zum Hauptinhalt
EU-Währungskommissar Pierre Moscovici.

© AFP

Zukunft der EU: "Dieser Vorschlag ist ambitioniert"

EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici unterstützt die Idee den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, bis 2024 einen voll integrierten deutsch-französischen Markt zu schaffen.

Herr Moscovici, Frankreichs Präsident Macron schlägt ein Budget für die Euro-Zone vor. Was halten Sie davon?

Ich habe mich schon vor langer Zeit dafür ausgesprochen, dass die Euro-Zone ein Budget bekommt. Damit könnte man zum Beispiel Investitionen fördern oder Arbeitslosen in Zeiten der Rezession helfen. Dies ist ein entscheidender Schritt, um dem Auseinanderdriften unserer Mitgliedstaaten zu begegnen. Wie Jean-Claude Juncker bereits angekündigt hat, wird die Kommission in diesem Sinne Anfang Dezember konkrete Vorschläge vorlegen. Wir werden die Schaffung einer substanziellen Budgetlinie innerhalb des EU-Haushaltes vorschlagen. Diese Budgetlinie soll vier Funktionen erfüllen: Hilfe bei Strukturreformen, Stabilisierung, ein Auffangnetz für die Bankenunion sowie Beitrittshilfen für EU-Länder, die noch nicht Mitglied der Euro-Zone sind.

Nach der Ansicht Macrons soll die Euro-Zone künftig durch ein eigenes Parlament kontrolliert werden. Einverstanden?

Die Euro-Zone braucht dringend mehr Demokratie. Gegenwärtig werden bei informellen Treffen der Finanzminister der Euro-Zone hinter verschlossenen Türen Entscheidungen in der Wirtschafts- und Fiskalpolitik getroffen, die das Leben von Millionen Bürgern betreffen. Diese Entscheidungen lassen den Sinn für das Allgemeinwohl der Euro-Zone vermissen, und es gibt auch keine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Europaparlament. Das muss sich ändern. Es ist an der Zeit, dass eigene Strukturen innerhalb des Europaparlaments geschaffen werden, so dass Themen der Euro-Zone gesondert behandelt werden können.

In seiner Rede in der Sorbonne-Universität hat Macron die Euro-Zone als das „Herz eines integrierten Europas“ bezeichnet. Wie denken Sie über diese Vision?

Die Euro-Zone ist eindeutig das Herzstück des europäischen Projekts. Die Länder mit der gemeinsamen Währung haben sich zu einer tieferen Integration verpflichtet – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch. Dies wird umso mehr deutlich werden, je mehr wir mit der notwendigen Arbeit bei der Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion vorankommen. Gleichzeitig ist der Euro das Zahlungsmittel für die EU als Ganzes. Die Euro-Zone wird also für die übrigen EU-Mitgliedstaaten offen bleiben, sobald sie bereit sind. Wir wollen dabei helfen, indem wir die Funktionsweise der Euro-Zone verbessern, Unterstützung bei der Erfüllung der Konvergenzkriterien leisten und dadurch die Anziehungskraft für weitere Mitgliedstaaten erhöhen.

Was halten Sie von einem „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“?

Das existiert doch heute bereits: 19 von 28 Mitgliedstaaten haben den Euro, 23 von 28 Ländern sind im Schengen-Raum und so weiter. Es gibt einige erfolgreiche Beispiele einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen einzelnen Mitgliedstaaten auf bestimmten Politikfeldern, wie beim EU-Einheitspatent oder beim Güterrecht für binationale Paare. Und wir arbeiten auch weiter an einer Finanztransaktionssteuer, die gegenwärtig von zehn Mitgliedstaaten unterstützt wird. Natürlich ist es immer besser, wenn man gemeinsam vorangeht. Aber in unserer großen und vielfältigen Union wird es zwangsläufig noch häufiger dazu kommen, dass einige schneller voranschreiten. Wer das im eigenen Interesse tun will, muss dazu auch in der Lage sein.

Halten Sie Macrons Idee, bis 2024 einen vollkommen integrierten deutsch-französischen Markt zu schaffen, für machbar?

Die deutsch-französische Aussöhnung war der Samen, aus dem das europäische Projekt entstanden ist. Eine engere Zusammenarbeit ist immer gut für Europa – vorausgesetzt, dass deutsch-französische Initiativen auch anderen Mitgliedstaaten offenstehen. Deshalb unterstütze ich voll und ganz die Initiative von Präsident Macron, die Gesetzgebung im Firmenrecht beider Länder zu harmonisieren. Dieser Vorschlag ist ambitioniert, und die Umsetzung wird natürlich eine große Herausforderung darstellen. Aber Europa wäre heute nicht da, wo es steht, wenn politische Führungsfiguren in der Vergangenheit nicht den Mut gehabt hätten, kühne Ideen zu verwirklichen.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false