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Frauenrechte im Blick.

© Getty Images

Zum Weltfrauentag: Der Feminismus muss sich auf das Wesentliche konzentrieren

Der Feminismus bleibt nötig. Denn Gewonnenes kann wieder verloren gehen. Es stehen große Kämpfe mit der neuen rechten Bewegung bevor. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ronja Ringelstein

Die Szene vergangene Woche im Europäischen Parlament wirkte wie aus der Zeit gefallen: Der polnische Nationalist und EU-Abgeordnete Janusz Korwin-Mikke sagte bei einer Plenarsitzung: „Natürlich müssen Frauen weniger verdienen als Männer, denn sie sind schwächer, kleiner und weniger intelligent.“ Der Mann ist 74 Jahre alt. Seine Meinung ist heute in der westlichen Welt nicht mehrheitsfähig. Die Frage, die sich dennoch jetzt stellt: Ist er ein übrig gebliebenes Fossil oder der Vorbote einer neuen Zeit?

Wofür als Feministin heute in Deutschland also kämpfen?

Der Feminismus errang Etappensiege, die den Frauen, die heute um die 30 sind, selbstverständlich vorkommen. Es ist fast nicht mehr vorstellbar, dass sie erst lang und hart erkämpft werden mussten. Das Frauenwahlrecht, das Mitbestimmungsrecht über die eigenen Kinder, Geschäftsfähigkeit verheirateter Frauen und die Möglichkeit, ein eigenes Konto zu führen. Als ein wichtiger weiterer Meilenstein folgte schließlich 1972 das „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ in der DDR. Das Gesetz war eine Sensation und weltweite Neuheit. Die Frau konnte innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen eigenverantwortlich über den Abbruch entscheiden. Die Bundesrepublik folgte einige Jahre später nach.

Wofür als Feministin heute in Deutschland also kämpfen? Mein Körper, meine Freiheit. Das gilt. Das Gesetz zur Lohngerechtigkeit hat das Kabinett im Januar beschlossen. Die Geschlechterquote, die zugegeben noch eine Frauenquote ist, ist eingeführt. Damit dürfte alles getan sein. Zumal der Feminismus, wie Komikerin Carolin Kebekus es ausdrückt, immer so „unrasiert“ daherkommt.

Viele verachten den "Genderwahn"

2013 nahm die Universität Leipzig in ihrer Grundordnung statt der üblichen, meist männlichen Form, die weibliche Form für Professorin auf und kennzeichnete mit einer Fußnote, dass auch die Männer damit angesprochen seien. Damit wollte die Uni dem Umstand Rechnung tragen, dass mehr Professorinnen als Professoren an der Hochschule lehrten. Ein Shitstorm brach über sie herein, auch weil die breite Öffentlichkeit fälschlich davon ausgegangen war, die Regelung gelte nicht nur für das Dokument der Grundordnung, sondern für den gesamten Uni-Alltag. Frauen echauffierten sich über den vermeintlichen „Genderwahn“, darunter auch Theodor-Wolff-Preisträgerin Sibylle Krause-Burger, die ihre Kolumne in der Stuttgarter Zeitung mit „Gruß Gott, Herr Professorin“ überschrieb. „Dieser Männerexorzismus, dieser Kniefall vor dem, was ein paar weibliche Fanatiker für politisch korrekt halten, macht auch an vielen anderen Orten Schule“, schrieb die Kolumnistin und sprach damit offenbar vielen aus der Seele.

Ging der Feminismus zu weit?

Ist der Feminismus zu weit gegangen? Arbeiten „weibliche Fanatiker“ – hier nicht die weibliche Form zu benutzen war wohl ein gezielter Seitenhieb – tatsächlich mit einer auf die Spitze getriebenen Political Correctness eigentlich schon gegen die Sache der Frauen? Indem sie alle so lange mit vermeintlichen Kleinigkeiten nerven, bis niemand mehr mit dem Wort Feminismus noch irgendetwas Gutes verbindet?

Das Sternchen mitten in einem Wort, um die weibliche Endung *innen anzufügen, ist nicht schön. Doch es ärgert schon ein bisschen, über den Ursprung der Worte „herrlich“ und „dämlich“ nachzudenken. Gegen diese Ungerechtigkeit, die schwarz auf weiß im Duden geschrieben steht, gibt es einfach keine schlagfertige Antwort. Zu fordern, diese Worte nicht mehr zu benutzen, wäre dennoch albern.

Feminismus wird nie obsolet, solange es Sexismus gibt

Man darf und muss sich über Ungerechtigkeiten ärgern. Doch sollte bei den Kämpfen, die oft im Kleinen ausgetragen werden, nicht der größere Rahmen vergessen werden. Der Feminismus wird nie obsolet werden, solange es den Sexismus gibt. Das Wort Feminismus aber ist inzwischen so negativ besetzt, dass es lässiger ist, ihn als Frau abzulehnen. Das muss sich ändern, denn es führt unweigerlich zu einem Schluss: Wenn eine Frau nicht so erfolgreich ist wie ein Mann, ist das – in jedem Fall – ihr eigenes Verschulden, denn Barrieren wie damals gibt es nicht mehr. Diese Annahme beruht aber auf zwei Irrtümern. Erstens sind wir zwar weit in der Entwicklung, doch eine soziale Ungerechtigkeit ist noch immer vorhanden. Eine „Frauenquote“ etwa ist beschlossen, doch vielerorts noch nicht umgesetzt. Was der Feminismus heute noch immer leistet, ist das Erinnern an die Einhaltung von Gleichheitsrechten. Es geht nicht darum, Ungleiches gleich zu machen, sondern das, was gleich ist (die gute Arbeit einer Frau und die gleich gute Arbeit eines Mannes etwa), gleich zu behandeln. Das ist ein Grundrecht.

Zweitens ist nicht zu leugnen, dass es wieder eine rückläufige Entwicklung zu geben scheint. Der polnische Europa-Abgeordnete mag ein besonders starkes Negativbeispiel sein. Aber allein ist er nicht.

Die Angriffe von rechts sind auch Angriffe gegen Frauenrechte

Mit der neuen rechten Bewegung werden die Angriffe auf als selbstverständlich empfundene Frauenrechte wieder häufiger. In der Debatte um Frauenrechte geht es immer auch um Menschenrechte. Menschen, die Frauen diskriminieren, schließen auch Minderheiten aus und machen sich über Menschen mit Behinderungen lustig. US-Präsident Donald Trump verbot mit einem seiner ersten Dekrete Entwicklungshilfezahlungen an Organisationen, die im Ausland Frauen in Familienfragen beraten und dabei auch Abtreibungen finanzieren. Nach Ansicht der Stiftung Weltbevölkerung (DSW) wird sich die Gesundheit tausender Mädchen und Frauen dadurch verschlechtern.

Gewonnene Rechte können wieder verloren gehen. Es geschieht aus Desinteresse der vielen und wenn man sich im Klein-Klein verliert. Auch in Deutschland sind wir vor einer solchen Entwicklung nicht gefeit. Manche AfD-Funktionäre sind bekennende Abtreibungsgegner.

Dass sie über einen Sternchen im Wort fordernden „Genderwahn“ lachen, haben sie auch mit vielen Nicht-AfD-Wählern gemein. Es könnte schon bald wieder darum gehen, auch in Deutschland die Grundpfeiler der Frauenrechte zu verteidigen. Das sollten wir im Blick behalten und dem mit einem modernen Feminismus begegnen – ohne Sternchen vor den Augen.

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