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Ein anderes Bild von Russland wünscht sich Putin.

© dpa

RT Deutsch: Stimmungsmacher für Wladimir Putin

Der russische Sender RT ist im November in Deutschland gestartet – er soll Stimmung machen für Russland unter Putin. Und wie reagiert Berlin auf den neuen Kampagnenjournalismus aus dem Kreml?

Kritische Fragen muss der Mann von der AfD in dieser Sendung nicht befürchten. Es geht um die Wahl des ersten linken Ministerpräsidenten in Thüringen. Der stellvertretende Sprecher der AfD Berlin, Hugh Bronson, ist per Skype in die Sendung von RT Deutsch zugeschaltet. "Die CDU basht gnadenlos gegen die AfD" – dieses Eingangsstatement kommt nicht vom Parteisprecher, sondern von der Reporterin Lea Frings, die ihn befragt. Für den AfD- Sprecher ist dies eine Steilvorlage. Die CDU habe sich durch die Weigerung, mit seiner Partei zu kooperieren, "zum Steigbügelhalter der SED-Nachfolgepartei gemacht". Und damit am Ende wirklich jeder versteht, gegen wen sich die Kritik richtet, erklärt Moderatorin Jasmin Kosubek nach dem Interview: "Die christliche Partei war sich einfach zu schade, mit der Alternative zusammenzuarbeiten."

Der Sender will zeigen, was andere angeblich verschweigen

Der Sender RT Deutsch ist im November mit einem Online-Auftritt und der halbstündigen Internet-Sendung "Der fehlende Part" gestartet. In Berlin diskutieren seitdem Politiker, Journalisten und Nichtregierungsorganisationen, wie man mit dem vom Kreml finanzierten Sender umgehen soll. RT Deutsch will zeigen, was andere Medien angeblich verschweigen, und "Stimmen zu Wort kommen lassen, die eine alternative, unkonventionelle Sichtweise präsentieren". Und wer sind diese anderen Stimmen? Der stellvertretende Fraktionschef der Linken im Bundestag, Wolfgang Gehrcke, warf den ukrainischen Streitkräften "Mord und Mordterror" im Osten der Ukraine vor; welche Rolle russische Kämpfer dort spielen, wurde nicht erwähnt. Die Linken-Abgeordneten Alexander Neu, Dieter Dehm und Niema Mossavat waren ebenfalls bei RT Deutsch zu Gast. Auf der anderen Seite konnte auch der Brandenburger AfD-Chef Alexander Gauland in der Sendung erklären, warum er die Demonstranten von "Pegida" nicht für fremdenfeindlich hält. Die meisten Studiogäste sind einem größeren Publikum allerdings unbekannt. "Als Experten treten oft Personen auf, von denen selbst Fachleute noch nie gehört haben", sagt der Politologe Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

RT präsentiert sich als Gegenöffentlichkeit zu den deutschen Medien und trägt jede Kritik wie eine Trophäe vor sich her. "Wir sind ein Dorn im Auge der deutschen Medien", betonte Moderatorin Kosubek. Der Sender sei eine "Manifestation der Medienverdrossenheit" und eines wachsenden Misstrauens in Deutschland.

Tatsächlich nutze RT Deutsch die Medienverdrossenheit in Deutschland aus und versuche, auf diese Weise eine Resonanz zu finden, sagt Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. "Doch die Fundamentalkritik an den deutschen Medien sollte man selbstbewusst – trotz Fehlern von Medien hier – zurückweisen", betont Mihr. "RT Deutsch kommt im Gewand des Journalismus daher, ist aber eigentlich PR." Der Sender sei Teil einer größeren russischen Informationskampagne. Der Russland- Experte Meister betont, es gehe Moskau darum, "im Westen Einfluss auf die öffentliche Debatte zu nehmen". RT versuche, "das pluralistische Mediensystem anzugreifen und infrage zu stellen, indem behauptet wird, dass alle Medien lügen".

RT Deutsch setzt auf junge Gesichter

Moderatorin Kosubek sagt in ihrer Sendung ironisch, RT Deutsch sei "nur ein russischer Propagandasender". Die Gäste müssten davon ausgehen, "dass wir das Böse sind", und würden "erschüttert" feststellen, dass "einfach ein paar ambitionierte junge Leute sich zusammengetan haben, um RT Deutsch ins Leben zu rufen". Der Sender setzt tatsächlich auf junge Gesichter vor der Kamera. "Der fehlende Part" erinnert eher an ein Filmprojekt in der Schule als an einen professionellen Sender. Doch auch das betont Unfertige, Lockere ist Teil des Kalküls – schließlich wendet sich der Sender an eine Generation, die mit Youtube-Videos aufgewachsen ist.

