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Ratgeber: Vorzeitiger Samenerguss

Gelegentlich zu früh zu kommen ist normal - auf Dauer aber ein Problem.

Auch wenn Männer es nicht gern zugeben, haben diese Situation wohl schon viele von ihnen erlebt: Man liebt sich, die Erregung ist groß, doch bevor es wirklich losgeht, geht ist es auch schon wieder vorbei - der Liebhaber ist gekommen, viel zu früh. Das ist für beide Seiten enttäuschend, kann aber passieren. Zum Problem wird der vorzeitige Erguss, wenn er statt einer Ausnahme die Regel ist.

Ist ein vorzeitiger Samenerguss überhaupt eine Krankheit?
Gelegentlich eine Ejakulation nicht kontrollieren zu können, ist vollkommen normal - Mann ist ja keine Maschine. Doch Männer, die immer zu früh kommen, stehen unter einem enormen psychischen Leidensdruck. An entspannten Sex ist dann nicht mehr zu denken. »Männer, die unter einer Ejaculatio Praecox, also einem vorzeitigen Samenerguss leiden, sind im Kopf nur noch damit beschäftigt, die Frau zu befriedigen«, sagt der auf Andrologie spezialisierte Urologe Harry Derouet vom Urologischen Zentrum am Boxberg in Neunkirchen. Eine Krankheit liegt erst vor, wenn der Sex von einem oder beiden Partnern als zu kurz und unbefriedigend erlebt wird.

Das kann vor allem das Selbstwertgefühl des Mannes stark beeinträchtigen und zu psychischen Problemen wie einer Depression führen. »Die Angst zu versagen und der psychische Stress können auch noch eine Erektionsstörung hervorrufen«, sagt Derouet. Als wäre ein Problem im Bett nicht genug. Manche Männer gehen dem Malheur aus dem Weg und meiden Sex gleich ganz. Und das ist oft früher oder später ein Trennungsgrund.

Wie früh ist »vorzeitig«?
Im Schnitt können Männer »nur« fünf Minuten lang an sich halten. Aber das ist bloße Statistik, denn was für den einen befriedigend ist, kann andere enttäuschen. Das Beschwerdebild eines vorzeitigen Samenergusses ist also höchst subjektiv. Objektiv ist das ein Problem, wenn das Lustspiel von den beiden Partnern als zu kurz empfunden wird und das Ende vom Mann bei bestem Willen nicht verzögert werden kann.

Ist die Ejaculatio Praecox ein Jugendphänomen?
Die Beschwerden können in der Pubertät bei den ersten sexuellen Erfahrungen auftreten. Vorzeitige Samenergüsse sind bei jungen und sexuell unerfahrenen Männern durchaus keine Seltenheit, können aber in der Regel überwunden werden, wenn man an Erfahrungen im Liebesspiel gewonnen hat. Nicht so bei Männern, die unter einer Ejaculatio Praecox leiden - bei ihnen setzt sich das Problem auch mit zunehmendem Alter und sexueller Erfahrenheit fort.

Was ist die Ursache für einen vorzeitigen Samenerguss?
Ein vorzeitiger Samenerguss kann psychische und organische Ursachen haben. Mediziner unterscheiden zwischen einem lebenslangen, dem sogenannten »primären« vorzeitigen Samenerguss und einem erworbenen »sekundären« vorzeitigen Samenerguss, der zusammen mit Erkrankungen wie Harnwegs- oder Prostataentzündungen oder einer Erektionsstörung auftreten kann.

Deutlich häufiger leiden Männer jedoch unter einem lebenslangen vorzeitigen Samenerguss. Neben psychischen Problemen wie Stress und Ängsten konnten Mediziner auch eine organische Ursache ausmachen - einen gestörten Stoffwechsel des Botenstoffs Serotonin. Das Hormon Serotonin hemmt die sexuelle Erregungsfähigkeit und verzögert Orgasmus und Ejakulation. Bei vielen Männern, die unter einem vorzeitigen Samenerguss leiden, scheint der Serotoninspiegel zu niedrig zu sein.

Bei einem Teil der Patienten mit primärer Ecaculatio Praecox spielt auch die genetische Veranlagung eine Rolle. »Rund 90 Prozent der Betroffenen haben Verwandte, die ebenfalls unter einer Ejaculatio Praecox leiden«, sagt Urologe Derouet.

Wie kann die sexuelle Ausdauer verbessert werden?
Auch wenn es schwerfällt, sollte am Beginn einer Therapie ein offenes Gespräch mit dem Partner stehen, um Ängste zu thematisieren und Druck aus der Beziehung zu nehmen. Sexualtherapeuten empfehlen beim Liebesspiel sexuelle Stimulationstechniken, die eine vorzeitige Ejakulation verhindern sollen. Beispielsweise die Start-Stopp-Technik: Der Penis wird nahe an den Höhepunkt stimuliert, dann warten die Liebenden ab, bis die Erregung etwas abgeklungen ist, um dann von Neuem zu beginnen. Bei der Squeeze-Technik soll die Erregung des Mannes durch einen Schmerzreiz gebändigt werden, indem die Partnerin kurz vor dem männlichen Orgasmus den Penis unterhalb der Eichelkante drückt. Reibungsärmer und behutsamer geht es hingegen bei der Zeitlupentechnik zu. Spezielle Atemübungen sollen diese Stimulationstechniken ergänzen. Geschulte Sexualtherapeuten können dabei helfen, diese Techniken zu erlernen.

Auch auf einen zweiten Versuch sollten die Liebenden es mal ankommen lassen. Denn nach dem ersten Erguss ist die Reizschwelle des Mannes deutlich höher und der zweite Akt kann so deutlich länger dauern.

Bringen auch diese Methoden keine Abhilfe, gibt es noch die Option der medikamentösen Therapie. Seit seiner Zulassung im Jahr 2009 verschreiben Urologen das Medikament Dapoxetin. Der Wirkstoff gehört zur Gruppe der Antidepressiva und ist ein sogenannter Serotoninwiederaufnahmehemmer. Dapoxetin verhindert, dass Serotonin im Gehirn abgebaut wird - so sorgt das Medikament für einen höheren Serotoninspiegel und damit für längere Standhaftigkeit. Laut Zulassungsstudie könne die Zeit bis zum Samenerguss um das Drei- bis Vierfache verlängert werden. Urologe Harry Derouets Fazit fällt nüchtern aus: »Das ist zurzeit das beste Medikament auf dem Markt, aber der große Wurf ist das trotzdem nicht.« Denn nur bei sechs von zehn Männern führe Dapoxetin zu einer subjektiven Verbesserung des Sexlebens und der Ejakulationskontrolle. Dapoxetin wird zwei bis drei Stunden vor dem Bettvergnügen als Pille geschluckt. Ein weitere medikamentöse Therapiemöglichkeit, um die männliche Erregung zu zügeln, sind lokal auf die Eichel aufgetragene Betäubungsmittel. Um das Lokalanästhetikum nicht auf die Frau zu übertragen, sollte unbedingt ein Kondom benutzt werden.

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