viktoria sollte gegen den 1. FC Hanau 1893, Titelträger der Süddeutschen Fußball-Union, antreten. Als Endspielort wurde Berlin ausgewählt. Weil die Hanauer aber kein Geld für die weite Reise auftreiben konnten, wurde Viktoria, damals vollständig Berliner Thorball- und Fußball-Club Viktoria von 1889 (BTuFC Viktoria 89), kampflos zum ersten gesamtdeutschen Champion erklärt. Der DFB erkannte die Meisterschaft später an, obwohl sie in einem anderen Verband ausgetragen wurde. Man konnte also vom Treffen zweier ehemaliger Deutscher Meister sprechen, als sich der BFC Viktoria und Hertha BSC am Dienstagabend im Friedrich-Ebert-Stadion gegenüberstanden. Ein Duell auf Augenhöhe war es aber nicht. Drei Spielklassen trennen den Zweitligisten Hertha und den Oberligaverein Viktoria.

Nur drei Spielklassen. Zwischenzeitlich war der Verein aus dem Stadtteil Tempelhof bis in die siebte Liga abgestürzt. Über die Berlin-Liga kam man nicht hinaus. Dann übernahm Christoph Schulte-Kaubrügger das Präsidentenamt. Seitdem gilt der BFC Viktoria als eine der besten Adressen im Berliner Amateurfußball. Wobei Amateurfußball nicht mehr ganz richtig ist. Die Spieler trainieren täglich unter professionellen Bedingungen, Trainer ist mit Thomas Herbst ein ehemaliger Bundesligaspieler.

„Wir wollen hinter Hertha BSC und dem 1. FC Union die dritte Kraft in Berlin werden“, sagt Schulte-Kaubrügger. Probleme macht nur die Spielstätte, das Friedrich-Ebert-Stadion an der Bosestraße in Tempelhof. Die Anlage ist veraltet; sollte der BFC Viktoria von der Oberliga in die Regionalliga aufsteigen, müsste er, Stand heute, umziehen. Der DFB verlangt in seinen Auflagen von den Vereinen in der vierten Liga unter anderem eine Flutlichtanlage, überdachte Tribünenplätze und einen eingezäunten Gästeblock – nichts davon ist im Friedrich-Ebert-Stadion vorhanden. „Die Bauarbeiten würden Kosten im sechsstelligen Bereich verursachen“, sagt Schulte-Kaubrügger. Zu viel für einen Verein, der laut seinem Präsidenten über keinen potenten Einzelsponsor, sondern über einen großen Sponsorenpool verfügt. „Der Klub darf sich nicht übernehmen, sportlicher Erfolg und Strukturen müssen gemeinsam wachsen.“

Finanzielle Schwierigkeiten gab es in der Vergangenheit häufiger. 1960 war es besonders schlimm. Gemeinsam mit Hertha BSC versuchte  Viktoria seine Geldnot durch ein Freundschaftsspiel gegen Real Madrid zu mindern. Es gelang nicht. Eine gemischte Mannschaft aus Spielern beider Berliner Teams verlor im Olympiastadion vor 30 000 Zuschauern 0:1 gegen Reals Weltauswahl um Alfredo di Stefano.

Als drei Jahre später die Bundesliga gegründet wurde, war Viktoria nicht dabei. Überhaupt konnte der Verein nie wieder an seine frühen Erfolge vor dem Ersten Weltkrieg anknüpfen. Der Meisterschaft von 1894 folgten die Titel 1908 und 1911. Umjubelter Liebling war Helmuth Röpnack, Berlins populärster Spieler vor dem Krieg und genau wie seine Teamkameraden Paul Hunder oder Karl Tewes Nationalspieler. Sie alle holten die Meisterschaften zwei und drei für Viktoria auf sportlichem Weg und machten den Makel vom am grünen Tisch gewonnenen Titel 1894 wieder wett. Dieser wurde 2007 endgültig aus der Welt geschafft. Viktoria und Hanau trafen sich, um die erste Meisterschaft sportlich auszuspielen. Viktoria setzte sich in Hin-und Rückspiel durch. Es war der bisher letzte große Titel für Berlins Fußball.

Mit Hertha BSC und dem 1. FC Union sind derzeit zwei Berliner Vereine im großen Fußball vertreten – allerdings nur in der Zweiten Liga. Das war nicht immer so, Tradition ist bei vielen Vereinen der Stadt reichlich vorhanden. Wir blicken in einer Serie auf Berliner Klubs mit ruhmreicher Vergangenheit und beschreiben ihre Gegenwart.

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