zum Hauptinhalt
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), will kein Zurück zur Wehrpflicht - unter den gegebenen sicherheitspolitischen Umständen.

© dpa

Wehrbeauftragter Hans-Peter-Bartels zur Bundeswehrreform: "Aussetzung der Wehrpflicht war willkürlich und konzeptlos"

Vor fünf Jahren wurde die Wehrpflicht ausgesetzt. Über die Frage, wo der Nachwuchs herkommen soll, habe man sich damals zu wenig Gedanken gemacht, sagte der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels.

Von Michael Schmidt

Herr Bartels, fünf Jahre nach Aussetzung der Wehrpflicht ist die Bundeswehr geschrumpft, bekommt aber immer neue Aufgaben. War der Umbau ein Fehler?

Die Aussetzung durch den damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg war willkürlich und konzeptlos. Erst heute sind wir so weit, dass es ein wirklich neues Nachwuchswerbekonzept für die Freiwilligenarmee gibt, die nicht mehr auf die Wehrpflicht zurückgreifen kann. Über die Frage der Rekrutierung hat man sich damals definitiv zu wenig Gedanken gemacht.

Gibt es grundsätzlich genug Freiwillige?

Im vergangenen Jahr bewarben sich rund 100 000 junge Leute für 25 000 militärische und zivile Dienstposten, die zu besetzen waren. Das hört sich erst mal gut an. Aber für manche Aufgaben gab es zu wenig Bewerbungen. Die Marine hat im Bereich Elektronik und Schiffstechnik Riesenlücken; die Informationstechnik ist in der gesamten Bundeswehr eine Mangelverwendung; im Sanitätsdienst fehlt es an Experten. Also: Bestimmte Fachkräfte bekommt man nur sehr schwer.

Anfangs gab es die Sorge, in Konkurrenz zur Wirtschaft womöglich nur die auf dem Arbeitsmarkt sonst Chancenlosen und Bildungsfernen für sich begeistern zu können – hat sich das bestätigt?

Das kann ich so nicht erkennen. Für viele junge Leute, die sich kurzzeitig verpflichten, ist die Bundeswehr, was das Materielle angeht, extrem konkurrenzfähig: So viel Geld verdient man sonst als 19- oder 20-Jähriger nirgendwo. Auch für den Offiziersnachwuchs gibt es ausreichend Bewerbungen. Sorgen bereitet der Mittlere Dienst, das sind die Feldwebel, das ist die Meisterebene. Da hilft: selbst ausbilden. Die Bundeswehr muss als Ausbildungsbetrieb noch attraktiver werden.

Greift die Attraktivitätsoffensive der Ministerin Ursula von der Leyen, die unter anderem mit Flachbildschirmen im Dienstzimmer beworben wurde?

Die Werbung ist schon schön. Die Realität ist noch nicht so schön. Viele Kasernen sind nicht in dem Zustand, den man sich wünscht. Und das liegt nicht daran, dass den jungen Soldaten der Bildschirm fehlt.

Sondern?

Ich glaube, wir müssen zwei große Veränderungen hinbekommen. Zum einen wird nicht mehr nur ein Jahrgang junger Männer angesprochen, sondern Männer und Frauen in gleicher Weise. Das schlägt sich jetzt auch in den Bewerbungen nieder: 25 Prozent kommen von Frauen. Das ist gut. Aber im militärischen Alltag gelten Frauen in Uniform immer noch zu oft als exotisch. Bei den Berufssoldaten sind sie krass unterrepräsentiert. Da muss mehr Normalität rein! Genauso wie bei Migranten. Ihr Anteil steigt. Menschen mit Migrationshintergrund sind gut in der Bundeswehr aufgehoben, die eine Art melting pot ist: Da muss man zusammenarbeiten.

Die zweite große Veränderung?

Ist der von einer stets schrumpfenden zu einer wieder leicht größer werdenden Armee. Wir reden dabei nicht von neuen Brigaden oder neuen Geschwadern. Aber es gibt personelle Lücken, die gestopft werden müssen. Das müsste eigentlich zu einem Mentalitätswechsel in der gesamten Truppe führen: In den letzten zweieinhalb Jahrzehnten schienen immer zu viele an Bord zu sein, da rumorte im Bewusstsein eines jeden einzelnen Soldaten die Frage: Werde ich nach der nächsten Reform noch gebraucht oder nicht? Jetzt muss klar sein: Jeder, der da ist, wird gebraucht. Es werden sogar mehr gebraucht!

Wäre es möglich, die Wehrpflicht wieder einzuführen?

Bei der Größenordnung, die die Bundeswehr heute hat, unter 200 000 Soldaten, ist die alte Wehrpflicht nicht mehr sinnvoll. Sie lief ja auch 2011 aus mit einem Grundwehrdienst, der nur noch sechs Monate dauerte. Das war nicht praktisch für die Streitkräfte. Wer jetzt die Wehrpflicht wieder einführen wollte, müsste, um ganze Jahrgänge von Wehrpflichtigen auszubilden, die Bundeswehr massiv vergrößern. Das wäre ein Signal, das politisch niemand wollen kann. Aber prinzipiell gilt: Die Wehrpflicht ist nur ausgesetzt. Es muss möglich sein, sie zu reaktivieren, wenn wir sicherheitspolitisch eine ganz andere Lage bekämen.

Hans-Peter Bartels, SPD-Politiker, ist seit 2015 Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false