Doch hinter dem deutschen Ableger von RT stehen keineswegs nur ein paar Berufsanfänger, die noch nie in Russland waren. Bei einem Notar in Berlin-Wilmersdorf erscheint am 14. August der 43-jährige Russe Denis Trunov. Man spricht Englisch, weil der Gast kaum Deutsch kann. Trunov, Geschäftsführer der Videoagentur Ruptly in Berlin, gründet eine neue GmbH, die RT DE Productions – und bestellt sich selbst zum Geschäftsführer. Die Videoagentur Ruptly wiederum ist eine Tochter eines staatseigenen russischen Medienunternehmens, das auch den englischsprachigen Sender Russia Today (RT) betreibt. In Moskau gehörte Trunov von Anfang an zum Führungsteam des Staatssenders. Ab 2005 ist der gelernte Journalist stellvertretender Chefredakteur, später wird er offenbar mit einer besonderen Aufgabe betraut, der Expansion des Senders in Schlüsselländer: Er leitet das Büro von RT in Washington, bis er nach Berlin geschickt wird, um erst Ruptly und nun RT Deutsch aufzubauen. In der Öffentlichkeit taucht Trunov nicht auf, anders als RT-Deutsch-Chefredakteur Ivan Rodionov, der zuvor in gleicher Funktion bei Ruptly war und in Talkshows die russische Position im Ukraine-Konflikt vertritt. Ein Tagesspiegel-Interview mit Rodionov kam trotz Nachfragen nicht zustande.

Der Fokus liegt auf den USA und Europa

Russia Today sendet rund um die Uhr auf Englisch, auch ein arabisches und ein spanisches Programm gibt es. Im Jahr 2009 erfand sich der Sender neu. Statt wie bisher über Russland zu berichten, richtete er den Fokus auf die USA und Europa. Russland verschwand sogar aus dem Namen des Senders, um in den USA ein größeres Publikum anzuziehen: aus Russia Today wurde RT. Der Sender suche sich gezielt Themen aus, die das westliche demokratische System infrage stellen, sagt der Russland-Experte Meister.

Der russische Präsident Wladimir Putin sprach im Juni 2013 – natürlich im RT-Interview – über die Absicht des Staates bei der Gründung des Senders. RT solle "versuchen, das angelsächsische Monopol im weltweiten Informationsfluss zu brechen". Offenbar habe der Sender damit Erfolg, lobte der Präsident. Man habe einen "absolut unabhängigen Nachrichtensender" schaffen wollen, versicherte Putin – und fügte hinzu: "Natürlich wird der Sender von der Regierung finanziert und kann so gar nicht anders, als die offizielle Position der russischen Regierung zu den Ereignissen in unserem Land und im Rest der Welt auf die eine oder andere Art zu reflektieren."

Doch wie kommt der neue Sender in Deutschland an? Martin Hoffmann, Geschäftsführer des Deutsch-Russischen Forums und des Petersburger Dialogs, sieht durchaus einen Bedarf für einen Sender, der ein anderes Russland-Bild vermittelt. "Ich glaube aber nicht, dass RT diesen Bedarf decken kann", sagt Hoffmann. "Die Form der Kommunikation, die dort betrieben wird, wird dem Zweck nicht gerecht, ein sachgerechtes Russlandbild zu vermitteln." Der Sender gehe zu wenig auf die "Sehgewohnheiten des westlichen Zuschauers" ein. Man könne im Westen eine Meinung nicht vermitteln, ohne substanzielle Kritik daran einzubeziehen, betont Hoffmann. Er selbst würde zwar als Studiogast zu RT Deutsch gehen, es müsse aber klar sein, wer die Gesprächspartner seien. "Man darf sich nicht politisch funktionalisieren lassen", sagt der Geschäftsführer des Deutsch-Russischen Forums. "Wer hingeht, dem muss klar sein, dass er Teil von Auslands-PR und einseitiger Darstellung wird", betont Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen.

Auftreten oder nicht?

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Alexander Neu, der bei RT Deutsch auftrat, hat kein Problem damit, dass der Sender vom Kreml bezahlt wird. "Medien, die von einem Staat finanziert werden, vertreten Interessen, aber das tun private Medien auch", sagt er. "Ich setze auf den gesunden Menschenverstand der Zuschauer, sich eine Meinung zu bilden." Eine Debatte darüber, ob man bei RT Deutsch auftreten soll, habe es in seiner Fraktion nicht gegeben. Dass auch die AfD bei RT ausgiebig zu Wort kommt, findet Neu "schade". Die Aktivisten des Blogs Netzpolitik.org erklärten dagegen, "Propaganda-Sendern" grundsätzlich keine Interviews zu geben. "Außerdem möchten wir mit unseren Themen und Positionen nicht neben irgendwelche Rechtsaußen einsortiert werden."

Im Dezember 2013 strukturierte Russland seine Staatsmedien um, fasste sie unter einem Dach zusammen und kündigte massive Investitionen in diesem Bereich an. Aus der russischen PR-Offensive, zu der auch RT gehört, ist mit dem Krieg in der Ukraine ein Informationskrieg geworden. So tauchen auch im Studio von RT Deutsch wohl nicht zufällig vor allem diejenigen auf, die Russland als mögliche Verbündete in diesem Informationskrieg mit dem Westen ausgemacht hat.

Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 23. Dezember 2014 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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