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Nadeschda ist ein Stadtviertel Sofias, in dem vor allem Roma siedeln.

© Concordia

Roma in Berlin: Die Dienstreisenden vom Balkan

Die eine hat in Berlin 139.000 Euro gemacht. Die andere steckt noch in ihrem Slum fest. Wer in diesen Tagen in Bulgariens Ghettos aufbricht, ist auf der Suche nach Hoffnung – und Geld. Unser Blendle-Tipp.

Als sich Drina im Mai einen Tag freinimmt, im lädierten Mercedes ihres Freundes aus dem Berliner Süden in die Innenstadt fährt, einen Caféplatz in der Sonne findet, Minztee bestellt und den Touristen nachschaut, schmunzelt sie erst – und grinst dann.

Einst sammelte sie aus den Mülleimern hier am Hackeschen Markt die Pfandflaschen. „Iiim Wiiinter!“, sagt Drina in gedehntem, sanftem Deutsch. „Kaaalt!“ Ihr Freund, der ihr Cousin ist, nickt.

Bald, sagt Drina, 30 Jahre, hat sie’s geschafft: ab in die Heimat, Wohnung, Kinder. Drina wickelt ihre blondierten Strähnen um den Zeigefinger, legt dann die Handtasche auf den Tisch, holt – zwischen Kosmetik, Pfefferspray, Kippen – einen Western-Union-Einzahlungsbeleg hervor: 6000 Euro Bargeld hat sie ihrer Schwester in Sofia zukommen lassen.

Insgesamt hat Drina, ihr voller Name ist egal, in drei Jahren 139 000 Euro aus Berlin überwiesen. In Sofia reicht das für eine Dreizimmerwohnung.

In Bulgarien bin ich, sagt Drina, die Königin. Und das als Cigani!

Drina ist Wanderarbeiterin, bulgarische Staatsbürgerin – und Romni. Sich selbst bezeichnet sie als Cigani, was nicht zufällig an „Zigeuner“ erinnert. Eine von denen ist sie, die sich so oft wie möglich oder auch nur ein Mal im Leben aufmachen und aus Europas armem Südosten in den wohlhabenden Norden gehen, mit dem Wunsch nach einem Broterwerb, nach verdientem oder auch unverdientem Geld. Sie stammen wie Drina oft aus Bulgarien, aus Vierteln wie jenem in ihrer Heimatstadt Sofia, das ausgerechnet Nadeschda heißt. Hoffnung.

Viele sind nicht registriert, die Lebenserwartung ist niedrig

Die Innenstadt von Sofia ist prächtig, Kirchen, Moscheen, Paläste, Museen, Hotels, Restaurants. Doch nur ein paar Autominuten an den Stadtrand, dort wo Drina herkommt, säumt Schutt schlammige Straßen. Kinder toben vor mit Planen verhangenen Hütten. Eine skelettierte Fabrik ist mit Staub überzogen, aus Platten sprießt Unkraut. Zehntausende leben so, fast alles Roma. Viele sind nicht registriert, die Lebenserwartung ist niedrig. Suff, Drogen, Gewalt – vor allem aber Infektionen, Mangelernährung, Kälte.

Knapp 450 Euro Monatsbrutto ist der Durchschnittslohn, Bulgarien ist nicht nur geografisch das Ende der Europäischen Union. Roma bekommen im Monat selten 200 Euro durch Sammeln, Tauschen, Almosen zusammen.

Und so brechen auch in diesen Wochen wieder Familien nach Wien, Paris, Berlin auf. Jeden Sommer, wenn sie in der Stadt sichtbarer werden, wird in Berlin diskutiert: Warum, heißt es dann, leben die Roma alle so?

Meist geht es eigentlich nur um bestimmte Roma. Um jene Familien, die in Parks, auf Treppen oder in Obdachlosenheimen schlafen. Die in unsanierten Wohnungen zu Wucherpreisen alte Matratzen mieten. Auch um die Mädchen, die am Strich an der Kurfürstenstraße stehen. Um bettelnde Kinder und solche, die an Ampeln ungefragt Autoscheiben putzen. Es geht um die Verfahren gegen Diebesbanden – um gestohlene Handtaschen, Kupferkabel, Schmuck. Sozialarbeiter, Beamte, Lehrer, sogar EU-Diplomaten und selbst Drina und ihr Freund sagen: Ja, oft sind’s Roma vom Balkan.

Im Norden von Sofia sitzt Natascha im Sveti-Konstantin-Sozialzentrum. Natascha – rote Haare, schwarze Augen, hennabraune Ornamente auf der Haut – ist zwei Jahre jünger als Drina. „Ich würde gern ins Ausland“, sagt sie. „Aber dafür ...

Den vollständigen Text lesen Sie für 45 Cent im Online-Kiosk Blendle.

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